Kansas, USA: Die 21-jährige Petty Moshen lebt mit ihrem einsilbigen Vater ein eintöniges Leben, abseits jeden Trubels. Nur die Arbeit im Kassenhäuschen des Schrottplatzes, gewährt Petty ein wenig Abwechslung, denn sie lebt seit 18 Jahren wie eine Gefangene im eigenen Zuhause.
Nachts ist ihre Zimmertür mit sechs Riegeln verschlossen, das Grundstück wird von zwei scharfen Hunden bewacht und Petty ist stets bewaffnet. Vom Vater ist sie in Reaktionsbereitschaft, Beobachtungsgabe und Orientierung geschult und trainiert, außerdem beherrscht Petty den Nahkampf, doch das Warum bleibt ihr fremd.
Petty träumt von Freiheit und als ihr Vater plötzlich stirbt, sieht sie ihr bereits entgegen. Doch bei der Testamentseröffnung wird deutlich, dass der Vater ein grausames Vermächtnis hinterlässt, das Petty weiterhin kontrollieren und einsperren wird.
Petty kann die unvorstellbaren Bedingungen des Vermächtnisses nicht annehmen und setzt sich diesen mit aller Kraft zur Wehr. Auf der Suche nach der Vergangenheit muss Petty plötzlich flüchten und setzt dem Auslieferungsfahrer Decker eine Waffe an die Schläfe, der sich dann zu ihrer einzigen Hilfe entpuppt, bevor sie in einen Strudel geraten, der ihre Leben in höchste Gefahr bringen.
Die Autorin:
LS Hawker wuchs in einem Vorort von Denver auf, wo sie eine Besorgnis erregende Faszination für True-Crime-Bücher entwickelte und Geschichten über menschenartige Früchte und jugendliche Straftäter schrieb. Ihren ersten Roman verfasste sie mit 14 Jahren.
An der University of Kansas hat sie erfolgreich Journalismus studiert, danach eine Radioshow mit dem Namen „People are so stupid“ moderiert, für ein Fachmagazin korrigiert und als reisende Porträtfotografin fotografiert - bei alldem aber niemals ihre Leidenschaft für das Schreiben verloren.
Sie hat einen urkomischen, verständnisvollen Ehemann, zwei großartige Töchter und eine riesige Musiksammlung. Sie lebt in Colorado, fühlt sich aber in Kansas spirituell zuhause. (Quelle: HarperCollins Verlag)
Reflektionen:
LS Hawker ist ein fesselnder Thriller gelungen, der zwar mit geringem Blutvergießen auskommt, aber trotzdem grausam und brutal ist. Psychologisch geschickt aufgebaut zieht sich die konstant knisternde Spannung wie ein roter Faden durch die Seiten.
Der Einstieg in die Handlung gelingt mühelos, trotz dass man von Anfang an aus dem Staunen nicht mehr herauskommt, da Pettys stark eingeschränktes Leben durch ihre Gefangenschaft so brutal und furchteinflößend erscheint.
Für Petty hingegen ist das Leben mit Überlebenstraining, Disziplin und Waffenausbildung tägliches Brot und normal. Ihre Lebenserfahrung bezieht sie einzig aus einer Krimiserie, die sie abgöttisch liebt und der sie das menschliche Verhalten entnimmt, das ihr Vater sie in Gefangenschaft nicht lehren konnte.
Wortkarg geht er mit ihr um, sodass sie kaum etwas von ihrer Familie und vor allem von ihrer Mutter weiß, die einem Brand zum Opfer gefallen ist und deren Namen sie noch nicht einmal kennt.
Als der Vater plötzlich verstirbt, prallt das wahre Leben mit einer enormen Wucht auf sie ein und gleichzeitig muss sie vor der Polizei und einem grausamen Vermächtnis fliehen. Begleitet wird sie auf der dramatischen Flucht von Decker, der etwa gleichaltrig nicht fassen kann, das Petty Alltägliches nicht kennt und jede Form von Nähe als Bedrohung wahrnimmt, die sie mit Waffengewalt beantwortet. Für Dekker, der sich in Petty verliebt, werden Redensarten, Flunkereien und rhetorische Fragen zum bedrohlichen Spießroutenlauf.
Den Konflikt den Petty in Freiheit mit sich und ihrer Umwelt austragen muss, ist dramatisch in Szene gesetzt. Einerseits ist es durchaus auch amüsant, das Petty viele Dinge fremd sind, aber größtenteils erkennt man den Wahn, mit dem Pettys Vater sie beschützen wollte, und der macht Angst vor dem Ungewissen.
Auf der Flucht vor der Polizei und den dunklen Gestalten die ihnen folgen, lernt Petty Dekkers Familie kennen, die sie fürsorglich und liebevoll aufnehmen. Petty ist es kaum möglich mit ihnen umzugehen, da ihr all das Zwischenmenschliche fremd ist. Diese Situationen sind von der Autorin glaubwürdig dargestellt, sodass der Leser auch emotional gefangen genommen ist.
Die gefährliche und lebensbedrohliche Flucht ist gleichzeitig auch die Suche nach Pettys Vergangenheit, die in actionreichen Szenen durchaus an einen weiblichen Jason Bourne erinnern.
LS Hawks schreibt in einer klaren und ansprechenden literarischen Tonalität, die die beängstigende Stimmung gut einfängt und damit auch die Lesegeschwindigkeit beeinflusst. Nicht immer agiert das Tempo auf einem hohen Niveau, es kommt auch zu kleineren Längen, aber insgesamt darf man einen äußerst spannenden Thriller erwarten, der erfrischend anders eine Thematik einfängt, die andere längst durch eine Art totgeschrieben haben, die nur noch langweilt.
Die Perspektiven, die zwischen Petty und Decker wechseln, können anfangs leicht verwirren, aber einmal eingelesen, kreieren sie eine lebendige Erzählweise, die die Sichtweisen der wohl und interessanten Charaktere gut zeichnen.
Besonders gelungen sind überraschende Wendungen, die hervorgerufen durch Handlungen der Figuren immer wieder Rätsel aufgeben, sodass man bis zur letzten Seite kaum vermuten kann, wer tatsächlich auf Pettys Seite steht.
Tiefgründig beleuchtet LS Hawks mit ihrem Titel auch Zwischenmenschliches, Vertrauen, Verrat und Freundschaft und lässt ihr Werk so zu einem rundherum guten und spannenden Leseerlebnis werden, das spannende Stunden garantiert.
Fazit und Bewertung:
Grausamens Erbe ist ein psychologisch intelligent aufgebauter Thriller, spannend und erfrischend anders. Er erzählt die Geschichte von Petty, die 18 Jahre lang in ihrem Zuhause wie eine Gefangene lebte. Als ihr Vater stirbt und die langersehnte Freiheit zum Greifen nah ist, offenbart man ihr das grausames Vermächtnis des Vaters, das dramatische Folgen nach sich zieht.