Von Mähren nach Brasilien - eine bewegte Familienchronik
Die tschechische Autorin Markéta Pilátová erzählt in ihrem Roman die Geschichte der Unternehmerfamilie Baťa, die einst eine der größten Schuhfabrikanten der Welt waren.
Gegründet wurde das Familienunternehmen ...
Die tschechische Autorin Markéta Pilátová erzählt in ihrem Roman die Geschichte der Unternehmerfamilie Baťa, die einst eine der größten Schuhfabrikanten der Welt waren.
Gegründet wurde das Familienunternehmen 1894 als „T. & A. Baťa“
von Tomáš Baťa im mährischen Zlín, damals Österreich-Ungarn. Schon 1909 expandierte das Unternehmen und errichtete in zahlreichen Ländern der Welt Zweigniederlassungen, die auf Grund der Firmenkonstruktion unabhängig vom Mutterkonzern arbeiten und sich auf den jeweiligen Markt anpassen konnten. Während des Ersten Weltkrieges lieferte Baťa die dringend benötigten Militärstiefel in entsprechender Zahl und Qualität.
Der Zerfall der Donaumonarchie 1918 schadete dem Konzern nicht. Bis 1930 war Baťa der Weltmarktführer. Mit dem Tod von Tomáš Baťa 1932 übernimmt sein Halbbruder Jan Antonin Baťa die Firma. Man erzeugte neben Schuhen auch Reifen, Spielzeug und Kunststoffe.
Die Familie Baťa war extrem sozial eingestellt. Sie errichtete Wohnungen, Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen für ihre MItarbeiter in der Nähe der Fabriken. Batadorp in den Niederlanden, Bataville in Frankreich, Batovany in der Slowakei oder Batov in Tschechien bezeugen dies.
Mit der Annexion der Tschechoslowakei durch Hitlerdeutschland ändert sich (fast) alles. Jan Antonín wird verhaftet, entlassen und flieht mit seiner Familie zuerst nach Amerika, dann nach Brasilien, wo er seine unternehmerischen Tätigkeiten erfolgreich fortsetzt, wie die Namen der neu gegründeten Städte Bataiporã, Bataguassu, Batatuba, Anaurilândia und Mariaopolis beweisen.
Nach 1945 wird der tschechoslowakische Teil des Konzerns in einem fingierten Schauprozess enteignet und verstaatlicht. Unter dem Namen „Svit“ machen die neuen, kommunistischen Eigentümer dem Baťa-Konzern bis zum Bankrott von Svit Konkurrenz. Dabei wird die Geschichte verfälscht und die Baťas als korrupte Ausbeuter dargestellt. Die sozialen Errungenschaften des Konzern sowie jede Erinnerung an die Gründerfamilie wurden totgeschwiegen.
Soweit die historischen Daten zur faszinierenden Familiengeschichte.
In ihrem Roman lässt die Autorin zahlreiche Nachfahren von Jan Antonín wie die Enkelin Dolores zu Wort kommen, zitiert aus zahlreichen Briefen und Tagebüchern. Dabei treten auch diverse Unstimmigkeiten innerhalb der Familie zu Tage. So soll Tomáš J. Baťa (1915-2008), der Sohn des Firmengründers, im Schauprozess gemeinsame Sache mit den Kommunisten gemacht haben, um Jan Antonín, der hier im Roman die Hauptrolle spielt, auszubooten. Diese langwierigen Streitigkeiten, die Jahrezehnte die Gerichte bemüht haben, ziehen sich wie ein roter Faden durch das Buch. Dabei wirkt Jan Antonín bisweilen weinerlich.
Neben den Baťas kommen auch andere teils exilierte Tschechen zu Wort. Dem „König der Knopfindustrie“ Jindrich Waldes wird einiger Platz eingeräumt.
Der Schreibstil ist gut lesbar, was auch an der sorgfältigen Übersetzung von Sophia Marzolff liegt. Mir als Wienerin sind die Anleihen an der Sprache der Donaumonarchie angenehm aufgefallen. Die eher weiche Sprachmelodie geht gut ins Leseohr.
Das Buch selber ist im Kärntner Wieser-Verlag in einer gediegenen Aufmachung als Hardcover mit schönem Schutzumschlag erschienen. Ein rotes Lesebändchen ergänzt diesen Roman wie einige Fotos aus dem Familienarchiv der Baťas.
Fazit:
Ein gelungener Roman, der die bewegte Familiengeschichte der Schuhdynastie Baťa beleuchtet. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.