Willkommen im Habitat Miseria
"Das Leben sucht man sich nicht aus, man lebt es einfach. "
S. 196/Tolino
Inhalt
Grossbritannien in naher Zukunft: Eine Pandemie hat das Land heimgesucht und gebeutelt. Um der Sache Herr zu werden wurden ...
"Das Leben sucht man sich nicht aus, man lebt es einfach. "
S. 196/Tolino
Inhalt
Grossbritannien in naher Zukunft: Eine Pandemie hat das Land heimgesucht und gebeutelt. Um der Sache Herr zu werden wurden alle Erkrankten in eine eigens im Green Belt von London errichtete Kuppel - dem Habitat Miseria - gebracht und sich selbst überlassen. Der Rest der Bevölkerung wird akribisch überwacht um Neuerkrankte sofort wegzubringen.
Richard Thorndyke versucht sein Leben so gut wie möglich in den Griff zu bekommen, nachdem seine Freundin in das Habitat gebracht wurde. Bis sein eigener Name im System unter den Erkrankten auftaucht - obschon er komplett gesund ist - und er selber zum sterben in die Kuppel gebracht wird. Doch was er in Miseria entdeckt ist nicht annähernd das, was man draußen darüber so hört und Richard befindet sich plötzlich mitten in all dem.
Meine Meinung
Nach den ersten paar Seiten war ich positiv überrascht vom Schreibstil. Er wirkt anspruchsvoller als der übliche Schreibstil des Genres - etwas gehobener. Doch schon nach ein paar Kapiteln flog mir dieser dann sozusagen um die Ohren. Denn die teils zeilenlangen Schachtelsätze, gefüllt mit unnötigen Informationen, nervten mich zusehends. Etwa in der Mitte des Buches war ich versucht abzubrechen, da es gerade gar nicht vorwärtsgehen wollte, aber gefühlt über alles philosophiert wurde. Bis zum Schluss habe ich mich damit schwergetan - aber immerhin habe ich meinen Wortschatz um sage und schreibe 4 Wörter erweitern können. Das kann nicht jeder Roman von sich behaupten.
Zur Geschichte an sich: Die fand ich mal gut mal weniger gut gelungen. Die Thematik ist ja leider ziemlich aktuell (Pandemie/Epidemie), interessanterweise wurde das Buch aber offenbar vor den Geschehnissen rund um Corona geschrieben (Juni 2018 gemäss Big A) - da hat die Autorin aber den Nagel ziemlich auf den Kopf getroffen.
Ansonsten behandelt das Buch die Thematiken Überwachungsstaat, technischer Fortschritt, KI und Shakespeares "Der Sturm". Auf jeden Fall eine interessante Mischung.
Das erste Drittel der Story spielt in London in den Outer-Rims und dem Inner Circle - wie die Stadtteile mittlerweile heißen. Das Worldbuilding fand ich da sehr interessant und gelungen, near future Sci-Fi. Wichtiger Teil der Geschichte schon hier: Die Androiden - oder im Buch eben Deltas genannt.
Im Verlauf der Geschichte wechselt der Schauplatz ins Habitat, was mir irgendwie gefallen, der Story aber den Sci-Fi-Aspekt praktisch genommen hat. Was Richard dort vorfindet müsst ihr schon selbst herausfinden. Ich hatte hier aber das Gefühl, dass der sorgsam aufgebaute Weltenentwurf einfach über den Haufen geworfen wurde - er wurde praktisch nicht mehr gebraucht.
Thema Richard: Den Protagonisten der Geschichte fand ich weder speziell sympathisch noch besonders unsympathisch. Ein mittelmässiger Typ der wohl Anfang/Mitte 30 sein soll, sich vom Wissen und der Sprache her aber eher wie ein frischpensionierter Mittsechziger verhält. Er philosophiert gerne über alles und jeden und hat einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit.
Die anderen Protagonisten konnten mich ebenfalls nur mäßig begeistern. Am meisten vermochten mich wohl die Shakespeare-zitierenden Deltas zu unterhalten - sie haben zumindest für etwas Humor inmitten der Schachtelsätze und Grundsatzdiskussionen gesorgt.
Das Ende kommt dann ziemlich rasch und ziemlich offen daher. Nicht ganz mein Fall, ich ziehe es vor wenn Einzelbände ordentlich abgeschlossen werden, aber wer weiß, vielleicht hätte es ja ursprünglich noch einen zweiten Teil geben sollen?
Fazit
Wie hat mir das Buch nun gefallen? Ehrlich gesagt weiss ich das nicht so recht, es lässt mich etwas ratlos zurück. Die Thematiken fand ich gelungen umgesetzt, das Worldbuilding ausserhalb des Habitats war genial, aber gerade wegen dem philosophisch anmutenden und oft entsprechend ausufernden Schreibstil habe ich teils den Faden und auch etwas das Interesse verloren, obschon die Geschichte eigentlich genau mein Ding wäre. Ein bisschen mehr auf die KIs konzentriert und etwas weniger ausschweifende Unnötigkeiten und das Buch hätte es vielleicht zu einem Highlight schaffen können.
3.5 Sterne