Kafkaeske Heimkehr
"Galgenmann", der Debütroman von Maya Binyam, stellt nicht nur seinen Erzähler vor mancherlei Rätsel. Der namenlose Ich-Erzähler kehrt nach 25 Jahren im Exil zurück in das Land seiner Herkunft, um seinen ...
"Galgenmann", der Debütroman von Maya Binyam, stellt nicht nur seinen Erzähler vor mancherlei Rätsel. Der namenlose Ich-Erzähler kehrt nach 25 Jahren im Exil zurück in das Land seiner Herkunft, um seinen sterbenden Bruder noch einmal zu sehen. Seine Reise in die fremd gewordene Heimat wird zu einer Odyssee mit surrealen, ja kafkaesken Elementen.
Der Erzähler weiß selbst nicht so recht, wie er überhaupt ins Flugzeug gekommen ist, wer seinen Koffer gepackt hat. Er hat Vermutungen, doch wirklich sicher kann er sich überhaupt nicht sein. Überhaupt scheint sich die Wirklichkeit zu verändern, während er noch über etwas nachdenkt, wie in einer Traumlandschaft bewegt sich der Emigrant, der durchgehend eher als hilfloses Objekt der Geschehnisse wirkt.
Woher der Mann kommt und wohin er reist, das bleibt weitgehend offen. Die Beschreibungen legen nahe, dass er in den vergangenen 25 Jahren in den USA lebte und nun in Äthiopien lebt, dem Land, aus dem auch der Vater der Autorin in die USA eingewandert ist.
Wie so viele Rückkehrer aus der afrikanischen Diaspora sieht sich auch der Erzähler einer geballten Erwartungshaltung seiner Angehörigen gegenüber: Ein Cousin erwartet eine Investition in sein Haus, der Bruder hat ohnehin schon seit jeher finanzielle Wünsche geäußert, die mit den Jahren immer größer werden und im Wunsch nach einer Bürgschaft für eine Einwanderung in die USA münden.
Der Erzähler mag die Landessprache seines Herkunftslandes sprechen, doch er gilt offenbar längst als Amerikaner, als Ausländer, der sich nicht auskennt und den man hemmungslos übervorteilen kann, angefangen von Gepäckträger am Flughafen über Taxifahrer zu Bankangestellten. Doch immer wieder gibt es auch die menschlichen Begegnungen, die Erinnerungen an die Vergangenheit und ähnliche Erfahrungen wecken. So wird es eine Reise in die Vergangenheit, zu den eigenen Wurzeln, zu Menschen, die er erst auf den zweiten Blick erkennt. Dass er sich irgendwie auch zeitlich in einem Niemandsland befindet, wird durch die Tatsache bestärkt, dass Emails an die Frau und an den Bruder nicht gesendet werden können.
"Galgenmann" kulminiert in einem überraschenden Ende, das für mich so nicht absehbar war. Ein interessantes, mitunter verwirrendes Debüt.