Eines dieser seltenen Bücher, die in Erinnerung bleiben und Wurzeln in einem schlagen
Eine Anthropologin wird auf einer Forschungsreise von einem Bären angefallen und schwer verwundet, nur knapp überlebt sie den Biss in den Kopf. Was folgt, ist eine Odyssee durch diverse Kliniken Frankreichs, ...
Eine Anthropologin wird auf einer Forschungsreise von einem Bären angefallen und schwer verwundet, nur knapp überlebt sie den Biss in den Kopf. Was folgt, ist eine Odyssee durch diverse Kliniken Frankreichs, ihres Heimatlandes, wo die Ärzte sich nicht nur die Klinke in die Hand geben, sondern auch vehement gegenseitig widersprechen, arrogant die eigenen Methoden als beste Lösung anpreisen. Auf diese Art kann sie nicht heilen, das spürt Nastassja Martin, ihr Körper wehrt sich, sperrt sich, alles fühlt sich falsch an. Was in der Wildnis von Kamtschatka verletzt wurde, kann in der westlichen Zivilisation nicht gesunden, das Wilde, das in sie eingedrungen ist, kann sich nur von innen heraus erholen, aus eigener Kraft. Verwundung und Heilung sind untrennbar miteinander und mit der Natur verbunden, alles ist im Einklang, im Fluss. Was die Autorin erlebt hat, das weiß sie, war keine zufällige Begegnung, sondern vielmehr ein intuitives Aufeinanderzubewegen von Mensch und Tier, ein gegenseitiges Erkennen, eine Verbindung der Existenzen, wobei ein Teil des Einen unwiderruflich im Anderen zurückgeblieben ist. Und so kehrt sie zurück an den Ort der Metamorphose und beginnt zu erkunden, erspüren, was sie braucht, welcher Weg innere und äußere Heilung für sie bedeutet.
„Mein Körper nach dem Bären, nach seinen Krallen, mein Körper im Blut und ohne den Tod, mein Körper voller Leben, voller Fäden und Hände, mein Körper in Gestalt einer offenen Welt, in der sich vielfältige Wesen begegnen, mein Körper, der sich mit ihnen, ohne sie wiederherstellt; mein Körper ist eine Revolution.“ S. 68
Ich habe diesen starken, autobiographischen Essay bereits vor Monaten gelesen und musste ihn erst einmal sacken lassen. Heute stehen die Worte mir immer noch erstaunlich klar vor Augen, „An das Wilde glauben“ ist eines dieser seltenen Bücher, die in Erinnerung bleiben und Wurzeln in einem schlagen. Aus dem Französischen übersetzt von Claudia Kalscheuer.