Brilliant
Mit „Alias Grace“ habe ich einen weiteren Roman der kanadischen Autorin Margaret Atwood gelesen, bzw. als Hörbuch gehört. Es handelt sich um einen historischen Roman, der Mitte des 19.Jahrhunderts angesiedelt ...
Mit „Alias Grace“ habe ich einen weiteren Roman der kanadischen Autorin Margaret Atwood gelesen, bzw. als Hörbuch gehört. Es handelt sich um einen historischen Roman, der Mitte des 19.Jahrhunderts angesiedelt ist.
Die gerade einmal 16jöhrige Grace Marks wurde nach einem spektakulären Doppelmord, den sie gemeinsam mit dem Stallknecht James McDermott begangen haben soll, zu lebenslanger Haft verurteilt.
Der Roman von Atwood beruht auf wahren Begebenheiten und ist angelehnt an diesen Fall , der in Kanada lange Zeit die Schlagzeilen beherrschte.
Im Gegensatz zu McDermott, der für seine Tat gehängt wurde, hat man damals die Strafe von Grace in ein Lebenslänglich umgewandelt. Sie hatte einige Fürsprecher, die sie für unschuldig hielten und die immer wieder Petitionen zu ihren Gunsten einreichten.
Das Buch ist ein Gesellschaftsportrait des späten 19.Jahrhunderts und wir erfahren als Leser nach und nach die Lebensgeschichte der hübschen und klugen Protagonistin, die in Irland in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs, bevor die Familie nach Kanada auswanderte. Die Mutter verstarb bei der Überfahrt, der Vater war ein trunksüchtiger Taugenichts. So mußte Grace sehr schnell erwachsen werden und Geld verdienen, was nichts anderes hieß als eine Anstellung in einem reichen Haus als Hausmädchen zu finden. Eine andere Möglichkeit an Einkommen zu gelangen, gab es für Frauen aus einfachen Verhältnissen damals nicht, außer vielleicht der Prostitution, aber das wäre für Grace nie eine Option gewesen.
Grace befindet sich gleich zu Beginn des Buches schon viele Jahre in Haft, wobei sie gewisse Privilegien genoss, da sie eine vorbildliche Gefangene war. So war es ihr gestattet kleinere Aufgaben im Haushalt des Gefängnisdirektors zu übernehmen, und in diesem Haus hatte sie auch die Gelegenheit einem jungen Psychiater ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Dieser wollte anhand von Grace‘s Fall mehr über die Psyche von Tätern erforschen und vielleicht auch die Unschuld der jungen Frau beweisen. Es gab zwar ein Geständnis von Grace, doch das war mehr als zweifelhaft, da es bei der Beschuldigten große Erinnerungslücken zum eigentlichen Tatzeitpunkt gegeben hat.
Grace war eine sehr sympathische Person, der man einen grausamen Mord an ihrem ehemaligen Arbeitgeber Thomas Kinnear und dessen Haushälterin Nancy Montgomery einfach nicht zutraut, und trotzdem bleibt einem die ganze Zeit ein Restzweifel, ob sie nicht doch nur eine sehr geschickte Lügnerin war. Es war spannend in die Zeit einzutauchen und auch über die Anfänge der Psychologie zu lesen.
Mir hat insbesondere das Hörbuch mit seiner herausragenden Vertonung richtig gut gefallen. Margaret Atwood schreibt unglaublich abwechslungsreich und interessant. Es gab wechselnde Perspektiven, eingestreute Briefe, sowie Gedichte und Zeitungsartikel.
Das Buch war ein wahrer Hörgenuss, und jetzt bin ich sehr gespannt auf die Verfilmung, die bei Netflix erschienen ist.