Was der Glaube vermag...
So verschroben wie der Name des kleinen Ortes – Schrobengrün! -, irgendwo in der deutschen Provinz, ist auch dessen protestantischer Pfarrer, dessen Tätigkeit sich weitgehend auf die Durchführung von Beerdigungen ...
So verschroben wie der Name des kleinen Ortes – Schrobengrün! -, irgendwo in der deutschen Provinz, ist auch dessen protestantischer Pfarrer, dessen Tätigkeit sich weitgehend auf die Durchführung von Beerdigungen beschränkt und der ansonsten eine ruhige Kugel schiebt. Seine einzigen Sorgen richten sich auf gelegentliches Sodbrennen, das ihm seiner Meinung nach der Kartoffelsalat beschert, der anlässlich der für den kleinen Ort recht häufigen Leichenschmausfeiern serviert und ihm von seinen angejahrten Schäfchen regelrecht aufgezwungen wird. Eine weitere Prüfung ist Konfirmand Ronny, der einzige Jugendliche im Ort übrigens, der sich das kirchliche Fest antun möchte, nicht aus Frömmigkeit freilich, sondern weil er erwartet, von der Verwandtschaft zu seinem Ehrentage reichlich beschenkt zu werden. Ronny ist eine rechte Nervensäge, wie das Pubertierende nun mal sein können, und der Konfirmandenunterricht ist eine Tortur für Pfarrer Gregor Dümpel – ein Name, der duchaus passend ist für den schwächlichen jungen Mann, der mit der Hektik eines normalen Lebens so gar nicht klar kommt. Dass er sehr bald in ein wildes Abenteuer hineingezogen werden würde, das ihn in so mancher Hinsicht bis in die Grundfesten seines blassen, doch von profunder Gläubigkeit geprägten Seins erschüttern sollte, kann er an jenem besonderen Nachmittag, als er sich mit Unlust auf den Unterricht mit dem gelangweilten Ronny vorbereitet, nicht ahnen! Und hätte er es gewusst, hätte er sich ganz gewiss von der riesigen alten Orgel ferngehalten, aus der ein seltsames, durchdringendes Piepsen kam. Dass die Orgel sich denn auch noch als Raumschiff enttarnen würde, von einem geheimnisvollen Volk aus den Tiefen des Alls auf der Erde geparkt, das sich anschickte, ihn mitsamt dem mit seinem Smartphone verwachsenen Konfirmanden in den Weltraum zu katapultieren – na, wer kann denn so etwas für möglich halten?
Einige Zeit bevor Dümpel und Ronny auf das Piepsen in der Kirche aufmerksam wurden, hatte bereits die leidenschaftliche Archäologin Chloe mitten im peruanischen Dschungel, sie ihrerseits auf der Suche nach Spuren der sagenhaften Menda, einer sehr alten, völlig unerforschten Kultur, ein sehr ähnliches Erlebnis. In einer Tempelruine, die sich dann doch tatsächlich ebenfalls als Raumschiff herausstellte! Jedoch ist sie aus ganz anderem Holze geschnitzt als der sensible Pfarrer, dem schon der eigene Schatten Unbehagen einzuflößen scheint. Keine Herausforderung ist zu groß für sie, ihre Wissbegierde ist stärker als alle Furcht. Doch was da draußen im All auf sie zukommen würde, hätte auch sie sich in ihren kühnsten Träumen nicht vorstellen können! Ansonsten hätte sie womöglich – aber sicher ist das nicht, wie man bei genauerem Kennenlernen der flotten, die Handlung ungemein bereichernden Chloe mutmaßen mag – die Finger gelassen von den Krügen, die sie gefunden hatte und die offensichtlich nicht leer waren!
Um die Sache abzukürzen – während Dümpel und Teenager Ronny mit der alten Orgel 'mit Hyperspeed', wie es der Buchtitel bereits verrät, ins All unterwegs sind, ist Chloes Raumschiff, der alte Tempel aus dem dichtesten Urwald des südamerikanischen Kontinents, längst unsanft vor Ort gelandet und in die Fänge des Bösewichts Rogol N'Ansan vom Volk der tumben, aber fürchterlich brutalen und gnadenlosen Andur, die die gesamte ferne Galaxie, in der sich die Geschiche abspielt, tyrannisieren, geraten. Sehr bald treffen die drei Raum- und in gewissem Sinne auch Zeitreisenden wider Willen unter ernsten und gefährlichen, aber nichtsdestotrotz den Leser erheiternden Umständen aufeinander und versuchen, von nun an gemeinsam, dahinterzukommen, was ihnen da eigentlich widerfahren ist und was der Sinn hinter dem Unglaublichen ist, das sie zu sehen und zu hören bekommen. Denn einen Sinn muss das Ganze haben, irgendjemand oder irgendetwas muss zwei ganz gewöhnliche, wenn auch nicht gerade alltäglichen Gegenstände zu Raumschiffen umfunktioniert haben und gewollt haben, dass sie ihrer Bestimmung, was immer diese auch sein mag, zugeführt werden!
Nun denn, das Abenteuer kann seinen Lauf nehmen, für die draufgängerische Chloe, den zögerlichen Pfarrer und den aufmüpfigen, stets schrecklich hungrigen Konfirmanden, der sehr bald seine – schmerzhaften – blauen Wunder erleben wird ob seiner Gefräßigkeit! Und was für eine Geschichte entfaltet sich da vor den Augen des Lesers! Voller origineller Einfälle, voll spannender wie gefährlicher Situationen, bestückt mit den merkwürdigsten Gestalten, skurrilen Lebensformen, witzigen Dialogen, irrer Technik, so ausgefeilt und im wahrsten Sinne des Wortes außerirdisch, dass ich als Leser ohne technisches Vorwissen oder gar Verständnis und sowieso, gelinde gesagt, ungeübt in Sachen Science Fiction, Mühe hatte, einigermaßen mitzukommen, zu verstehen, was sich da eigentlich zutrug und was die Hightech-Apparate überhaupt bewirken sollten. Das aber störte meinen Spaß an der turbulenten, geistreichen, geradezu genialen Geschichte, der ich darüberhinaus viel Tiefe und Weisheit attribuieren möchte, in keiner Weise. Die drei Hauptfiguren sind so grundverschieden, wie sie mit all ihren Eigenheiten einnehmend und überzeugend sind. Die Wandlung des zimperlich-zögerlichen und zu Beginn blassen und konturlosen Pastors ist überraschend, aber sehr glaubwürdig und befriedigend. Sein tiefer Glaube gerät zwar gewaltig ins Wanken während seiner halsbrecherischen Himmelfahrt duch das erstaunlich vielseitige, kunterbunte und phantasiereiche Universum des Autors Mikael Lundt, aber er ist so ehrlich, so tief und gefestigt, dass er nicht nur allen Stürmen trotzt, sondern sogar noch fester wird.
Und wenn der verschrobene Pfarrer aus Schrobengrün, in dem am Ende nichts mehr so sein wird wie am Anfang des fröhlich-nachdenklichen Science-Fiction-Romans, schließlich sogar zum Helden und Retter des Universums oder der Galaxie – so recht habe ich das nicht mitbekommen und es ist auch gar nicht so wichtig – wird, dann erfreut das nicht nur die Leser sondern auch seine Mitstreiter, zu denen sich gleich bei ihrer Ankunft auf einer heruntergekommenen Raumstation, auf der sich allerhand übles Gelichter tummelt, auch noch der hilfsbereite und teamfähige Formenwandler, Händler und Profiteur Kheel hinzugesellt hat!
Summa summarum: mein erstes Science-Fiction-Abenteuer (tatsächlich, denn dieses Genre habe ich zuvor noch nie zu meinem Lesestoff gemacht!) war ein durchschlagender Erfolg! Ich habe mich ohne Abstriche durchweg aufs Beste unterhalten gefühlt, konnte es, einmal – und mit einigen Vorbehalten – begonnen, nicht mehr aus der Hand legen und fand es bei allem Humor, der immer im Hintergrund lauerte, spannend von Anfang bis Ende und so voller sprühender Einfälle, dass ich ganz gewiss künftighin genauer hinsehen werde, sollte mir mal wieder ein Roman dieses Genres über den Weg laufen. Zumal, wenn er aus der Feder des Mikael Lundt stammt!