Ein hochherrschaftliches Weihnachtsfest voll bissigen Humors und Situationskomik
"Schöne Bescherung auf Compton Bobbin" von Nancy Mitford erschien erstmals 1932 (Originaltitel Christmas Pudding); in deutscher Übersetzung wurde der Roman nun erstmals bei Schöffling & Co. (HC, geb., ...
"Schöne Bescherung auf Compton Bobbin" von Nancy Mitford erschien erstmals 1932 (Originaltitel Christmas Pudding); in deutscher Übersetzung wurde der Roman nun erstmals bei Schöffling & Co. (HC, geb., 233 S.) 2024 in Übersetzung aus dem Englischen von Vera Regul veröffentlicht. Da ich eine andere Buchreihe über die Mitford-Schwestern gelesen habe, war hier mein Interesse geweckt. Nancy Mitford (1904-1973) war die älteste von 6 Schwestern, die der Ehe des 2. Baron Redesdale und Sydney Bowles entstammte. Im Gegensatz zu einigen ihrer berühmten Schwestern stand sie dem Faschismus kritisch gegenüber und stellte sich in den Dienst ihres Landes, was sie mir um einiges sympathischer erscheinen lässt als z.B. Unity Mitford, die als Hitler-Anhängerin galt und sich in dessen Umfeld gerne aufhielt.
Der Gesellschaftsroman von Nancy Mitford, der um die Weihnachtszeit und an den Weihnachtstagen vermutlich Ende der 20er Jahre spielt, nimmt den Leser mit in die schönen Cotswolds, wo Amabelle Fortescue, Ex-Kurtisane und Freundin von Paul Fotheringay, Walter und Sally Montheath, Jerome Field, Michael Lewes (um nur einige zu nennen) ein Cottage namens Mulberry Farm anmietet, um die Weihnachtszeit und den Beginn des Neuen Jahres dort mit ihren Freunden zu verbringen. Das Haus ist in der Nähe von Compton Bobbin gelegen, in dem Lady Bobbin, Mutter von Roderick (Bobby) und Philadelphia Bobbin, das Regiment nach dem Tod ihres Mannes führt. Sie liebt einzig ihre Hundemeute, ist tieftraurig, dass sie wegen einer Maul- und Klauenseuche nicht wie gewohnt zur Jagd gehen kann und schart wie an jedem Weihnachtsfest den Clan der Bobbins um sich, um die Feiertage möglichst fröhlich mit ihnen zu verbringen (was allerdings nicht immer gelingt, was an den zusammengewürfelten, unterschiedlichen Gästen liegen mag). Da sie jedoch die Kosten in einem gewissen Rahmen halten muss, entfallen das Feuerwerk an Silvester und der Champagner: Stattdessen gibt es Bier und Cidre (bis auf die Ausnahme eines kleinen erwählten Kreises, die sich auch in Bobbys Zimmer diverser Cocktails erfreuen können; was auch gerne in Anspruch genommen wird. So nimmt man mit dem Bobbin Clan und im Cottage bei Amabelle Fortescue an den Bräuchen an den Weihnachtstagen teil: Lady Bobbin liebt alle südenglischen und auch deutschen Bräuche, die immer in Anwendung kommen; bei Amabelle geht es lustig zu, denn hier treffen sich (zu Spielen und Gesprächen mit diversen Drinks) Bobby und sein "Hauslehrer" Paul Fotheringay alias Paul Fisher:
Dieser hat sein Début veröffentlicht, das auch vielgelobt wird - allerdings ganz anders, als der Autor sich dies vorstellte: Sein Werk (Kuriose Kapriolen) war durchaus ernst gedacht, wird jedoch als Schmunzellektüre bei den LeserInnen verbucht, was Paul sehr kränkt. Als Amabelle ihm rät, eine Biografie zu schreiben, fragt er bei Lady Bobbin an, da er die Tagebücher der Vorfahrin und Dichterin Lady Maria Bobbin lesen wolle (über sie gab es bis dato sehr wenig). Da dieses Ansinnen jedoch nicht auf Gegenliebe stößt, müssen sich Amabelle, Bobby und Paul etwas anderes ausdenken....
Wovon Lady Bobbin nicht die geringste Ahnung hat und so nehmen viele skurrile und mit sehr britischem Humor versehene Begegnungen zu Weihnachten ihren (oft unvorhergesehenen) Lauf: Wir erleben Paul zu Pferd, lauschen manchem Heiratsantrag und sind erstaunt, dass eine der HauptprotagonistInnen selbst letztendlich (nochmal) ans Heiraten denkt. Diese lustigen Episoden bringen immer wieder in den Dialogen einen sehr humorvollen, aber auch hinterfragenden Kontext, der den Leser schmunzeln lässt. Manches fand ich einfach nur köstlich zu lesen und sehr authentisch für die englische Welt der Adligen um diese Zeit, die langsam dem Untergang geweiht war; anderes machte mich auch betroffen, da die Dekadenz so mancher Zeitgenossen nicht zu übersehen bzw. zu überlesen war. Der Ton Nancy Mitfords und ihr Schreibstil gefielen mir sehr, da zwischen den Zeilen eine kritische Autorin nie zu vermissen war und vieles bewusst noch etwas überzeichnet dargestellt wurde.
Fazit:
Scharfzüngig und entlarvend nimmt Nancy Mitford, selbst diesem gesellschaftlichen Stand angehörend, die britische Upper Class der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts mit Hilfe des "Bobbin Clans", die sich zu jedem Weihnachtsfest auf Compton Bobbin trifft, gekonnt auf die Schippe; an bissigem Humor und einer köstlichen Portion Situationskomik fehlte es ihr nicht. Voller Lokalkolorit und historischer Authentizität, einigen schrägen (wenn auch adeligen) Charakteren gereicht der Roman besonders in der kommenden Advents- und Weihnachtszeit mit einem Augenzwinkern zu meinen persönlichen Empfehlungen. 4*