Eine Geschichte, die auch das echte Leben hätte schreiben können
Blinde können nicht tanzen und ihre beruflichen Wünsche erfüllen. Ein selbst bestimmtes Leben? Aber doch nicht für Behinderte.
Von diesen oder ähnlichen Meinungen will Adam nichts wissen. Er will nicht ...
Blinde können nicht tanzen und ihre beruflichen Wünsche erfüllen. Ein selbst bestimmtes Leben? Aber doch nicht für Behinderte.
Von diesen oder ähnlichen Meinungen will Adam nichts wissen. Er will nicht auf seine Sehbehinderung reduziert werden und möchte unbedingt ein Teil der Gesellschaft sein. Sein Plan ist auf eigenen Beinen zu stehen und wagt somit den Neuanfang in der Stadt, die ihn am meisten fasziniert: Hannover.
Um eine reale Chance zu haben als vollwertiges Mitglied der Gemeinschaft angesehen zu werden, verschweigt Adam seine Sehbehinderung. Denn einfach kann jeder. Voller Enthusiasmus beschreitet Adam seinen neuen Weg, nicht ohne vielen Hindernissen ausweichen zu müssen auf der Suche nach sich selbst und seinem persönlichen Glück.
Diese sehr einfühlsame Geschichte wurde von Adam persönlich erzählt. Anfänglich kam ich etwas holperig in seine Erzählungen, weil sie mit meiner Erwartungshaltung irgendwie kollidierten. Ein Buch aus der Sicht eines Sehbehinderten sollte anders erzählt sein, dachte ich. So war mir am Anfang alles zu „sehend“ beschrieben, aber im Lauf der Geschichte wurde klar, weshalb Adam die Geschehnisse so „normal“ schildern konnte. Gleichzeitig zeigte mir der Umstand auf, dass ich genauso mit Vorurteilen behaftet bin, wie es einige Figuren in dem Buch waren.
Ich wohne nun schon seit gut siebzehn Jahren am Stadtrand von Hannover und so war ich natürlich sehr gespannt darauf, wie diese Stadt wohl aus der Sicht eines Sehbehinderten wahrgenommen werden würde. Es war faszinierend zu lesen, welche spannenden Details die unterschiedlichen Stadtteile bereithalten. Und oft fragte ich mich, wie blind ich eigentlich selber bin. Viele Kleinigkeiten waren mir selber noch nie aufgefallen und es war ein Abenteuer mit dem Buch in der Hand Adams Schritte nachzuvollziehen. Aber auch für Hannover unkundige Menschen wurde alles so präzise geschildert, sodass die Stadt auch in der Fantasie lebendig werden kann.
Adams Weg kreuzen auch einige andere Personen, zum Beispiel seine neuen Mitbewohnerinnen Muriel und Johanna. Charakterlich unterschieden sich alle Figuren, waren aber alle lebensnah und glaubwürdig. Hierbei schaffte es die Autorin mich auch aufs Glatteis zu führen, denn besonders Muriel war am Ende eine echte Überraschung. Generell waren mir Adam und seine Mädels sehr sympathisch, auch wenn ich sein Verhalten nicht immer nachvollziehen konnte. Klar, irgendwo konnte ich Adam verstehen. Denn er zeigte gnadenlos auf, wie Gewissenlos wir „normalen“ uns gegenüber Menschen mit Einschränkungen verhalten. Aber auf der anderen Seite hatte auch Adam Vorurteile gegenüber seinen Mitmenschen. Dieses Verhalten machte Adam für mich menschlich und oftmals trat auch dadurch seine verletzliche Seite hervor.
Der rote Faden der Geschichte hatte mir sehr gut gefallen, denn obwohl das Thema schon eine gewisse Ernsthaftigkeit hatte, bekam es dank des flüssigen und lockeren Schreibstil von Kia Kahawa eine angenehme Leichtigkeit. Auch humoristisch angehauchte Szenen lockerten die Kernaussagen gekonnt auf.
Der Aufbau der Geschichte war logisch und chronologisch, zwischen einzelnen Szenen lagen auch längere Zeitspannen. Trotzdem war es ein rundes Leseerlebnis und die fehlenden Stunden wurden kurz und bündig aufgearbeitet.
Adams Geschichte war wunderbar vielschichtig. Es zeigte die Welt aus der Sicht eines Sehbehinderten, mit allen Vor- und Nachteilen, mit allen blödsinnigen Vorurteilen der „Sehenden“ und auch der vorgefertigten Meinung der Sehbehinderten über die Menschen mit allen sechs Sinnesorganen. Dabei wurde aber nie der mahnende Zeigefinger erhoben, sondern mit viel Feingefühl um gegenseitige Rücksichtnahme und Verständnis geworben.
Fazit: Eine Geschichte, die auch das echte Leben hätte schreiben können und eine Hommage an die schönste Stadt Niedersachsens: Hannover.