Dunkel, hart und durchdringend
Alex hat sich ein Projekt vorgenommen, das ihre ganze Aufmerksamkeit fordert. Ihr Buch soll über die Musik und Jugendkultur der 1990er Jahre handeln und somit den Beweis liefern, dass dem fette Beat und ...
Alex hat sich ein Projekt vorgenommen, das ihre ganze Aufmerksamkeit fordert. Ihr Buch soll über die Musik und Jugendkultur der 1990er Jahre handeln und somit den Beweis liefern, dass dem fette Beat und dem durchdringenden Bass alle, die ihn einmal gehört haben, unwiderruflich verfallen sind. Ihre Recherche bringt nicht nur Alex, sonder auch ihre Mitbewohnerin Ruth und WG-Partner Daniel an die Grenze des Ertragbaren. Denn Alex ist nicht nur in einer Schreibkrise gefangen, sondern auch in einer gedanklichen Zeitschleife, die keine Unterschiede zwischen Realität und Fiktion kennt...
Wow, was für ein Debüt. Maria Muhar lässt ihren Roman "Lento Violento" wie die fetten Beats der 90er krachen und so haut dieser richtig rein. Die Handlung ist von Beginn an nicht einfach zu durchschauen und erfordert ein gewisses Maß an Konzentration, aber ist man erst einmal drin in der Geschichte, liest sich diese wie in Trance.
Muhar drückt ihren Protas den Stempel der ewig Suchenden, der Unzufriedenen auf und ihre fast schon geniale Orientierungslosigkeit führt dazu, dass sich die Figuren mit ich selbst, ihrem Leben und den noch nicht eingetretenen Versprechungen aus der Jugend auseinander setzen müssen. Der Versuch, in Form einer psychotherapeutischen Behandlung wieder zu sich selbst zu finden, scheint zum Scheitern verurteilt. Einzig in Tagebucheinträgen schimmert durch, was gefühlt und bewegt und welchen geplatzten Träumen nachgetrauert wird.
Alle Charaktere sind mehr als gut gezeichnet und zeigen , dass sie längst nicht dort angekommen sind, wo sie sich eigentlich in den 90ern gesehen haben.
Drogen, Depressionen, Zwänge und Ängste, aber auch Enttäuschungen und Misserfolge sind die greifbaren Überreste einer Generation, die im Rausch der elektronischen Musik aufgewachsen und von ihren Klängen getragen worden ist.
Textpassagen von Scooter, Gigi D'Agostino, Vengaboys und anderen fließen in die Handlung mit ein, unterstreichen den harten Beat und wecken eigene Erinnerungen. Politische Ereignisse (Anschlag auf das Sonnenblumenhaus in Rostock, Ibiza-Affäre) finden ebenfalls ihren Weg in das Buch. Auch die Unsicherheit von Alex und ihr großes Schweigen, subtiler Humor, der manchmal schon an der Grenze zum Sarkasmus kratzt und Kapitel, die nicht immer einfach zu lesen sind, sorgen für eine interessante Lektüre, die das Eurodance-Lebensgefühl als wohl sortiertes Chaos -manchmal auch im Kopf- aus unterschiedlichen Positionen beleuchtet.
Ein gelungenes Debüt, das Lust auf mehr macht.