Ein Autor, den man entdecken sollte
Mit “The Hills” hat der norwegische Autor Matias Faldbakken einen ironischen Roman über ein traditionsreiches Osloer Restaurant geschrieben, in dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Der Protagonist ...
Mit “The Hills” hat der norwegische Autor Matias Faldbakken einen ironischen Roman über ein traditionsreiches Osloer Restaurant geschrieben, in dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Der Protagonist des Romans ist der Kellner, der sich selbst als hochsensibel bezeichnet, seine Arbeit sehr ernst nimmt, von den festsitzenden Handgriffen und Umgangsformen nie abweicht und die Gewohnheiten seiner Stammgäste bis ins kleinste Detail kennt. Doch die so fest verankerte Ordnung des Restaurants fällt dem Chaos anheim, als eine junge Frau durch die Tür tritt.
Mit der Ankunft der jungen Frau gerät alles, wofür das Restaurant steht, plötzlich ins Wanken. Der Kellner beginnt, grobe Fehler zu machen, er vergisst sich. Hierarchien und Strukturen lösen sich auf und kehren sich ins Gegenteil um. Da wird plötzlich die Käseplatte vor dem Hauptgericht verzehrt und Handys halten Einzug in das von Zeitungen geprägte Erscheinungsbild des Restaurants.
Die Geschichte bewegt sich am Abgrund. Auf der einen Seite ist die Ordnung, das Alte, das Festhalten an einer Zeit, die schon längst vergangen scheint und nur noch innerhalb der Wände von The Hills existiert. Das Restaurant steht für ein altes Europa, an das man sich mit aller Gewalt klammern muss, um es noch aufrecht erhalten zu können, das in Form des Restaurants bereits abgenutzt wirkt, in dem sich der Ruß und der Dreck der Zeit festgesetzt haben: “Stellen Sie sich vor, wie schön es im alten Europa war, das ist gar nicht einmal so lange her. […] Jetzt gibt es überall Dönerstände und Reparaturläden für kaputte Handybildschirme. Armes Europa.”
Auf der anderen Seite steht das totale Chaos, ein unbekanntes, noch unerforschtes Neues, das nicht mit der Nostalgie, die The Hills auszeichnet, in Einklang zu bringen ist.
Es ist grandios, wie Faldbakken seine Geschichte stets am Abgrund entlanggleiten lässt. Das Geschehen wird zu einem Balanceakt, zu einem Seiltanz und als Leser rechnet man stets mit dem Schlimmsten, mit dem unsichtbaren Stoß, der die Tänzer vom Seil fallen lässt.
Doch nicht nur diese Ungewissheit und untergründige Spannung zeichnen den Roman aus. Er ist außerdem ein Kammerspiel, das sich aus sehr feinen und tiefgründigen Charakterstudien zusammensetzt. Der Kellner, die Barfrau, der Maitre D’ und die Gäste werden in ihrem Verhalten während der gesamten Erzählung unter die Lupe genommen. Nichts bleibt dabei verborgen. Gleichzeitig werden die Figuren jedoch nie ins Lächerliche gezogen und nehmen keine zu starken karikaturartigen Konturen an. Denn Faldbakken gelingt es meisterhaft, seine Figuren auf dieser Bühne, die das Restaurant darstellt, auftreten zu lassen, ihnen den Raum zu geben, sich zu entfalten und Tiefe zu entwickeln und sie dem Leser gleichzeitig durch eine scharfsinnige und ironische Linse blickend zu präsentieren.
“The Hills” ist Zeugnis des erzählerischen Talents seines Autoren und eine Freude für jeden Leser.