Zwei Leben mit dem Blick durch den Sucher: Auf der Reise mit dem Zeitgeist der Stunde — unterhaltend, spannend, zum Nachdenken anregend.
Was für eine Reise! In „Liv“ erzählt Kevin Kuhn von der titelgebenden Protagonistin Liv, der vor ihrem Militärdienst in Israel flieht – hinaus in die Welt, das Handy immer dabei. Was anfangs nur eine Spielerei ...
Was für eine Reise! In „Liv“ erzählt Kevin Kuhn von der titelgebenden Protagonistin Liv, der vor ihrem Militärdienst in Israel flieht – hinaus in die Welt, das Handy immer dabei. Was anfangs nur eine Spielerei für sie ist, wird nach und nach ein immer wichtigerer Punkt ihres Lebens: ihre Follower, ihre Community, kurz: das Leben mit der Digitalität. Auf ihren Reisen, die sie mal ganz als Backpacker bestreitet mit nichts mehr als einem Rucksack und der Kleidung, die sie trägt, mal auf einer luxuriösen Jacht, auf der es ihr an nichts mangelt. Durch viele Länder reist sie, lernt viele Menschen kennen, die ihr mal mehr, mal weniger gut tun, und findet in dem ganzen Wust der Fremdheit, der Wunder und der Ferne letztendlich eines: sich selbst. Parallel zu diesem Handlungsstrang erzählt der Autor auch die Geschichte von Franz Frey, der in den neunzehnzwanziger Jahren in Berlin lebt und ein Leben in Saus und Braus führt; Partys, Tanz und vor allem Zigaretten. Der erste Zeppelinflug erregt die Aufmerksamkeit der ganzen Welt, und als Franz eine Leica Kamera gewinnt, hält er dieses Ereignis natürlich mit dieser fest. Nach und nach fokussiert sich sein Blick auf gute Bilder, er lebt mehr und mehr durch den Sucher und auch für ihn werden die Gedanken an die Meinungen anderer zentral. Für beide Charaktere beginnt so, auch wenn 100 Jahre sie trennen, eine Reise durch ein neues Zeitalter der Digitale, das durch seinen Sog auch seine Opfer nimmt.
Schaue ich durch die Kamera, habe ich den frischesten Blick. Alles wird schärfer, ruhiger. Ich bin so süchtig danach, dass ich fast das Rauchen vergesse. Die Zeit bleibt stehen. — Franz
In diesem schwarzen, 500 Seiten starken Band erzählt Kevin Kuhn nicht nur die Geschichten zweier scheinbar unverbundener junger Menschen auf dem Weg zur Selbstfindung, ob sie sich dessen bewusst sind oder nicht, sondern auch die eines Zeitgeists: die Digitalisierung, die Veränderung und die Entwicklung der Welt, wie wir sie kennen. Liv und Franz wachsen im Verlauf der Handlung mehr und mehr mit ihren Geräten zusammen und stürzen sich in Gedanken, wie die Außenwelt sie wahrnimmt und was sie nach ihrem Leben hinterlassen möchten. Beide Charaktere finanzieren sich durch ihre Fotos ihren Lebensstandard und als Leser wird man gezwungen, ihre Entscheidungen kritisch zu überblicken. Die Protagonisten fallen immer tiefer in einen Strudel, der vom Sog der Popularität ausgeht, und während Franz es noch schafft, die Beziehungen zu seinen Freunden aufrecht zu erhalten und zu pflegen, vereinsamt Liv zusehends, nicht einmal ihr Freund Elam meldet sich regelmäßig bei ihr. Bis er Liv plötzlich Hinweise auf die Pinnwand postet, wo er sich aufzuhalten scheint. Soll sie ihn suchen…? Euphorisch und voller Liebe macht sich Liv sofort auf, ihn zu finden. Doch auf das, was an ihrem Ziel auf sie wartet, ist sie nicht vorbereitet…
Die vollständige Rezension findet ihr auf meinem Blog: http://killmonotony.de