Amerikanische Träume
Von diesem Wahljahr hängt viel ab - unter anderem, ob in den USA Donald Trump wieder ins Weiße Haus einzieht. Gerade angesichts der Erfahrung seiner ersten Amtszeit dürften sich viele Europäer fragen, ...
Von diesem Wahljahr hängt viel ab - unter anderem, ob in den USA Donald Trump wieder ins Weiße Haus einzieht. Gerade angesichts der Erfahrung seiner ersten Amtszeit dürften sich viele Europäer fragen, wieso dieser Mann bei einer großen Zahl von Amerikanern überhaupt als wählbar gilt. Haben die denn nichts gelernt?
In ihrem Buch "Das amerikanische Versprechen" erzählt Kerstin Kohlenberg anhand von drei Lebensgeschichten, wie die Mitte der Gesellschaft in den USA immer kleiner wird, wie Aufstiegsträume immer schwieriger umzusetzen sind und wie die Gesellschaft polarisiert. Kohlenberg war, unter anderem in den Trump-Jahren, USA-Korrespondentin der "Zeit" und hat ihre Protagonisten dort getroffen und über längere Zeit begleitet. Im Stil einer literarischen Reportage erzählt sie über Walter, einen Black Lives Matter-Aktivisten, Stephen aus Kentucky, der beim Sturm auf das Kapitol einer der ersten war, die die Absperrungen überwanden und Magali, Tochter einer mexikanischen Einwandererfamilie ohne Papiere, die sich mit Ehrgeiz und harter Arbeit den Aufstieg in die Mittelschicht ermöglicht.
Gerade Walter und Stephen sind Gestalten, zu denen es schwer ist, Nähe zu entwickeln - Stephen hatte das Pech, in eine Familie hineingeboren zu werden, in der Drogen und Gewalt den Alltag prägten, er selbst hat auch so manche falsche Entscheidung getroffen und sich gewissermaßen in der Youtube und Tiktok-blase der Trump-Anhänger radikalisiert. Eigentlich ein Loser, mit dem man durchaus Mitleid haben kann, der aber trotzdem fremd bleibt.
Und Walter aus der Bronx ist eigentlich reichlich selbstgerecht, hat die ihm wiederholt gebotenen Chancen und offenen Türen nicht genutzt, kann sich auch nicht damit entschuldigen, dass er keinen Vater in seinem Leben hatte oder in der Familie kein solides Wertesystem vermittelt bekam. Statt dessen führt er sich über weite Strecken wie ein Kind in der Trotzphase auf, will Respekt und wichtig genommen werden, ist aber nicht bereit, sich dafür langfristig anzustrengen und zieht, wenn es schief geht, schmollend die Rassismus-Karte, wobei er sich gleichzeitig wegen seines Ego-Kurses mit anderen Aktivisten etwa der Black Lives Matter-Bewegung entzweit.
Insofern hat die Autorin durchaus polarisierende Amerikaner ausgewählt, um über die zersplitternde Gesellschaft zu schreiben. Ob das nun tatsächlich das Spiegelbild der US-Gesellschaft ist? Dennoch interessant zu lesen.