Cover-Bild Binewskis: Verfall einer radioaktiven Familie
10,99
inkl. MwSt
  • Verlag: Berlin Verlag Taschenbuch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 512
  • Ersterscheinung: 14.09.2015
  • ISBN: 9783833310270
Katherine Dunn

Binewskis: Verfall einer radioaktiven Familie

Roman
Monika Schmalz (Übersetzer)

Wie viele der großen Romane der Moderne erzählt auch dieses Kultbuch die Geschichte einer Familie. Arturo, der Fischjunge, Iphy und Elly, die siamesischen Zwillinge, das Nesthäkchen Chick und Oly, die bucklige Albino-Zwergin: die Binewskis sind die absonderlichste Verwandtschaft, die man sich vorstellen kann. Doch ihre Probleme kennen wir alle. Geschwisterliebe und -konkurrenz, die Anerkennung der Eltern, unsere Vorstellung von »Selbst« und dem »Anderen«, normal und unnormal. Dann nimmt Artys Größenwahn Überhand und der Caravan der Binewskis steuert auf eine schreckliche Katastrophe zu.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.05.2017

Der Spiegel in den man nicht schauen will

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Das Buch „Binewskies Eine Radioaktive Familie“, oder im Englischen „Geek Love“, wurde von Katherine Dunn geschrieben und 1989 veröffentlicht.
Die Hauptfigur ist Olympia Binewskie, welche mit ihrer Familie ...

Das Buch „Binewskies Eine Radioaktive Familie“, oder im Englischen „Geek Love“, wurde von Katherine Dunn geschrieben und 1989 veröffentlicht.
Die Hauptfigur ist Olympia Binewskie, welche mit ihrer Familie einen Wanderzirkus betreibt, bei dem sie, und viel mehr noch ihre Geschwister die Hauptatraktion sind.
Das interessante hierbei ist, dass diese alles Missgeburten sind, die so in ihrer Ausprägung von ihren Eltern gezüchtet wurden.
Der Höhepunkt dieser Ereignisse ist die Entstehung eines Kultes um diese, wobei Olympias Bruder Arturo das Epizentrum, vielmehr noch der Gott, dessen ist.
Anders als beim Lesen des ersten Kapiels gedacht, spielt das Buch in keiner surrealen Welt, in der Mutationen und fehlende Körperteile normal sind, sondern in unserer.
Und dies erschreckend realistisch.
Durch den Klappentext bin ich davon ausgegangen, dass dies ein Familiendrama der klassischen Art mit einem surrealen Twist ist, doch dies hat mich verdammt getäuscht.
Viel mehr ist dies ein sozialkritischer Roman, der auf die menschlichen Abgründe eingeht, welche erst durch die Hässlichkeit der Hauptfigur zum Vorschein kommt.
Dies beginnt bereits am Anfang mit der Entstehung der Missgeburten, welche nur durch die kommerziellen Ziele der Eltern geschaffen wurden.
Davon soll man sich aber nicht täuschen lassen: Die Kinder werden geliebt, aber, sie werden noch mehr geliebt, je mehr sie leisten.
Mich hat dies an diese Typischen Helikoptereltern erinnert, welche ihre nie erreichten Träume nun auf ihre Bälger abwälzen.
Interessant dabei ist, dass sich die Kinder sich selber nicht als Freaks wahrnehmen, sondern den Test der Welt als abnormal abtun, was sich durch immer wieder auftauchende Abfälligkeit in ihren Shows abzeichnet.
Dies ist aber nur natürlich: Sie leben im Zentrum der Menschen durch ihre Shows, dich hinter den Kulissen existiert ihr völlig eigenes Universum.
Ein Universum ohne unsere für uns normalerscheinende Moralvorstellungen, Menschenwerte und Bedürfnisse.
Eine Parallelwelt in der Inzest, Vergewaltigung und Gier normal ist.
Dies führt auch dazu, das die Binewskie-Mädchen sich alle in ihren Bruder verlieben, da dieser Maß allen gefallens ist.
Das hat mich dazu gebracht darüber nachzudenken, ob Liebe nur das Aussuchen des besten Stücks aus einer kleinen Auswahl ist und sich die Mädchen wohl auch in einen Anderen hätten verlieben können, wenn sie wüssten, dass es auch andere Möglichkeiten hätte geben können.
Und bei all diesen Gefühlen und Erfahrungen ist man hautnah dabei.
Angefangen von der ersten Sexualität bin hin zu jedem noch so kleinen zwischenmenschlichen Drama.
Genau das regt zum Nachdenken an, was wahrscheinlich auch am authentischen Schreibstil der Autorin liegt.
Sie hat den Mut zur Fäkalsprache und keine Scheu vor unschönen Details, sei es auch eine Vergewaltigung. Man hatte nie das Gefühl, das sie Handlung in einer Fremden Welt spielt. Nein, man war dabei.
Es ist alles auf dem Punkt. Keine Beschönigung. Keine nervenden Pausen. Kein fucking Fan-Service. Und keine nervende Teenie Romanze mit charakterlosen Figuren.
Es wird das Leben in allen seinen Facetten dargestellt und dies ist ein gesellschaftlicher Spiegel, in den man nicht ohne aufgestellte Nackenhaare hineinblicken kann.
Und gerade das berührt und überzeugt. Dies ist der Angelhacken im Fleisch, der einen nicht loslässt und dafür sorgt, dass ich mich nicht von diesem Buch lösen konnte.
Alles was zwischen den Zeilen und zwischen den Dialogen hängt lässt einen nicht los, denn das Buch covert so viele Aspekte des Lebens, dass man die Situationen zwar nicht nachvollziehen aber nachempfinden kann.
Natürlich ist das Buch nicht perfekt, denn Olympias Brief an ihre Tochter, welcher die Einleitung und der Schluss des Buches ist, wirkt trocken und lässt auf keine Reaktion von dieser schließen, was ein unbefriedigendes Ende zurücklässt.
Trotzdem empfehle ich dieses Buch aus vollem Herzen, denn wie gesagt, dies ist der Spiegel in den man nicht blicken will.