Ludwig Sternaux‘ melancholisches »Buch der Erinnerung« ist ein Klassiker unter den Potsdam-Büchern. 1924 zum ersten Mal erschienen, gehörte es bis in die 1960er Jahre zum festen Kanon derjenigen, die diese Stadt noch in ihrem alten Glanz erlebt hatten. Jetzt, da dieser Glanz an einigen Stellen wieder sichtbarer geworden ist, erscheint es in einer neuen Ausgabe, um den Leser erneut zu einem Spaziergang durch die „Welt Potsdam“ an die Hand zu nehmen und die Geschichte lebendig werden zu lassen. Die klassischen Potsdam-Aufnahmen von Max Baur erleichtern diese Übung.
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Der Autor Ludwig Sternaux (1885–1938) war Theaterdirektor, Dramaturg, Journalist und Schriftsteller. Sein Buch „Potsdam – Ein Buch der Erinnerung“ erschien 1926 zwischen den beiden Weltkriegen. Sensibel, ...
Der Autor Ludwig Sternaux (1885–1938) war Theaterdirektor, Dramaturg, Journalist und Schriftsteller. Sein Buch „Potsdam – Ein Buch der Erinnerung“ erschien 1926 zwischen den beiden Weltkriegen. Sensibel, anschaulich, manchmal überschwänglich aber auch melancholisch beschreibt er das Werden der Stadt, die ihr Flair den preußischen Königen verdankt. Die Texte werden von historischen Photographien von Max Baur begleitet. Da einiges an Glanz, der durch Krieg und DDR verloren ging, wieder aufgebaut wurde, ist diese Neuauflage ein guter Begleiter um Potsdam kennen und verstehen zu lernen.
Diese Neuauflage des 1924 erschienenen Buches führt uns mit Ludwig Sternaux‘ gewählter, melancholischer Sprache durch Potsdam, insbesondere Parks und Schlösser. Jedes Kapitel widmet sich einer anderen ...
Diese Neuauflage des 1924 erschienenen Buches führt uns mit Ludwig Sternaux‘ gewählter, melancholischer Sprache durch Potsdam, insbesondere Parks und Schlösser. Jedes Kapitel widmet sich einer anderen Sehenswürdigkeit und wird in dieser Ausgabe jeweils mit einem entsprechenden Foto versehen, was eine gelungene Idee ist. Ein kurzes Nachwort berichtet ein wenig über Sternaux. Dort wird erwähnt, dass Sternaux von Fontanes Stil beeinflusst wurde, und das ist im Buch deutlich ersichtlich. Der Umgang mit Sprache ist kunstvoll, träumerisch, gelegentlich etwas schwülstig. Zu 1924 passt es weniger als zu der von Sternaux unablässig wehmütig beschworenen Kaiserzeit. Sternaux beschreibt atmosphärisch, verliert sich manchmal ein wenig in diesen Beschreibungen. Die Formulierungen sind ausnehmend schön, im Übermaß fand ich sie allerdings etwas anstrengend, weshalb ich das Buch in kürzeren Abschnitten gelesen habe. Auch ähnelt sich vieles. Trotzdem liest sich dieser Umgang mit Sprache erfreulich und ist für jene untergegangene Welt der Schlösser, Romantik, Kunst und Könige angemessen.
Die Beschreibungen sind ausführlich und liebevoll, malen Bilder. Die Detailfreude der architektonischen Beschreibungen war mir manchmal etwas zu viel. Erfreulich sind die Hintergrundinformationen sowohl zu Potsdam selbst wie auch zu der jeweiligen Geschichte der beschriebenen Bauwerke und Parks. Hier habe ich interessante Einzelheiten erfahren und man merkt, dass Sternaux mit den Hohenzollern vertraut ist. Ich könnte mir vorstellen, dass Leser, die sich mit preußischer Geschichte nicht so gut auskennen, gelegentlich ein wenig verwirrt sind, aber zu umfangreiche Erklärungen hätten zum Text nicht gepasst und Sternaux lässt Geschichte herrlich lebendig werden. Allerdings ist die romantisierende Idealisierung der Hohenzollern teilweise unangenehm.
Ein Punkt, der mir das Lesevergnügen ziemlich beeinträchtigt hat, war die unablässig geäußerte Trauer über die Abdankung des Kaisers. Was beim ersten Mal noch einen interessanten Einblick in die Gemütsverfassung jener Zeiten bot, wurde beim fünften oder sechsten „die arme, gute Kaiserin liegt tot in ihrem Sarg und der arme, gute Kaiser muss Holz hacken, während hier der Pöbel alles zerstört“ nicht nur wegen der ständigen Wiederholung mit fast gleichlautender Wortwahl anstrengend.
Insgesamt aber war dieser Spaziergang durch Potsdam, der mit so offenkundigem Herzblut und sprachlicher Eleganz verfasst wurde, eine interessante Erfahrung, ein Blick sowohl in die vergangene Welt der Monarchie wie auch jener unruhigen Zeit der Weimarer Republik. So gelungen bildhaft wurden Gebäude wohl selten beschrieben und wieder ins Leben gerufen.