Einsteigerfreundliche Adaption einer der bekanntesten Griechischen Tragödien
Eine Graphic Novel Reihe zu den diversen Mythen der griechischen Antike? Das scheint ein wahr gewordener Traum von mir zu sein. Als ich diese Reihe aus dem Splitter Verlag entdeckte, stand für mich fest: ...
Eine Graphic Novel Reihe zu den diversen Mythen der griechischen Antike? Das scheint ein wahr gewordener Traum von mir zu sein. Als ich diese Reihe aus dem Splitter Verlag entdeckte, stand für mich fest: Die muss ich lesen! Da schon einige Bände erschienen sind und die Reihenfolge, da es sich um abgeschlossene Geschichten handelt, beliebig ist, hatte ich die Qual der Wahl. Ich entschied mich mit Oedipus zu starten, da dies tatsächlich ein Mythos ist, mit dem ich weniger vertraut bin und von dem ich nur die groben Grundzüge kannte. Daher war ich super gespannt auf diese grafische Umsetzung.
Eine durchweg runde Sache
Bei einer Graphic Novel wandert das Augenmerk natürlich zuerst auf den Zeichenstil. Die Reihe wird von wechselnden Künstlern illustriert. Im vorliegenden Band ist Diego Oddi der Hauptverantwortliche. Was auffällt ist die starke Strichführung, die gerade in den Umrissen deutlich wird und ein Fokus auf Gesichter und Mimik. Der Stil wirkt klar und realitätsnah, was ihn in meinen Augen auch sehr Comiceinsteiger freundlich macht, mehr, als beispielsweise ein abstrakterer Stil. Diese Einsteigerfreundlichkeit wird noch durch eine sehr strukturiert und “aufgeräumt” wirkende Panelanordnung verstärkt. Man kann der Geschichte leicht folgen, auch wenn man bisher noch nicht so viele Berührungspunkte mit Comics oder Graphic Novels hatte.
Neben der gelungenen grafischen Adaption bietet sich aber auch die Geschichte selbst sehr gut für den Einstieg in die Comic-, aber auch Mythenwelt an, denn wir begleiten den Oedipus von seiner Geburt, bis zum Tod, es gibt also einen klaren roten Faden, der sich ebenso wie den Bildern leicht folgen lässt auch ohne vorhandenes Mythologiewissen. Lediglich ganz am Ende könnten völlig Mythologie Unerfahrene etwas ins Rätseln kommen, wenn der Auftritt der Erinnyen, ohne wirkliche Erklärung ihrer Rolle in der griechischen Sagenwelt erfolgt.
Hier lernen selbst Mythologie Erfahrene noch was
Nun muss sich natürlich auch diese Mythologie Adaption meinen “Pingeligkeits-Test” stellen, hat aber eigentlich nichts zu befürchten. Zu meiner größten Zufriedenheit hält sich die Graphic Novel nah an den Quellen, in diesen Fall, bis auf das Ende, sehr nah an Sophokles Tragödie König Oedipus und dem Drama Oedipus auf Kolonos. Der/Die Leser/in bekommt hier also eine recht originalgetreue Version verständlich geliefert, ein Aspekt, der mir bei einer solchen Reihe, die den Anspruch hat die Mythen einem breiten Publikum näherzubringen, wichtiger ist, als zum Beispiel bei einer freien Belletristik-Adaption. Das einzige, was ich bemängeln kann, ist die bereits bei der Coverbesprechung erwähnten Begegnung mit der Sphinx auf der Stadtmauer, aber so pingelig dafür einen Punkt abzuziehen, bin dann selbst ich nicht.
Die Graphic Novel kann also durchweg überzeugen, aber das ist ja noch nicht alles. Am Ende findet sich nämlich noch ein von Luc Ferry verfasster Ergänzungsteil. Dieser setzt sich vor allem mit der Wiederlegung der psychoanalytischen Interpretation, zugunsten einer kosmologischen Deutung des Mythos auseinander. Klingt ziemlich wissenschaftlich? Ist es tatsächlich auch. Dieser kurze Aufsatz könnte in meinen Augen problemlos auch in Fachzeitschriften abgedruckt werden. Das kann man nun mögen oder nicht. Mir hat es eigentlich gefallen, ich hätte aber gerne noch eine breitere Analyse des Oedipus Mythos und vor allen seiner Bedeutung für die Nachwelt gesehen. Eine Auseinandersetzung mit der Interpretation der Sphinxszene als Darstellung der Überlegenheit des vernunftbegabten Mannes über “das Rätsel Weib” im Symbolismus des 19. Jahrhundert wäre zum Beispiel interessant gewesen, aber gut man kann ja nicht alles haben, deshalb werde ich auch dafür keinen Punk abziehen.
Fazit:
Diese Oedipus Adaption aus der Mythen der Antike Reihe überzeugt als einsteigerfreundliche Adaption einer der bekanntesten Griechischen Tragödien. Strukturiert, nah an den überlieferten Quellen erzählt und grafisch ansprechend auf den Punkt gebracht, bietet es den idealen Einstieg für eine Auseinandersetzung mit König Oedipus als klassische tragische Figur in den Fängen des Schicksals. Die drei erwähnten kleineren kritischen Anmerkungen reichen in diesem Fall nicht aus, um dafür einen ganzen Punkt abzuziehen.