Cover-Bild Die jüdische Familie Wallenstein-Benkö
Band 4 der Reihe "Burgenländische Lebensgeschichten"
18,00
inkl. MwSt
  • Verlag: edition lex liszt 12
  • Themenbereich: Biografien, Literatur, Literaturwissenschaft - Biografien und Sachliteratur
  • Genre: keine Angabe / keine Angabe
  • Seitenzahl: 152
  • Ersterscheinung: 30.10.2018
  • ISBN: 9783990161487
Martin Pieber

Die jüdische Familie Wallenstein-Benkö

"Ich habe nie verstanden, warum er zurückkam und blieb"
Herbert Brettl (Herausgeber)

Etwa dreißig Juden und Jüdinnen lebten bis 1938 in Neusiedl am See, u.a. die Familie Wallenstein-Benkö. Sie besaß ein Schnittwarengeschäft im Ort. Als die Nationalsozialisten die Macht übernahmen, wurde die Familie misshandelt und ihres Besitzes beraubt. Bald darauf musste sie das Burgenland Richtung Ungarn verlassen. 1944 wurden vier Generationen der Familie in Auschwitz ermordet.

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Lesejury-Facts

  • Dieses Buch befindet sich bei Venatrix in einem Regal.
  • Venatrix hat dieses Buch gelesen.

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.11.2018

Berührend und beeindruckend

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Im Rahmen des Zyklus „Burgenländische Lebensgeschichten“ hat der kleine, aber feine Verlag LEXlist12 die Biografie der jüdischen Familie Wallenstein-Benkö herausgebracht.
Autor Martin Pieber hat sich intensiv ...

Im Rahmen des Zyklus „Burgenländische Lebensgeschichten“ hat der kleine, aber feine Verlag LEXlist12 die Biografie der jüdischen Familie Wallenstein-Benkö herausgebracht.
Autor Martin Pieber hat sich intensiv mit dem Schicksal jüdischer Familien aus Neusiedl am See beschäftigt, wo bis 1938 rund 30 jüdische Personen leb(t)en.

In drei Abschnitten schildert Martin Pieber die Lebensgeschichten der Familienmitglieder.

1. Von den Anfängen bis März 1938
2. Die Zeit des Nationalsozialismus
3. Von der Befreiung 1945 bis heute

Die Wallenstein-Benkös sind noch unter Kaiser Franz Joseph aus der Ungarischen Reichshälfte nach Neusiedl am See gekommen und führen dort eine Schnittwarenhandlung (=Stoffhandlung). Man ist nicht sehr religiös. Die Familie engagiert sich im Ort und ist beliebt. Das ändert sich mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten schlagartig. Mitglieder der Familie werden misshandelt. Ihr Geschäft sowie das Wohnhaus und anderer Besitz werden enteignet. Eine unrühmliche Rolle spielt der Obmann der Sparkasse, der den Preis drückt und sich auch persönlich bereichert. Wie die Geier lauern Parteigenossinnen und Genossen, Gegenstände aus dem Besitz der Wallenstein-Benkös zu einem Bruchteil des Wertes zu erwerben. Ein Flügel ist z. B. darunter oder die komplette Ladeneinrichtung.

Die Familie wird 1942 gezwungen nach Ungarn auszureisen. Dann 1944 werden sie nach Auschwitz deportiert. Von der weitverzweigten Familie überleben nur Emmerich Benkö und eine entfernte Cousine. Vier Generationen dieser Familie werden ermordet.

Emmerich kehrt nach 1945 über Umwege nach Neusiedl zurück und beginnt einen zähen Kampf um seinen Besitz. Einige Nutznießer, die sich 1938 schamlos am Eigentum der Wallenstein-Benkös bedient haben, sind wie ehedem in einflussreicher Position. Der Unrechtsgedanke der Kriegsgewinnler ist naturgemäß kaum vorhanden und so muss er mehrere Prozesse zur Herausgabe seines Eigentums führen. Einiges muss er wieder zurückkaufen.
Es ist wohl eine Ironie des Schicksals, dass Emmerich ausgerechnet die Tochter einer Familie geheiratet hat, die dem Regime besonders zugetan war.

Meine Meinung:

Autor Martin Pieber hat in sachlichen, aber eindrucksvollen Worten, die Biografie des Emmerich Benkö und seiner Familie aufgezeichnet.
Es hat hunderte Stunden an Recherchearbeit bedurft, die Geschichte dieser burgenländischen Familie nachzuzeichnen. Neben vielen schriftlichen Quellen aus dem Nachlass von Emmerich Benkö hat Martin Pieber dessen Nachkommen interviewt. Sohn Peter und Tochter Barbara haben naturgemäß unterschiedliche Wahrnehmungen an ihre Eltern. So erzählen Peter und seine israelische Frau Elisheva, dass Emmerich Benkö häufig über seine Erlebnisse im KZ gesprochen hat, während Barbara diesen Eindruck nicht bestätigen kann.
Anlässlich der Recherchearbeit sind weitschichtig Verwandte ausfindig gemacht worden, die völlig überrascht waren, jüdische Vorfahren gehabt zu haben.

Zahlreiche Fotos aus dem Familienbesitz und Abbildungen von Dokumenten ergänzen dieses Buch.

Ich durfte bei der Buchpräsentation in Neusiedl am See dabei sein, bei der die große Anzahl an Teilnehmern die Erwartungen von Autor und Verlag weit übertroffen hat. Einige Bewohner haben das eine oder andere Erinnerungsstück an die Familie Wallenstein-Benkö mitgebracht. Einige sind (vermutlich) aus purer Neugier gekommen und in einigen alteingesessenen Familien wird dieses Buch weiter für Diskussionsstoff sorgen. Denn bei manchem ist die typisch österreichische Haltung „Wir haben das ja nicht gewusst. Und was hätten wir tun sollen?“ nach wie vor vorhanden.

„Ich habe nie verstanden, warum er zurückkam und blieb.“ Vielleicht wollte Emmerich Benkö den Neusiedler Nazis einfach trotzen und ihnen so etwas wie schlechtes Gewissen einpflanzen.

Fazit:

Ein beeindruckendes Buch über eine jüdische Familie, dem ich gerne 5 Sterne gebe.