Tiefgründig und bizarr
Bei “Shame: Tochter Des Bösen“ handelt es sich um ein modernes Erwachsenenmärchen, das von Mutter Tugend und ihrer Tochter Schande erzählt. Mutter Tugend wird vom Dämon Spott verflucht und gebärt dessen ...
Bei “Shame: Tochter Des Bösen“ handelt es sich um ein modernes Erwachsenenmärchen, das von Mutter Tugend und ihrer Tochter Schande erzählt. Mutter Tugend wird vom Dämon Spott verflucht und gebärt dessen Tochter Schande. Um von ihrem böswilligen Abkömmling nicht manipuliert zu werden, lässt die Mutter ihre Tochter zurück, denkt jedoch ständig voller Liebe an sie. Die jedoch nährt aus ihrer Einsamkeit mehr und mehr den Hass und schafft es bald, ihren Vater ausfindig zu machen.
In Märchen gibt es oft keine großen Überraschungen und keine charakterlichen Entwicklungen oder gar Wandlungen. Dies ist hier anders. Entstellte Geschöpfe, Gewalt und Sex dominieren die Handlungen, die Bilder werden freizügiger, so dass irgendwann mehr nackte Haut zu sehen ist als verdeckte. Ein Spiel mit moralischen Grundsätzen, mit der Fantasie des Lesers und der Faszination des Unbekannten. Ein Stück weit spiegeln der Mutter-Tochter-Konflikt und die Nacktheit den Kampf zwischen Schuld und Unschuld wider, zwischen Gut und Böse, Schönheit und Hässlichkeit, Chaos und Liebe. Die Figuren erzeugen dabei unterschiedliche Emotionen, binden den Leser gekonnt an die Story und verleiten dazu, in eine Welt einzutauchen, die erschreckend und faszinierend zugleich ist.
John Bolton verleiht der Geschichte von Lovern Kindzierski mit seinen Zeichnungen das gewisse Etwas. Seine Charaktere sind bizarr und grotesk dargestellt, lassen keine Wünsche offen und regen sogar zum Nachdenken an. Zwar brauchte ich etwas, um mich mit diesem doch speziellen Stil anzufreunden, war danach aber restlos begeistert. Selbst beim zweiten Lesen habe ich immer wieder Kleinigkeiten entdeckt, die mir beim ersten Mal entgangen sind. Insbesondere die Darstellung der Dämonen im Vergleich zu den Hauptfiguren gefiel mir gut. Hier wurde das Thema Ästhetik geschickt eingearbeitet und gesellschaftskritische Normen deutlich hervorgehoben.
Persönliches Fazit: Sehr gut bebilderte Graphic Novel, die auch storytechnisch überzeugt. Tiefgründig, bizarr und erfrischend anders. Viel Spaß beim Schmökern und Entdecken!