Ein gruseliges Dorf und zwei Brüder auf Abwegen
„Die Brüder Fournier“ von Matthias Wittekindt durfte ich im Rahmen einer Leserunde lesen, dies hat aber keinen Einfluss auf meine Meinung.
Kurz zum Inhalt (Achtung – Spoiler!):
Iason und Vincent Fournier ...
„Die Brüder Fournier“ von Matthias Wittekindt durfte ich im Rahmen einer Leserunde lesen, dies hat aber keinen Einfluss auf meine Meinung.
Kurz zum Inhalt (Achtung – Spoiler!):
Iason und Vincent Fournier wachsen in den 60er Jahre im kleinen Ort Envie in Belgien auf. Die Brüder verbringen viel Zeit miteinander, entwickeln sich dann aber in sehr unterschiedliche Richtungen. Vor allem Iason, der ältere der beiden, scheint sonderbar. Das Jugendamt ist ein ständiger Gast bei der Familie, die Eltern sind im Familienbetrieb sehr eingespannt, vor allem Mutter Emely scheint den Jungen zu fehlen. Liebe sucht man in der Familie vergeblich, was vorherrscht, ist Kälte und Sachlichkeit.
So kommt es, dass die Brüder Fournier auch mit dem Gesetz in Berührung kommen, Iason wird eine psychische Krankheit attestiert, die in weiten Teilen auch eine Erklärung für sein auffälliges Verhalten liefert.
Dann sterben zwei Jugendliche kurz aufeinander, Jason hatte mit beiden kurz vor deren Tod Kontakt.
Und sein Bruder Vincent? Auch er wird in der Nähe der Tatorte gesehen und könnte in Verbindung mit den Toten stehen.
Handlung und Charaktere:
Ich habe mich sofort in dem kleinen Ort Envie wiedergefunden und konnte gut in die Geschichte einsteigen. Mir hat dabei der Schreibstil von Matthias Wittekindt sehr geholfen. Die Charaktere wirkten auf mich sehr authentisch, auch wenn sie teilweise nicht sehr tiefgründig waren und ich den Eindruck hatte, bei vielen nur die obsterste Schicht kennengelernt zu haben.
Die Handlung und der Aufbau der Geschichte hat mir gut gefallen, es war alles logisch erzählt und es bleiben am Ende keine offenen Fragen, die Verwirrung o. Ä. erzeugt hätten. Insgesamt war die Erzählweise sehr nüchtern, ich denke, dass der Autor diese Nüchternheit genau so rüberbringen wollte. Stellenweise kann man die Atmosphäre fast schon als kalt bezeichnen. Das Buch vermittelt auch eine gewisse Monotonie, auch als die Leichen entdeckt werden, bleibt das ganze Dorf für meinen Geschmack etwas zu gelassen, ich hatte den Eindruck, dass die Einwohner nichts hinterfragen und es auch niemanden gibt, der sich vielleicht etwas unangenehmeren Themen widmen will.
Meine Meinung:
Ich muss ehrlich gestehen, dass ich mit vom Klappentext und der Einordnung in das Genre „Kriminalroman“ etwas anderer erhofft hatte. Ich bin eher von einem „typischen“ Krimi ausgegangen, bei dem die Oper und möglichen Täter im Mittelpunkt stehen. Geschrieben ist das Buch toll, es hat mich, vor allem sprachlich, sehr angesprochen, aber suggeriert wurde hier halt etwas anderes, ich denke, das sollten die Leser wissen. Aufgrund dieser Erwartung ist es mir stellenweise schwer gefunden, mich komplett auf das Buch einzulassen. Ich sehe hier eher die Erzählung der Geschichte von Envie und seinen Einwohnern im Vordergrund, die auch sehr interessant ist, aber halt nicht zum Genre passt.
Fazit:
Ich habe mich gut unterhalten gefühlt und finde die Geschichte interessant, aber die Aufregung und Spannung hat mir manchmal gefehlt. Auch hätten die Charaktere noch etwas tiefgründiger sein können, wir erfahren viele Zahlen, Daten und Fakten, aber wenig emotionales, es wird nicht viel über Gefühle gesprochen und so lernt man zwar die Personen kennen, nicht aber die „Menschen“ dahinter.