Ein mutiges und wichtiges Buch
Die Autorin ist approbierte Ärztin. Homöopathie und TCM hatte sie zusätzlich erlernt und angewandt. Insofern ist sie einzuschätzen als Kennerin der herkömmlichen bzw. modernen Medizin ebenso wie einiger ...
Die Autorin ist approbierte Ärztin. Homöopathie und TCM hatte sie zusätzlich erlernt und angewandt. Insofern ist sie einzuschätzen als Kennerin der herkömmlichen bzw. modernen Medizin ebenso wie einiger Alternativverfahren. Und genau das macht die Gewichtigkeit des vorliegenden Buches aus, denn die Autorin weiß sehr genau, wovon sie spricht. Sie führt keinen Glaubenskrieg, sondern mit kritischem Verstand und hoher Kompetenz geht sie das mit so viel Glauben, Irrglauben, Heilsversprechen oder Vorurteilen besetzte Thema an: unser Gesundheitssystem im weitesten Sinn.
Das Buch ist eine geschickte, verständliche und immens wichtige Aufklärung für den interessierten Leser, denn erst ein möglichst umfassend informierter Patient ist in der Lage, ernst gemeinte Selbstverantwortung zu übernehmen. Er wird durch das Buch in die Lage versetzt, Glaubenssätze von belegten Erkenntnissen zu unterscheiden und aufgrund dieser Erkenntnisse seine Entscheidungen zu treffen. In vielen verschiedenen Facetten beleuchtet die Autorin unser Gesundheitssystem. Finanzielle und politische Aspekte, wissenschaftliche Forschung, Krankenkassen bzw. Solidarsystem sind nur einige der vielen Begriffe, denen die Autorin sich zuwendet. Besonderes Augenmerk richtet sie auf die sogenannte Alternativmedizin und betrachtet eine Reihe der wissenschaftlich nicht belegten Methoden in Ausführlichkeit und – wie überhaupt – im gesamten Buch – unter Hinzuziehung einer Fülle von entsprechender Literatur. Wer dieses Buch sorgsam liest, erkennt sehr genau, was in unserem derzeitigen Gesundheitssystem und in Wissenschaft und Forschung Großartiges geleistet wird, aber auch, worin ein essentieller Mangel besteht und wie die Alternativmedizin auf geschickteste Weise genau diesen Mangel „benutzt“, um sich in den Vordergrund zu spielen.
Dem Buch sind viele Leser zu wünschen, die bereit sind, ihre eigenen Vorurteile (wer hat die nicht) zu hinterfragen und sich mitdenkend zu öffnen für eine kritische Auseinandersetzung mit unserem Gesundheitssystem, das besser ist als sein Ruf. Erst anhand umfassender Information, verbunden mit einer inneren Aufgeschlossenheit, ist man in der Lage, echte Selbstverantwortung für seine Gesundheit zu übernehmen und Stammtisch- bzw. Illustriertenweisheiten nüchtern zu widerstehen.
Die Autorin schreibt teils ironisch, teils bitter ernst, immer aber dem Leser wohlwollend zugewandt und verständlich. Sie hilft dabei, eine saubere Trennung von Begrifflichkeiten vornehmen zu lernen, um nicht unkritisch den in der Alternativmedizin so häufig benutzten Wörtern wie „Ganzheitlichkeit“, „Immunabwehr stärken“ u. v. m. jenseits der Naturgesetze zu begegnen. Wie sagte Eckhard von Hirschhausen ganz richtig: „Die Wissenschaft hat die Magie aus der Medizin vertrieben, aber nicht aus uns Menschen.“ Dr. Natalie Grams hilft uns mit dem vorliegenden Buch sehr umfassend, unsere eigenen magischen Vorstellungen und Wünsche zu entlarven und uns zu dem klaren Weg der evidenzbasierten Medizin und damit zu wissend-kritischem Vertrauen zurückzuführen,
Leider weckt die Covergestaltung völlig falsche Erwartungen an das Buch. Ein werbewirksames fröhliches Gesicht mit Zahnpastalächeln will uns den Titel „Gesundheit“ verkaufen. Anhand des Titelbildes geht man von einem weiteren 08/15-Ratgeber aus. Weder der Titel selbst noch die Gestaltung deuten darauf hin, dass es sich um sehr wichtiges, gründlich recherchiertes und sehr mutiges Buch handelt, das äußerst sorgfältig und praxisnah die Bedeutung von Wissenschaft und Evidenz in der Medizin beleuchtet.