Susanne ist Schriftstellerin und Ghostwriterin. Als sie für einen zahlungskräftigen “Premium”-Kunden eine geschönte Autobiografie verfassen soll und dessen Änderungswünsche ins Utopische abgleiten, ist sie nahe am Verzweifeln. Ihr Verleger stellt Susanne kurzerhand seine Ferienwohnung in Italien zur Verfügung, um sie zu motivieren. Doch auf der Reise in den Süden verhindert mitten in den Schweizer Alpen ein Steinschlag die Weiterfahrt. Sie macht sich zu Fuß auf den vermeintlich leichten Weg zum Gebirgspass, bis sie von einem Unwetter überrascht wird. Andrin, ein hagerer, schweigsamer Mann undefinierbaren Alters, nimmt sie mit nach Voglweh, eine kleine verfallene Siedlung mit lediglich zwei Bewohnern, die kaum eine Verbindung zur Außenwelt haben und sich selbst versorgen. Aus ursprünglich einer Notübernachtung werden Tage, Wochen, Monate ... ohne Telefon- und Internetverbindung, ohne Auftraggeber und Zwänge. Statt zu schreiben, erkundet Susanne die Umgebung und hilft Andrin bei der Sanierung eines Hauses. Dabei wird sie Zeugin merkwürdiger Vorgänge im Hochtal, die offenbar einzig Andrin verstehen und deuten kann. Alles scheint mit der besonderen Gesteinsformation und einer verlassenen Militäranlage in Verbindung zu stehen, und Susanne erlebt die unmittelbare Kraft der Natur, die ebenso zerstörerisch wie helfend wirken kann. -
Und es wird tagtäglich gekocht - nach ungewöhnlichen Rezepten eines exzellenten Kochs, der vor Susanne Gast in Voglweh war und ihr beim Lesen seiner Aufzeichnungen zunehmend vertrauter wird. Als sie sich vor Einbruch des Winters unfreiwillig auf den Heimweg begeben muss, nimmt sie nicht nur wertvolle Geschenke mit, sondern auch einen Auftrag und die Gewissheit, dass sich Vieles für sie ändern wird.
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Es ist eine kapitale Schaffenskrise, die die Protagonistin und Ich-Erzählerin Susanne, ihres Zeichens Schriftstellerin und Ghostwriterin, gerade heimsucht: Die Arbeit an der Biografie des Großindustriellen, ...
Es ist eine kapitale Schaffenskrise, die die Protagonistin und Ich-Erzählerin Susanne, ihres Zeichens Schriftstellerin und Ghostwriterin, gerade heimsucht: Die Arbeit an der Biografie des Großindustriellen, die zu schreiben ihr aufgetragen wurde, stockt; sie findet einfach keinen Zugang, weder zu dem Leben, noch zu der Person des literarisch zu Porträtierenden. Ihr Verleger hat die Idee: Susanne soll sich in sein Appartement in Italien zurückziehen: Ruhe, Entspannung, Blick aufs Meer – dann fließt auch wieder die Kreativität. Statt in Italien strandet Susanne indes in Voglweh, einem verborgenen, ja, verfallenen Bergdorf. Die einzigen zwei Bewohner der winzigen Siedlung, der ältere, überaus vielseitig begabte Andrin und seine Frau Uta, nehmen Susanne mit offenen Armen auf. Und was zunächst als kurzer Aufenthalt gedacht ist, dauert an und an und an. Ja, die verlassene Siedlung, die ewig drohenden Steinlawinen, das warmherzige Ehepaar und die grotesk üppige Vegetation werfen bei ihr Fragen auf – doch Susanne schiebt sie beiseite. Je mehr Zeit sie in Voglweh verbringt, umso mehr verliert sie sich bereitwillig in dem gleichmäßigen Rhythmus aus körperlicher Arbeit, fantastischem Essen, wohltuender Gesellschaft und tiefem Schlaf … doch wie lange kann dieses entrückte Leben realistischerweise andauern?
„Andrin“ ist ein faszinierender Roman, der wie ein Vexierbild mit der Realität und dem Alltag, wie wir sie kennen, spielt. Während der Lektüre fühlte ich mich vielfach an Marlen Haushofers „Die Wand“, Raphaela Edelbauers „Das flüssige Land“ und zum Teil auch an Ewald Arenz‘ „Alte Sorten“ erinnert. Doch trotz – oder gerade wegen – dieser Reminiszenzen, entfaltet „Andrin“ ein ganz eigenes, gefangennehmendes Erzähluniversum: Ein weitestgehend autarkes Leben fernab des hektischen Alltäglichen, das ausschließlich den eigenen und den Naturgesetzen folgt und in einer beinahe realitätsenthobenen, naturverbundenen Parallelwelt stattfindet – was Susanne erlebt, war für mich als Leserin zugleich irritierend und enigmatisch, bestrickend und verheißungsvoll.
Mein einziger – allerdings, wie ich einräumen muss, sehr, sehr subjektiver – Kritikpunkt ist der an einigen Stellen etwas zu umgangssprachliche und ein wenig flapsige Erzählstil. Doch das ist ausschließlich meinem persönlichen Geschmack geschuldet, denn er passt, das muss ich betonen, durchaus zu der recht burschikosen Ich- Erzählerin und tut der Erzählung keinerlei Abbruch.
Ich habe diesen Roman ausgesprochen gern gelesen und
empfehle ihn ebenso ausgesprochen gerne weiter.
Mit Beginn der Lektüre betreten wir das Büro von Jupp, einem Verleger und erleben ein brisantes Gespräch zwischen ihm und der Ich-Erzählerin Susanne, die Schriftstellerin ist und wegen einer Schreibblockade ...
Mit Beginn der Lektüre betreten wir das Büro von Jupp, einem Verleger und erleben ein brisantes Gespräch zwischen ihm und der Ich-Erzählerin Susanne, die Schriftstellerin ist und wegen einer Schreibblockade aus einem Vertrag aussteigen möchte.
Jupp will das mit allen Mitteln verhindern und bietet ihr großzügig an, Zeit in seinem Ferienhaus an der italienischen Mittelmeerküste zu verbringen.
Dort soll sie sich erholen und entspannen, um ihr neuestes Projekt, das Verfassen einer geschönten Autobiografie für einen wohlhabenden Prominenten, zum Abschluss bringen zu können.
Trotz anfänglichem Zögern und inneren Hemmnissen gibt Susanne sich schließlich geschlagen und willigt ein.
Mit dem Zug macht sie sich auf den Weg und kommt doch nicht an ihrem eigentlichen Ziel an.
Manchmal ist es wie verhext.
Eine routinemäßige Inspektion eines Tunnels verhindert auf längere Zeit die Weiterfahrt und dann wird die Ersatzstrecke über den Pass auch noch wegen Steinschlag gesperrt.
Manchmal trifft man unvernünftige und widersinnige Entscheidungen.
Susanne entscheidet sich, zu Fuß über den Berg und zum nächsten Bahnhof zu laufen, von wo aus die Fahrt dann weitergehen kann.
Manchmal hat man Glück.
Als der Anstieg dann doch zu beschwerlich wird, kommt unerwartet und erfreulicherweise ein Jeep vorbei und der geschätzt 60 bis 70-jährige, Pfeife rauchende und wortkarge Fahrer Andrin nimmt Susanne mit.
So gelangt sie zwar nicht über den Berg zum nächsten Bahnhof, aber zumindest zum nächsten Ort: nach Voglweh.
Andrin bietet ihr für die Nacht ein Gästezimmer in seinem einsamen Haus in den Bergen an, damit sie am nächsten Tag ausgeruht weitermarschieren oder er sie mit seinem Jeep zum Bahnhof bringen kann.
Aber aber nächsten Tag geht es nicht weiter.
Und auch nicht am übernächsten...
Wir lesen von doppeldottrigen Eiern, Tomaten- und Zucchinibergen, Wasser mit berauschender Wirkung, einem toten Telefonkabel, lernen Uta, Andrins eigenwillige Frau, kennen und erfahren, dass der skurrile Andrin die leckersten Gerichte zaubern kann, seitdem ein Koch, der sich auf einer einsamen Hüttenwanderung nach Voglweh verirrt hat, es ihm beigebracht hat.
Anfangs und lange Zeit fragte ich mich, ob dieser Roman ein Psychothriller ist, aber ich recherchierte nicht und ich werde hier diesbezüglich auch nichts verraten, außer, dass die phasenweise unheilvoll-schaurig-beklemmende Stimmung im Buch, v. a. im ersten Viertel, mich mehrmals auf diesen Gedanken gebracht hat.
Dazwischen sorgten entspannte und witzige Momente wiederum dafür, diesen Gedanken zu verwerfen.
Mit überraschter und verblüffter Verwunderung registrierte ich, wie die beiden aktuellen Lebenswelten der Protagonistin Susanne verwoben wurden. Geschickt verzwirbelt die Autorin den „Biografiefaden“ ihres Auftraggebers mit dem „Alltagsfaden“ bei dem liebenswürdig-schrägen Pärchen Andrin und Uta in Voglweh, so dass man eigentlich eine Geschichte in der Geschichte zu lesen bekommt.
Mir gefiel der Wechsel der Erzählperspektive, die immer von der Ich-Erzählerin Susanne ausgeht.
Sie erzählt uns die Geschehnisse im Rückblick und manchmal streut sie künftiges Wissen ein, das sie in der Situation, auf die sie zurückblickt, noch gar nicht hatte bzw. haben konnte.
So weiß der Leser zu bestimmten Zeitpunkten manchmal mehr, als die Protagonistin selbst und wird damit nicht allwissend, aber „mehrwissend“.
Sie spielt mit dem Leser, denn sie verrät nie so viel, dass es langweilig wird. Im Gegenteil. Sie verrät immer so viel, dass die Neugierde angefacht wird.
Diese Kamera-Schwenks finde ich extrem schlau, abwechslungsreich und interessant.
Ich genoss die wunderschöne Sprache, die anschaulichen Metaphern, ausdrucksvollen Formulierungen und bildhaften und eindrücklichen Landschaftsbeschreibungen.
Einige Beispiele möchte ich gern anführen:
„Zu beiden Seiten des Fahrzeugs materialisierten sich von vor Nässe glänzende Sockelzonen anthrazitfarbener Felswände und verloren sich in unwägbaren Höhen. Erst hielten sie Abstand, rahmten die Fahrbahn respektvoll ein, dann kamen die Wände näher und näher, wurden aufdringlich, waren weniger als eine Armlänge, dann eine Handbreit vom Jeep entfernt, bis die Straße nur noch ein Spalt im Fels war.“ (S. 43)
„... der Taktschlag, mit dem der Scheibenwischer das Konzert dirigierte und dabei ein Tempo anschlug, schneller als ein Sportlerherz bei maximaler Belastung.“ (S. 43)
„Rund um den See lagen Felsbrocken, wie hingestreut, als hätten Kinder mit Murmeln gespielt und wären gegangen, ohne aufzuräumen.“ (S. 45)
Ihr originelles und amüsantes Bild von dem „guten Willen“ musste ich mehrmals lesen, weil es mir so außerordentlich gut gefiel:
„Kaum war der Rechner ausgeklappt und hochgefahren, schaute auch schon der gute Wille vorbei. Bedauerlicherweise war er stets in Eile. Er legte nicht einmal den Mantel ab, selbst wenn ich ihn dazu aufforderte und ihm anbot, den Sessel freizuräumen, damit er es sich bequem machen konnte. Er kam ins Zimmer, lüpfte kurz den Hut zum Gruß, um sich im nächsten Moment bereits wieder zu verabschieden.“ (S. 157)
Der Roman unterhält, sorgt gleichzeitig für Spannung und Entspannung und hat etwas Märchenhaftes.
Manche würden vielleicht sagen, dass einiges fragwürdig oder unrealistisch ist.
Aber ich möchte es anders ausdrücken:
Manches ist nicht logisch im alltäglichen Sinn, sondern märchenhaft, romantisch oder idyllisch. Einiges ist vielleicht unwahrscheinlich, aber dennoch möglich.
Wenn man sich in die Geschichte fallen lässt, die Realitätsprüfung manchmal hintan stellt und nicht kleinlich ist, dann kann man den Plot, die Sprache und den Erzählstil in vollen Zügen genießen.
„Andrin“ ist ein unterhaltsames und packendes Werk, dem der Humor nicht fehlt. Es liest sich leicht und flüssig.
Aus Martina Altschäfers originellen und kreativen Einfällen ist eine Geschichte entstanden, die mir äußerst vergnügliche Lesestunden beschert hat, obwohl ich am Ende einen Kloß im Hals hatte und einige Tränen über meine Wange kullerten.