Tolles Debüt
"Ich muss gestehen: Mein Großvater war mir nie wichtig. Genauso, wie ich ihm nie wichtig war – dachte ich zumindest, lange Zeit."
Als Natalie Buchholz die Tagebücher ihres verstorbenen Großvaters findet, ...
"Ich muss gestehen: Mein Großvater war mir nie wichtig. Genauso, wie ich ihm nie wichtig war – dachte ich zumindest, lange Zeit."
Als Natalie Buchholz die Tagebücher ihres verstorbenen Großvaters findet, begibt sie sich auf Spurensuche in dessen Lebensgeschichte und die Geschichte ihrer Vorfahren.
Es ist ein Eintauchen in das Leben eines Mannes, zu dem sie stets ein kühles und distanziertes Verhältnis hatte. Auch in seinen Tagebüchern lässt der Großvater kaum Emotionen aufkommen. Diese Lücke muss die Autorin selbst füllen, durch Recherchen, durch die Erzählungen ihrer Mutter und mit ihrer Fantasie.
"Ich frage mich, ob mein Großvater etwas dagegen hätte, dass ich seine nüchternen Fakten mit meiner Fantasie mische."
So ist ein Text entstanden, der sich an der Realität, an dem wahren Leben des Großvaters, entlang hangelt, der sich aber stellenweise in die Fiktion hineinwagt und diese oftmals selbst als solche entlarvt. Der Roman wirkt wie ein Mosaik aus Episoden, Eindrücken und Erinnerungen, die in kurzen Kapiteln wiedergegeben werden. Buchholz versteht es, kritisch zu bleiben, die Aufzeichnungen und das Erlebte ihres Großvaters nicht auf ein Podest zu heben, sondern es kritisch zu hinterfragen.
"Grand-papa" zeichnet sich neben seiner markanten Erzählweise aber auch durch seine Thematisierung von Krieg und Identität aus. Denn der Großvater gehört zu der Generation, die beide Weltkriege miterlebt hat. Und das in einer Region, die zutiefst von den Kriegen geprägt wurde, nämlich im Elsass und in Lothringen. Sein Leben ist ein Spiegel der bewegten Geschichte dieser Region. Der ständige Wechsel zwischen Identitäten, Nationalitäten, Zugehörigkeiten, Sprachen, Verpflichtungen... bestimmt das Leben der Bevölkerung.
"Mein Großvater hat Glück mit seinem Namen. Er verliert nur ein 'e' und ein 'y'. Aus Anatole wird Anatol. Aus 'Frey' wird 'Frei'."
Das Buch führt vor Augen, wie wichtig Frieden und Völkerverständigung sind, zwischen Deutschland und Frankreich und einfach überall. Denn das Gegenteil führt zu zersplitterten Schicksalen, zu Verfeindungen und zu der Unfähigkeit der Annäherung und des Verständnisses.
Für mich ist "Grand-papa" ein Debüt, das einer Entdeckung wert ist und das auf mehr hoffen lässt!