Wer kennt sie nicht, die Champagnermarke „Veuve Clicquot“? Doch wem ist die Firmengeschichte bekannt, die um 1800 begann? Marie-Louise Wolff erzählt die Geschichte der Nicole Cliquot-Ponsardin (1777-1866), die hinter diesem Imperium steckte.
Im Sommer 1789 ändert sich das Leben der Nicole Ponsardin gravierend. Denn das gerade zwölf Jahre alte Mädchen ist die älteste Tochter des reichsten Textilkaufmanns von Reims, Philippe Ponsardin, als am 14. Juli mit dem Sturm auf die Bastille die Revolution in Frankreich ausbricht.
Die Familie und das Textilgeschäft, das nun nicht mehr Seidenfäden verspinnt sondern robuste Baumwolle, übersteht die ersten blutigen Jahre der Revolution.
Nicole soll nun vorteilhaft verheiratet werden und da bietet sich François Clicquot, Sohn eines Geschäftsfreundes, perfekt an. Ungewöhnlich für damalige Zeiten, ist diese Hochzeit 1798 eine Liebesheirat und Nicole arbeitet gleichberechtigt in der Firma Cliquot mit. Doch das Glück währt nicht lange, François stirbt bereits 1805. Gegen alle Widerstände führt Nicole Cliquot-Ponsardin ihre Firma erfolgreich weiter und lässt sich auch von einem korsischen General, der die damalige Welt rund 15 Jahre lang mit Kriegen überzieht, nicht entmutigen.
Und genau diesem, nämlich Napoleon Bonaparte, schauen wir in einem zweiten Handlungsstrang über die Schulter.
Meine Meinung:
Dieser historische Roman reiht sich fast nahtlos in eine Serie von romanhaften Frauenbiografien ein, die derzeit en vogue sind. Ich persönlich bin ja eher ein Fan von sachlichen Biografien.
Durch den zweiten Handlungsstrang mit Napoleon hat Autorin Marie-Louise Wolff einen historisch gut recherchierten Rahmen für die Geschichte der Veuve Clicquot geschaffen.
Obwohl sich die Proponenten der Revolution mit dem Schlachtruf „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ die Bourbonen weggefegt und eine „moderne“ Staatsform der Republik etabliert haben, sieht es mit der Gleichheit für Frauen schlecht aus. Die wenigen Frauen, die diese auch für ihresgleichen fordern, landen wie Olympe de Gouges unter der Guillotine. Auch Napoleon, der sich immer sehr fortschrittlich gibt, lässt in seinem „Code Civile“ den Frauen kaum Spielraum. Als Witwe darf eine Frau das Geschäft ihres verstorbenen Mannes weiterführen - diesen Passus nützt die intelligente Nicole Cliquot-Ponsardin aus.
Die Charaktere sind sehr gut herausgearbeitet. Zum einen Vater Ponsardin, der ein echter Wendehals ist und es sich mit allen Machthabern gut stellt und Mutter Ponsardin, die depressiv erscheint und nicht von ihrem Standesdünkel abweichen will. Dass sich Philippe Ponsardin sich den jeweilige politischen Gegebenheiten anpasst, kann man dahingehend interpretieren, dass er Arbeitgeber für Hunderte Menschen ist und so etwas wie ein soziales Gewissen hat.
Völliger Gegensatz dazu ist Nicole Cliquot-Ponsardin, die Napoleons Größenwahn durchschaut und verabscheut. Mehrmals muss sie um die Firma bangen, denn die von Napoleon verhängte Kontinentalsperre bringt den Handel fast völlig zum erliegen. Doch sie mit ihrem Wagemut ist sie die erste, die wieder Handelsbeziehungen mit anderen Ländern aufnimmt. Sie führt das Unternehmen nicht allein, sondern hat Ratgeber, die sie unterstützen.
Der Schreibstil ist locker und flüssig. Die historischen Details sind penibel recherchiert.
Der Autorin gelingt es sehr gut, historische Ereignisse und Wissen über die Zeit zu transportieren. Für Leserinnen, die hier (anders als ich) noch wenig über die Zeit der Napoleonischen Kriege gelesen haben, wird diese Zeit lebendig.
Leider endet das Buch auch mit der Verbannung Napoleons auf St. Helena 1815, obwohl Nicole Cliquot-Ponsardin noch bis 1866 lebt. Diese weitern 50 (!) Jahre sind der Autorin nur mehr wenige Seiten wert. Das finde ich sehr schade und kostet den 5. Stern.
Fazit:
Eine weitere Romanbiografie einer starken Frau. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.