Schatten der Vergangenheit
In „Das Waldhaus“ kehrt die 37-jährige Hannah in ihr Elternhaus zurück, um ihren an Demenz erkrankten Vater zu versorgen. Doch seine Worte erschüttern sie zutiefst: Er verwechselt sie mit ihrer Mutter, ...
In „Das Waldhaus“ kehrt die 37-jährige Hannah in ihr Elternhaus zurück, um ihren an Demenz erkrankten Vater zu versorgen. Doch seine Worte erschüttern sie zutiefst: Er verwechselt sie mit ihrer Mutter, die vor Jahren unter mysteriösen Umständen starb, und bittet sie immer wieder um Verzeihung. Was verbirgt er? Auf der Suche nach Antworten beginnt Hannah, in die Rolle ihrer Mutter zu schlüpfen, und ahnt nicht, dass sie damit die düsteren Ereignisse der Vergangenheit erneut heraufbeschwört.
Liz Webb entfaltet eine beklemmende, fast albtraumhafte Atmosphäre, die von der ersten Seite an fesselt. Dennoch braucht die Geschichte etwas Zeit, um in Fahrt zu kommen. Der Einstieg wirkt etwas zäh, doch sobald sich die ersten Geheimnisse entfalten, zieht die Spannung spürbar an. Was zunächst ruhig beginnt, steigert sich zu einem regelrechten Strudel aus Paranoia, düsteren Erinnerungen und der Frage, was Realität und was Einbildung ist.
Die Geschichte wird aus Hannahs Ich-Perspektive erzählt, wodurch der Leser tief in ihre fragile Gedankenwelt gezogen wird. Ihre zunehmende Unzuverlässigkeit als Erzählerin sorgt für Verwirrung und Spannung zugleich – was ist real, was Einbildung? Das alte Haus, die düsteren Erinnerungen und das Verweben von Gegenwart und Vergangenheit schaffen eine unheimliche Kulisse, die das Buch in ein verstörendes Psychospiel verwandelt.
Besonders gelungen ist die komplexe Figurenzeichnung. Hannah ist keine klassische Heldin, sondern eine Frau, die selbst mit ihren eigenen Dämonen zu kämpfen hat. Ihr Abgleiten in die Rolle der Mutter ist gleichermaßen verstörend wie faszinierend. Auch die Nebenfiguren tragen zur dichten Atmosphäre bei: Jeder scheint ein Geheimnis zu verbergen, jeder könnte Teil des rätselhaften Geschehens sein.
Trotz des langsameren Einstiegs wird der Leser für seine Geduld belohnt. Die Geschichte nimmt immer mehr Fahrt auf und gipfelt in einem nervenaufreibenden Finale voller Überraschungen. Liz Webb gelingt es meisterhaft, das schleichende Gefühl von Unbehagen in einen mitreißenden Showdown zu überführen. „Das Waldhaus“ ist ein starker Thriller, der mit psychologischer Tiefe, düsteren Familiengeheimnissen und einer subtilen Gruselstimmung überzeugt – ein beeindruckendes Debüt, das noch lange nachhallt.