Humorvoll und nachdenklich
Die Erzählung „Das Leben ist ein listiger Kater“ war für mich auf jeder Seite anspruchsvolle und lustige Unterhaltung pur.
Der 67jährige Jean-Pierre erwacht schwerstverletzt im Krankenhaus. Er wurde ...
Die Erzählung „Das Leben ist ein listiger Kater“ war für mich auf jeder Seite anspruchsvolle und lustige Unterhaltung pur.
Der 67jährige Jean-Pierre erwacht schwerstverletzt im Krankenhaus. Er wurde von dem jungen Prostituierten Camille aus der Seine gefischt. Daran, wie es dazu kam, fehlt ihm die Erinnerung. Aufgrund von diversen Knochenbrüchen und inneren Verletzungen kann sich Jean-Pierre nicht bewegen, sondern nur nachdenken. So reflektiert er sein Leben auf ungewöhnliche Weise. „Allein zu sein heißt auch, sich um niemanden zu sorgen.“ Unterbrochen wird er dabei durch eine 14 jährige Patientin, die sich immer wieder, ohne viel nachzufragen, sein Laptop leiht. Besuche des jungen Polizisten Maurice und seines Retters Camille erfreuen ihn nur bedingt. Dabei ergeben sich immer wieder skurrile Situationen und Gespräche, die mich nicht nur schmunzeln, sondern lachen ließen. Die Autorin Marie-Sabine Roger ist eine Meisterin des Wortwitzes und der Ironie. Ihr flotter Schreibstil liest sich ausgezeichnet.
Als Jean-Pierre von seiner verstorbenen Frau Annie und ihrem unerfüllten Kinderwunsch nach drei Fehlgeburten berichtet, kommt er zu folgendem Résumé: „Sieben oder acht Jahre gab sie ein Vermögen an Zeit, Geld, sinnlosen Mühen und geplatzten Träumen. Tausend Mal wurde ihr gesagt, man müsse hoffen und man lebe von der Hoffnung. Von der Hoffnung leben vor allem die, die daraus Profit schlagen.“
Jean-Pierre ist ein eigensinniger Kauz, der zunächst nicht unbedingt Sympathie ausstrahlt. Doch im Verlauf der Geschichte verändert er sich, obwohl er sich immer wieder dagegen sträubt. Aber er ist auch ein guter Beobachter, der sich doch für das Schicksal seiner Mitmenschen, Patienten, Schwestern, Ärzte und Besucher interessiert. Er zeigt sogar Ansätze von Hilfsbereitschaft und empfindet am Schluss Empathie mit anderen. Dabei kann er sich auf seinen Humor verlassen. „Wir können lachen: Wir sind noch am Leben.“
Es macht Freude seine Entwicklung in ganz kleinen Schritten vom völlig hilflosen Patienten zur relativen Eigenständigkeit mit fortschreitender Genesung zu verfolgen. Vor allem, wenn man selbst, vor nicht allzu langer Zeit im Krankenhaus war, kann man diesen Aspekt der Geschichte schätzen.
Viel zu schnell die Geschichte am Ende und als Leser versteht man jetzt auch den Buchtitel. Es ist wahrer Lesegenuss. Gern vergebe ich 5 Sterne und eine klare Empfehlung. Ich werde Jean-Pierre vermissen.