Der elfjährige Evered und seine zwei Jahre jüngere Schwester Ada wachsen unter kargen Bedingungen auf. Sie sind Kinder von Fischern, die um 1800 allein inmitten der kanadischen Wildnis leben.
Als ihre Eltern sterben, sind die Geschwister auf sich gestellt; sie wissen nur das von der Welt, was sie von Mutter und Vater gelernt haben. Also führen sie deren hartes Leben nach Kräften weiter. Bis die Loyalität der Geschwister auf die Probe gestellt wird und sie für ihre Zukunft kämpfen müssen.
Wow, was für ein spannender historischer Roman, der besonders durch seine Mischung aus Abenteuer-und Coming-of-age fesselt.
Zwei Waisen um 1800 in der Wildnis von Neufundland, die jeden Tag aufs Neue ...
Wow, was für ein spannender historischer Roman, der besonders durch seine Mischung aus Abenteuer-und Coming-of-age fesselt.
Zwei Waisen um 1800 in der Wildnis von Neufundland, die jeden Tag aufs Neue ums Überleben kämpfen und die abseits jeglicher Zivilisation eine ganz eigene Sozialisierung erfahren.
Die urtümliche Landschaft, das unmenschliche Klima und die kargen, teils lebensfeindlichen Umstände werden so eindrücklich geschildert, dass die Kälte unter meine Haut kriecht und der Hunger durch meine Eingeweiden rumort.
Dazu kommt das feine Gespür für die zwischenmenschliche Entwicklung des Geschwisterpaars, die eine eigene Spannungskurve besitzt und mich teils berührend, teils abgestoßen nicht aus ihrem Bann lässt.
Ganz großes Kino und für mich ein Highlight in meinem Lesejahr.
Die Geschichte beginnt mit der Beschreibung des entbehrungsreichen Lebens einer fünfköpfigen Fischerfamilie Ende des 18. Jahrhunderts in Neufundland in einer einsamen Bucht.
Als die kleine, halbjährige ...
Die Geschichte beginnt mit der Beschreibung des entbehrungsreichen Lebens einer fünfköpfigen Fischerfamilie Ende des 18. Jahrhunderts in Neufundland in einer einsamen Bucht.
Als die kleine, halbjährige Schwester und danach auch Mutter und Vater an einer Krankheit sterben, bleiben der elfjährige Evered und seine neunjährige Schwester Ada allein zurück. Sie übernehmen das harte Leben der Eltern ohne wirklich alles zu kennen, zu können und zu wissen, was diesen Leben von ihnen verlangt.
Die einzigen anderen Menschen außer ihrer Familie, die sie in ihrem kurzen Leben gesehen haben, war die Hebamme aus dem weitentfernt gelegenen nächsten Ort Mockbeggar, die ihre kleine Schwester mit auf die Welt geholt hat, des Weiteren nur die Seeleute des Versorgungsschiffes, das zweimal im Jahr irgendwann im Frühling und Herbst vorbeikommt, aus der Ferne, da es wegen des flachen Wassers weit vor der Bucht ankern musste.
„Beinahe zwei Monate verbrachten sie in einem Schwebezustand, verkrochen im grauen Halbdunkel der Hütte, ohne jedes Bedürfnis oder Interesse, das über die Gesellschaft des anderen hinausging.“ (S. 43) Doch als der Frühling naht, nehmen die Kinder ihr Leben wieder auf und versuchen, die Arbeit ihrer Eltern weiterzuführen, da sie nicht wissen, was sonst geschehen soll.
Nach dieser entbehrungsreichen Zeit ankert endlich das Versorgungsschiff vor der Bucht und Evered rudert hinaus, ganz wie sein Vater es immer alleine tat. Er erfährt, dass sein Vater Schulden beim Eigner des Schiffes hatte und dass er diese nun übernehmen und neue machen muss, um weiter mit Ada hier zu leben. Mit haltbaren Lebensmitteln kehrt er zu seiner Schwester zurück.
Die Jahre vergehen mit allen mühevollen Arbeiten, die im Laufe der Jahreszeiten getan werden müssen, fischen, die Fische verarbeiten, den Acker bestellen, Beeren sammeln, Fallen aufstellen, usw. Mehr schlecht als recht kommen die Geschwister über die Runden, sind sogar oft dem Tode nah. „Das Land in ihrem Rücken öde und leer, nach Osten und Westen nur Einsamkeit und als einzige Gesellschaft die Toten, oben im Firmament. Und tagein, tagaus keine Menschenseele.“ (S. 121)
Bis das Buch im Alter von 17, bzw. 15 Jahren der Kinder endet, ankern außer dem überlebenswichtigen Versorgungsschiff nur zwei weitere Schiffe vor der Bucht. Deren Besatzungen sind freundlich zu den Kindern und helfen ihnen sogar.
Das Buch schildert die Lebensumstände der beiden Kinder in aller Härte, ohne zu beschönigen. Auch die oft unausgesprochenen Konflikte zwischen den Heranwachsenden, die ihr Leben zusätzlich beschweren, werden nicht ausgeklammert. Manche Erlebnisse sind nichts für zartbesaitete Kinderseelen, so dass der Roman meiner Meinung nach erst für ältere Teenager und junge Erwachsene geeignet ist.
Darüber hinaus ist er aber so gut erzählt, dass er einen Sog entwickelt: Der Leser möchte immer wissen, wie es mit den beiden weitergeht, ob es weitergeht …
Michael Crummey schreibt über das Erwachsenwerden unter schier unvorstellbaren, harten, entbehrungsreichen Umständen, dass man sein eigenes wohlbehütetes Leben wieder sehr zu schätzen weiß.