A little too far ist ein schöner New Adult Roman für Zwischendurch, der erfreulicherweise komplett in sich abgeschlossen ist, sodass man nicht erst auf eine Fortsetzung warten muss um zu erfahren, wie die Geschichte endet. Die einzelnen Bände der Reihe können also relativ unabhängig voneinander gelesen werden, da in den zwei weiteren Bänden jeweils andere Charaktere im Mittelpunkt stehen.
Lexie ist eine sympathische Protagonistin, mit der man sich schnell verbunden fühlt, auch wenn man ihre Gedankengänge nicht immer vollständig nachvollziehen kann. Es ist zwar durchaus verständlich, dass der Sex mit Trent sie verwirrt hat und sie beide nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen, nachdem ihre Gefühle sie so übermannt haben. Aber ihre Intimität ist weder Inzest noch sonst verwerflich und damit entgegen ihrer massiven Schuldgefühle gewiss kein Grund zur Hölle zu fahren. Obwohl sie bisher nur Freunde waren und sich eher wie Bruder und Schwester verhielten, sind sie schließlich nicht als Geschwister aufgewachsen, denn ihre Eltern wurden immerhin erst ein Paar als beide schon Teenager waren.
Nichtsdestotrotz kam der Sex sowohl für Lexie als auch für Trent sehr überraschend und dass sie danach plötzlich nicht mehr offen miteinander reden, weil sie so peinlich berührt sind, führt zu einigen Missverständnissen. Beide fühlen dasselbe, doch aus Angst vor der Reaktion des anderen trauen sie sich nicht ihre Gefühle zu offenbaren.
Trent ist ein wahnsinnig toller Kerl, innerlich wie äußerlich, ein guter Liebhaber und ein noch besserer Freund. Mit ihm kann Lexie über alles reden und er hört ihr sogar dann zu als sie seinen Rat in Bezug auf einen anderen Mann sucht, obschon er selbst in sie verliebt ist. Er will mir ihr zusammen sein, ungeachtet dessen was andere Leute davon halten oder über sie sagen werden. Dennoch lässt er ihr den nötigen Abstand um sich über ihre Gefühle klar zu werden anstatt sie zu bedrängen. Und Sam gegenüber ist er ebenfalls vollkommen aufrichtig, was seine Gefühle für eine andere betrifft. In Trent würde man sich selbst daher ebenfalls sofort verlieben, nicht zuletzt wegen seiner tollen Songs.
Die große Distanz und die lange Trennung durch Lexies Auslandsaufenthalt zeigen schon bald, dass ihre Gefühle nicht einfach wieder verschwinden und keine noch so intensive Ablenkung ausreicht, damit sie nicht mehr aneinander denken. Zwischen ihnen ist eben nicht nur eine körperliche Anziehungskraft, sondern eine tiefe Verbundenheit und echte Liebe. Nach und nach wird ihnen klar, dass sie schon immer mehr füreinander empfunden haben als bloß Freundschaft und es nur nicht wahrhaben wollten. Deshalb ist Lexie auch sehr eifersüchtig als ihre Freundin Sam sich mit Trent trifft und häufig schwärmend von ihm spricht.
Trotzdem dauert es sehr lange bis Lexie endlich auf ihr Herz hört, was ein paar sehr romantische Gesten zur Folge hat, weil sie sich vor der Reaktion ihrer Eltern fürchtet und ihre Familie nicht zerstören will. Davon abgesehen ist die Konfrontation mit den Eltern letzten Endes leider viel zu überstürzt und ziemlich unrealistisch, da insgesamt einfach alles viel zu schnell abgehandelt wird. Hier wären ein paar mehr Seiten sowie eine etwas größere Zeitspanne wünschenswert gewesen. Der an sich natürlich willkommene Ausgang hätte also nicht schon nach wenigen Stunden, sondern vielleicht erst nach einigen Tagen eintreten sollen.
Im Verlauf der Geschichte gibt es ein paar ansprechende, erotische Szenen, die jedoch sparsam eingesetzt werden, sodass nicht jeder intime Kontakt detailliert beschrieben wird. Dadurch wirken sie niemals unpassend und verdrängen die eigentliche Handlung nicht.
Sowohl zu Hause in den USA als auch in Italien hat Lexie einige interessante Freunde, von denen man die meisten aber leider nur recht oberflächlich kennen lernt. Die einzige Ausnahme ist der unverschämt gut aussehende Alessandro, der Lexie ein guter Freund ist als sie wegen ihres großen Gefühlschaos‘ dringend jemanden zum Reden braucht. Man freut sich darüber, dass sie jemanden gefunden hat, der ihr zuhört ohne sie zu verurteilen und dem sie sich öffnen kann. Doch in einer Szene geht sie zu sehr ins Detail und vertraut ihm Dinge an, die man womöglich nicht einmal seinem engsten Vertrauten erzählen würde, geschweige denn jemandem, den man gerade erst kennen gelernt hat.
Alessandro gibt Lexie ihrem Studienfach Kunstgeschichte entsprechend eine Aufgabe, die sie begeistert und durch die sie merkt, dass sie später gern mit Kindern arbeiten möchte um ihre Liebe zur Kunst an sie weiterzugeben. Bei den gemeinsamen Treffen und Führungen kommen die beiden sich am Ende allerdings näher als vom Pater beabsichtigt. Zusätzlich zu der körperlichen Anziehung entwickeln sich auf beiden Seiten Gefühle, die Lexie nur noch mehr verwirren.
Darüber hinaus ist Religion ein sehr präsentes Thema, womit Lisa Desrochers sicher nicht jedermanns Geschmack trifft. Lexie geht lediglich beichten und tut anschließend Buße für ihre angeblichen Sünden. Besonders penetrant wird es somit erst durch Lexies Freundschaft mit Alessandro, der fast permanent Bezüge zu Gott herstellt, davon spricht, dass dieser ihm einen neuen Weg gezeigt hat oder etwas Gottes Wille ist. Lexie betrachtet er deshalb sogar als Gottes Prüfung an ihn.
Er hatte offenbar ein hartes Leben und hat in der Vergangenheit viele Fehler begangen, die er nun wiedergutmachen will, nachdem der Pater in seinem Heimatort ihm einen Weg gezeigt hat. Alessandro liebt es ebenfalls mit Kindern zu arbeiten und will ihnen helfen, so wie auch ihm geholfen wurde. Letztlich öffnet ihm Lexie jedoch die Augen dafür, dass es nicht nur diesen einen Weg gibt, das zu erreichen, was er wirklich will.
Mit Rom hat die Autorin sich ferner für eine tolle, sehr ansprechende Stadt als Schauplatz für einen Großteil ihres Buches entschieden. Es macht großen Spaß gemeinsam mit Lexie berühmte Sehenswürdigkeiten und Kunstwerke sowie unbekanntere Gegenden der italienischen Hauptstadt zu erkunden und weckt schnell den Wunsch selbst einmal dorthin zu reisen um sie alle mit eigenen Augen zu sehen.
Anlass zur Kritik gibt abschließend hingegen die stellenweise leider weniger gelungene Übersetzung des Romans. Obwohl es für die bekanntlich schönste Nebensache der Welt doch wahrlich genug Synonyme gibt, wird – ausnahmslos – jedes Mal die Umschreibung „durchnudeln“ verwendet. Der überdurchschnittlich häufige Gebrauch dieses Wortes ist noch umso auffälliger, weil es sich dabei um einen sehr ungewöhnlichen und vor allem in einem ernsten Zusammenhang völlig unpassenden Ausdruck handelt, der zunehmend den Lesefluss stört.
FAZIT
Wer auf der Suche nach einem guten New Adult Roman für Zwischendurch ist, kann mit A little too far von Lisa Desrochers eigentlich nicht viel falsch machen. Die sympathischen Protagonisten und die tolle Kulisse lassen einen über kleinere Schwächen hinwegsehen und sorgen insgesamt für ein paar unterhaltsame Stunden.
Ob man anschließend irgendwann zum Nachfolger greift, hängt wohl davon ab, wie gern man Alessandro hat und wie sehr man sich am Ende noch für sein weiteres Schicksal interessiert.