"Pflaster drauf und gut ist´s"
Die „Wir-Erzählerin“ sitzt im Gerichtssaal. Auf einer Empore mit vielen anderen Zuschauern. Sie hat einen guten Blick zum Richter, den Angeklagten und den Verteidigern. Für das Verfahren wurden extra Räume ...
Die „Wir-Erzählerin“ sitzt im Gerichtssaal. Auf einer Empore mit vielen anderen Zuschauern. Sie hat einen guten Blick zum Richter, den Angeklagten und den Verteidigern. Für das Verfahren wurden extra Räume umgebaut und viele Stühle platziert. Das Interesse war sehr groß und der Platz nur begrenzt. Zumal auch eine Vielzahl an Medienvertretern der Verhandlung folgten. "Laufendes Verfahren" beschreibt ebenfalls, dass selbst Männer mit Hakenkreuztattoo im Nacken zur Aussauge zugelassen wurden. Unmöglich in Deutschland? Nein, eine Tatsache.
Ich behaupte mal, dass kein Prozess so sehr beachtet wurde, wie dieser sogenannte NSU-Prozess. Und eine Bundeskanzlerin versprach den Betroffenen sogar „rückhaltlose Aufklärung“. Was war es zum Schluss? „Pflaster drauf und gut ist´s“? 5 Jahre dauerte das Hin und Her. Formfehler wurden beanstandet, Verteidiger ausgewechselt und immer wieder wurde vertagt. Es gab Nebenkläger, die davon derart zermürbt waren, dass sie ihre Klage zurücknahmen.
Die Autorin schreibt tatsächlich immer „wir“. Sie beobachtet gemeinsam mit einer „Omagegenrechts“, einem „Gerichtsopa“, einer „Grundsatzyiliz“ und einem „Bloggerklaus“. Sie zitiert manchmal wörtlich aus den Akten und dann wieder humorvoll, aus ihrer Phantasie. Und trotzdem bleibt nach dem Lesen ein fader Geschmack. Eins wird nämlich deutlich: zu viele Fakten wurden verschwiegen und das gilt besonders für den Verfassungsschutz und dessen V-Männer. In meinen Augen haben die Verantwortlichen versagt und die Täter mit Samthandschuhen angefasst. Das Buch ist durchaus lesenswert, wenngleich auch die Gedankengänge der Autorin nicht immer nachvollziehbar sind.