✎ Leo Hoffmann - Das kleine gelbe Haus
Als ich das Buch das erste Mal in den Händen hielt, war ich schon sehr erstaunt. Mich und meine 4-Jährige erwarteten über 100 Seiten Geschichte. Und zwar 1 Geschichte, nicht viele kleine. Das wird also ...
Als ich das Buch das erste Mal in den Händen hielt, war ich schon sehr erstaunt. Mich und meine 4-Jährige erwarteten über 100 Seiten Geschichte. Und zwar 1 Geschichte, nicht viele kleine. Das wird also eine Herausforderung für uns werden. So dachte ich zumindest ...
Wir begannen, gemeinsam zu lesen.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass mein Kind dem Geschriebenen nicht hätte folgen können, wenn wir nicht so ausführlich darüber gesprochen hätten. Die Geschichte ist sehr komplex und mit Emotionen und Konsequenzen gespickt, die ihr gewiss bereits begegnet sind, die sie jedoch noch nicht richtig einordnen kann / konnte.
Durch die ausdrucksstarken Illustrationen jedoch ist uns etwas an die Hand gegeben wurden, mit dem man wunderbar interagieren kann. Sie machten meinem Mädchen so manches Mal eine Situation sichtbar, die sie sich sonst nicht hätte vorstellen können.
Worauf ich aber keine rechte Antwort gefunden habe, ist die Frage meiner Tochter nach den Proportionen des kleinen gelben Hauses. Immer wieder verändert es seine Größe. Es wird ganz klein, dann wieder groß.
Auf dem ersten Bild zum Beispiel sieht es aus, als wäre es ein Haus für Käfer. Doch direkt danach sieht man es neben Menschen stehen - so groß, dass diese darin leben können. Genau, wie es in der Geschichte beschrieben wird.
Ich habe dann eben versucht zu erklären, dass sich das Haus gerade ganz klein fühlt zum Beispiel. Es fühlt sich nicht wohl. Es möchte am liebsten verschwinden.
Das sind jedoch Momente, die für meine 4-Jährige noch nicht greifbar sind. Sie kennt zwar Emotionen und Gefühle, die sich nicht angenehm anfühlen. Doch sie verbindet es - Gott sei Dank! - noch nicht mit "sich klein fühlen".
Nichtsdestoweniger erlebte mein Kind anhand der Abenteuer des kleines gelben Hauses Situationen, die ebenso in unserer Familie vorkommen.
Sie hat gemerkt, dass auch andere sich abgewiesen fühlen und dass das auch für andere ganz schön doof manchmal ist.
Sie hat gehört, dass man ab und zu Kompromisse finden kann, die alle Parteien zufriedenstellen.
Sie hat gesehen, dass nicht alles immer nur schön ist, sondern dass vieles auch seine negativen Seiten hat.
Und sie hat gespürt, dass, wenn man redet, fast alles wieder gut werden kann - ein Satz, den ich ihr immer wieder mit auf den Weg gebe, weil ich persönlich reden, Grenzen setzen und achtsam sein für sehr, sehr wichtig halte. (Werte, die in diesem Bilderbuch ohne erhobenen Zeigefinger vermittelt werden)
Ganz nebenbei lernen Kinder verschiedene Lebensräume und Tiere kennen. Das Haus geht in eine Wüste, ins Meer, in die Stadt, in den Wald, ... und erlebt dort so einiges.
Der Verlag vergibt auf seiner Seite eine Altersempfehlung ab 6 Jahren. Für uns hat es durchaus bereits mit 4 Jahren gepasst. Aber eben mit viel Reden und einigen Erklärungen. Durch die einzelnen Kapitel lässt es sich auch wunderbar aufteilen, sodass man von den 100 Seiten nicht erschlagen wird. Es ist eben keine Geschichte, die man einfach so herunterliest ...
©2022 Mademoiselle Cake