Cover-Bild Lob des Opportunismus
21,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Wieser Verlag
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: allgemein und literarisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 400
  • Ersterscheinung: 31.01.2021
  • ISBN: 9783990294505
Marek Toman

Lob des Opportunismus

Raija Hauck (Übersetzer)

Im Roman "Lob des Opportunismus", der im Original 2016 erschien und den Preis des Tschechischen Literaturfonds erhielt, trifft ein unerwarteter und außergewöhnlicher Erzähler auf ein spannendes Stück mitteleuropäischer Geschichte. Dieser Erzähler bildet sich sehr viel auf seine Größe, seine Urteilsfähigkeit und Allwissenheit ein, wirkt dabei aber häufig borniert und manchmal witzig. Ein Palast als Erzähler? Von der angesehenen Familie Čzernín in Prag erbaut, hat er in seiner langen Historie viele Funktionen erfüllen müssen: Residenz, Kaserne, Armenhaus, Sitz des Reichsprotektors und Außenministerium eines neuen Staates. So bewahrt er in seinen Wänden viele Geheimnisse, denen er seine eigene Interpretation mitgibt. Als Leitmotiv zieht sich durch das ganze Buch die Suche nach einem Verständnis für die Person und das tragische Ende des tschechoslowakischen Außenministers Jan Masaryk. Aber auch zartere Gefühle spielen eine Rolle – hofft doch der Palast, ein standhafter Soldat und Fechtmeister, seine Gefühle mögen von der feinsinnigen und barmherzigen Loreto-Kapelle erwidert werden.

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Lesejury-Facts

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.04.2021

Ein interessanter Erzähler

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Der tschechische Autor Marek Toman, von dem ich schon „Die große Neuigkeit vom schrecklichen Mord an Šimon Abeles“ gelesen habe, hat wieder einen Roman, diesmal mit einem ungewöhnlichen Erzähler, verfasst.

Als ...

Der tschechische Autor Marek Toman, von dem ich schon „Die große Neuigkeit vom schrecklichen Mord an Šimon Abeles“ gelesen habe, hat wieder einen Roman, diesmal mit einem ungewöhnlichen Erzähler, verfasst.

Als Erzähler fungiert diesmal ein Palast, der ein wenig eingebildet und hochnäsig wirkt. Es handelt sich um das Stadtpalais Čzernín, das die gleichnamige Familie am Rande des Hradschins am Loretoplatz errichten hat lassen.
In elegischen Worten schwärmt der Erzähler von seinen Anfängen, vom Jahr 1669 und Graf Humprecht Johann Czernin von Chudenitz, der den italienischen Baumeister Caratti mit dem Bau beauftragt hat. Der Erzähler schwelgt in Erinnerungen an Fechtübungen und verschweigt auch nicht, dass der Palast bald ein einsames Dasein führt, denn die Familie hält sich lieber am Kaiserhof in Wien auf. So bleibt der Palast häufig unbewohnt, wird mehrmals durch Kriege beschädigt und geplündert. Dann später dient er als Kaserne und wird seiner barocken Struktur beraubt und in einen Profanbau verwandelt, der sogar als Waisenhaus herhalten muss. Diesen Niedergang berichtet der Erzähler mit wehmütigem Seufzen.

Dann, nach der Gründung der Tschechoslowakei 1918 kommt so etwas wie Aufbruchstimmung. Unter Präsident Tomas Masaryk wird der Palast zum Außenministerium, um nach der Annexion durch das NS-Regime dem Reichsstatthalter Reinhard Heydrich als Residenz zu dienen.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wird es Zeuge des „Dritten Prager Fenstersturzes“ am 10. März 1948, bei dem der damalige Außenminister Jan Masaryk unter bis heute nicht restlos geklärten Umständen aus dem Fenster fiel. Über die Ereignisse jener Nacht macht sich der Palast so seine eigenen Gedanken.

Heute ist das Palais Čzernín Sitz des Außenministeriums der Tschechischen Republik.

Diese wechselvolle Geschichte des Palastes erfährt der geneigte Leser in wohl
gesetzten Worten. Nicht alle Geheimnisse des Gebäudes werden gelüftet und nicht alle geschichtlichen Ereignisse werden mit der gebotenen Neutralität betrachtet. Doch das darf sein, denn der Erzähler ist ein Überbleibsel aus längst vergangenen, manchmal glorreichen, Tagen.

Sehr interessant ist auch der Flirt mit der Loreto-Kapelle, die dem Palast gegenüber steht, aber seine Zuneigung nicht erwidert.

Fazit:

Ein Roman auf den man sich als Leser einlassen muss. Mir hat er gefallen, daher 5 Sterne.