Cover-Bild Julie: Fluchtpunkt Paris
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17,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Kellner Verlag
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: allgemein und literarisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 200
  • Ersterscheinung: 03.06.2024
  • ISBN: 9783956514333
Martina Rapp

Julie: Fluchtpunkt Paris

»Plötzlich bemerkte sie, dass ein Junge sie musterte. Er lehnte an einer Plakatwand auf der anderen Straßenseite. Er war ungefähr in ihrem Alter. Wie lange hatte er sie schon beobachtet? Langsam kam er zu ihr herüber, quer durch den dichten Verkehr. Er ließ sie nicht aus den Augen. Als er fast vor ihr stand, wandte er den Blick dem Tabakladen zu. Er betrat ihn zielstrebig, taxierte die Regale, schaute nach links zum Tresen und als er kein Personal erblickte, griff er zu.«

Überaus spannend und glaubwürdig verwebt Martina Rapp in ihrem Romandebüt die Geschichten mehrerer Figuren, deren Wege sich in Paris kreuzen und die scheinbar unterschiedlicher nicht sein könnten.

Dieser Roman, für den die Autorin 2017 mit dem Bremer Autorenstipendium ausgezeichnet wurde, ist eine literarische Entdeckung!

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Lesejury-Facts

  • Dieses Buch befindet sich bei Viv29 in einem Regal.

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.07.2024

Aktuelles Thema in langatmiger Erzählweise

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Der Klappentext zu „Julie“ ist sehr vage gehalten: „Der Roman erzählt höchst bewegend die Geschichten mehrerer Charaktere, welche sich in Paris begegnen und Zeugen aufregender Ereignisse werden.“ So wusste ...

Der Klappentext zu „Julie“ ist sehr vage gehalten: „Der Roman erzählt höchst bewegend die Geschichten mehrerer Charaktere, welche sich in Paris begegnen und Zeugen aufregender Ereignisse werden.“ So wusste ich nicht genau, was mich erwartete, und ich muß gestehen, Klappentext und Einbandgestaltung hatten in mir sehr andere Erwartungen erweckt. Thema des Buches ist eine düstere Sozialkritik am überlasteten französischen Gesundheitssystem und der daraus resultierenden Automatisierung vieler Prozesse, was wiederum zu Fehlern führt und außerdem dazu, daß viele Menschen letztlich von effektiver Gesundheitsversorgung ausgeschlossen sind, darunter Flüchtlinge. Ein hochaktuelles und sicherlich relevantes Thema, aber auch eines von solcher Schwere, daß der Klappentext darauf nicht vorbereitet. Auch der Untertitel „Fluchtpunkt Paris“ läßt mehrere Interpretationen offen. Ich hatte mir ein weniger verbissenes, weniger düsteres Thema erwartet und finde die Präsentation des Buches nicht zum Sujet passend.

Daß das Thema nicht mein Fall ist, lasse ich bei der Bewertung (die für mich persönlich geringer ausfällt als drei Sterne) außer Acht, denn dies ist kein Fehler des Buches. Die zu vage Darstellung halte ich allerdings durchaus für ein Manko, da sie an interessierten Zielgruppen eventuell vorbeigeht und bei anderen Lesern falsche Erwartungen weckt.

Auch wenn ich das Buch bei genauerer Kenntnis des Themas nicht gewählt hätte, bergen die Schicksale der Charaktere verschiedener Herkunft und mit sehr unterschiedlichen Erfahrungen durchaus Potential. Anfangs war ich beim Lesen neugierig und interessiert. Die kurzen Kapitel werden aus wechselnden Perspektiven erzählt und anfänglich laufen die Erlebnisse der jeweiligen Charaktere noch ziemlich nebeneinander her, so daß man verschiedene Geschichten liest und sich immer wieder neu einfinden muß. Das ist an sich gut gemacht, anhand der ersten sich bald knüpfenden Verbindungen bekommt man schon eine Ahnung des gesamten Zusammenspiels.

Allerdings ist die Erzählung sehr langatmig und oft auch trocken. Es werden viele Alltagsbegebenheiten in großer Ausführlichkeit erzählt und Hintergrundinformationen, insbesondere über das Gesundheitswesen, werden trocken und vortragshaft vermittelt. Dazwischen finden sich immer wieder gelungene Beschreibungen, auch wird die Tristesse des Umfelds gelungen dargestellt, aber überwiegend fand ich die Schilderungen langweilig, da die Betonung stark bei irrelevanten Details lag und zudem generell sehr leblos erzählt wird. Es gibt nur wenige Dialoge, das meiste wird uns berichtsartig und trocken geschildert. Das führte dazu, daß mir die Charaktere fremd blieben. Relevante Dinge werden oft nur angedeutet, bewusst vage gehalten, gerade am Anfang tappt man hinsichtlich vieler Aspekte im Dunkeln. Das ist teilweise nötig und sinnvoll, wird aber sehr übertrieben und zieht sich auch letztlich durch das ganze Buch. Die Gewichtung stimmte für mich nicht. Dinge, die mehr Detail vertragen hätten, werden summarisch angerissen, während Uninteressantes ausgewalzt wird. So verlor ich auch zunehmend das Interesse an den Charakteren und damit die Motivation zum Weiterlesen. Das Buch ist sehr kurz, erschien mir aber ausgesprochen lang.

Auch vom Stil war ich eher enttäuscht. Der Klappentext spricht von einer literarischen Entdeckung und weckt damit natürlich entsprechende Erwartungen an den Stil. Dieser ist leicht lesbar, hat aber die o.e. Mängel. Literarisch ansprechend fand ich ihn nicht, Freude an der Sprache hatte ich auch nicht. Vielmehr fielen mir gelegentlich unbeholfene Satzstellungen auf, wie z.B. „Ich habe schon viel zu viel jetzt über mich geredet“.

So kann „Julie“ zwar mit gesellschaftlicher Relevanz und einem interessanten, auf verschiedenen Perspektiven basierenden Aufbau punkten, auch wirkte der Inhalt gut recherchiert und durchdacht. Allerdings weiß die Geschichte aufgrund ihrer distanzierten, langatmigen Erzählweise nicht zu berühren und konnte mich auch literarisch leider nicht überzeugen.

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