Eine Hommage an eine starke Frau und Mutter
[TW: True Crime, Femizid, psychische Gewalt, Rassismus]
Die Pulitzer-Preisträgerin Natasha Trethewey beschreibt ihre Kindheit im von Rassismus geprägten Süden der USA. Ein wichtiger Ankerpunkt in ihrem ...
[TW: True Crime, Femizid, psychische Gewalt, Rassismus]
Die Pulitzer-Preisträgerin Natasha Trethewey beschreibt ihre Kindheit im von Rassismus geprägten Süden der USA. Ein wichtiger Ankerpunkt in ihrem Leben spielt dabei ihre Familie. Als sich ihre Eltern eines Tages scheiden lassen, zieht ihre Mutter Gwendolyn mit ihr nach Atlanta. Die harmonische Zweisamkeit der beiden endet schnell, als ein neuer Mann in Gwendolyns Leben tritt. Das Zuhause, wie Natasha es bisher kannte, existiert seit diesem Zeitpunkt nicht mehr. Sie wird von dem neuen Mann ihrer Mutter, den sie selbst "Big Joe" nennt, psychisch schikaniert. Dabei entwickelt das junge Mädchen für sich Strategien, wie es mit diesem Missbrauch umgehen kann. Nachdem Natashas Bruder Joey zur Welt kommt, den sie Jahrzehnte lang für ihren Stiefbruder hält, wird Big Joe auch Gwendolyn gegenüber gewalttätig.
Natasha Trethewey beschreibt über ihren Umgang mit Trauer und ihre Jahrzehnte anhaltenden Schuldgefühlen. Dabei holt sie durch ihre pure Authentizität ihre Leserschaft ab und lässt diese an sehr persönlichen Gedanken teilhaben. "Memorial Drive" ist mehr als eine Hommage an ihre Mutter. Sie ist auch Zeugnis einer Gesellschaft, in der Gefahren wie Femizide, wie es hier der Fall ist, überhaupt möglich sind. Trethewey bezeugt dies nicht nur anhand ihrer eigenen Erinnerungen, sondern auch mit Dokumenten aus der Fallakte ihrer Mutter. Darunter finden sich Transkripte aus Telefonaten zwischen Gwendolyn und Big Joe, aber auch ein handgeschriebenes Dokument von Gwendolyn. In diesem legt sie dar, wie gewalttätig die Beziehung mit Big Joe wirklich für sie war und dass er sie schon Jahre vor ihrem Tod mit eben diesem bedrohte. Ich kann mir den Schmerz kaum vorstellen, mit dem Natasha Trethewey diese Geschichte aufgearbeitet haben muss. Dabei ist ihre Sprache klar und pointiert und verliert dabei nie ihre gefühlvolle Art. Denn in erster Linie ist diese ein Buch über ihre junge Mutter, die bis zu ihrem Lebensende für sich und ihre Kinder voller Stärke und Liebe einstand.
"Memorial Drive" hat mich zutiefst berührt. Ich möchte hierfür gerne eine Leseempfehlung aussprechen, jedoch bitte nur für Leser*innen, die auch mit Themen wie True Crime, Rassismus und Femizid umgehen können.