Ein zeitloser Klassiker
Inhalt: Alice sitzt schläfrig auf einem Lehnstuhl und unterhält sich mit dem schwarzen Kätzchen. Zwar antwortet das Kätzchen nicht, doch das hält Alice nicht davon ab, des Kätzchens Streiche zu ermahnen, ...
Inhalt: Alice sitzt schläfrig auf einem Lehnstuhl und unterhält sich mit dem schwarzen Kätzchen. Zwar antwortet das Kätzchen nicht, doch das hält Alice nicht davon ab, des Kätzchens Streiche zu ermahnen, sich über die Tölpelhaftigkeit der Buben beim Aufbauen des Neujahrsfeuers zu echauffieren sowie philosophierend der Frage nachzugehen, ob Kätzchen Schach spielen kann. Als ihr Blick auf den Kaminspiegel fällt, fragt Alice sich, wie wohl das Haus hinter dem Spiegel aussehen mag. Kurzerhand klettert sie auf den Kamin, um einen besseren Blick zu erhaschen - und findet sich plötzlich im Land hinter den Spiegeln wieder...
Persönliche Meinung: "Alice hinter den Spiegeln" ist nach "Alice im Wunderland" der zweite Nonsense-Roman von Lewis Carroll, in dem die titelgebende Heldin das Wunderland betritt. Beide Bände bauen nicht handlungslogisch aufeinander auf, sodass sie unabhängig voneinander gelesen werden können. Wie bereits der erste Band ist auch "Alice hinter den Spiegeln" in Episoden aufgebaut: So findet sich Alice u.a. im Garten der sprechenden Blumen wieder, begegnet Zwiddeldum und Zwiddeldei und besucht Goggelmoggel auf seiner Mauer. Diese Episoden sind eher additiv aneinandergereiht und erhalten allenfalls durch das Schach-Motiv einen feinen roten Faden; eine durchgehende Handlung entwickelt sich hier nicht - was allerdings nicht als Kritikpunkt verstanden werden sollte. Denn: "Alice hinter den Spiegeln" ist ein fantasievolles Spiel mit märchenhaften Landschaften, skurrilen Figuren und verqueren Dialogen. Kurz: Ein Roman, dem es eher um das Sprudeln der Kreativität, weniger einer strikten Handlungslogik geht. Erzählt wird die Handlung von einem allwissenden Erzähler, der auch mal augenzwinkernd die vierte Wand durchbricht. Sehr gelungen ist auch die Übersetzung von Christian Enzensberger: Der Wortwitz des englischen Originals wird stimmig eingefangen; zudem besitzen Wortwahl sowie Erzählton eine schöne Patina. Außerdem ist in Bezug auf die Ausgabe des Insel-Verlags hervorzuheben, dass sie reichlich bebildert ist: So finden sich einundfünfzig Illustrationen von John Tenniel, die bereits das britische Original kongenial ergänzten (und "Alice" endgültig im popkulturellen Gedächtnis der Weltbevölkerung verankert haben). Insgesamt ist "Alice hinter den Spiegeln" ein fantasievoller, zeitloser Klassiker, den man immer wieder lesen kann.