Fesselnd bis zur letzten Seite
„Als Kind hatte ich meinen Vater als einen sehr strengen, autoritären Mann erlebt. Arnold bestimmte, er war das Gesetz und Widerworte durfte es nicht geben. Menschliche Wärme und väterliche Zuneigung waren ...
„Als Kind hatte ich meinen Vater als einen sehr strengen, autoritären Mann erlebt. Arnold bestimmte, er war das Gesetz und Widerworte durfte es nicht geben. Menschliche Wärme und väterliche Zuneigung waren mir gänzlich fremd.“ So beschreibt Autor Nikolaus Münster seine Kindheitserinnerungen. Warum sein Vater so war, hat er erst bei der Aufarbeitung von dessen Lebensgeschichte erfahren.
Dieses Buch ist das Ergebnis von Forschungsarbeiten und einer peniblen Auseinandersetzung mit der Lebensgeschichte eines Mannes, der aufgrund seiner kommunistischen Gesinnung während der NS-Zeit acht Jahre seines Lebens in Haft war. Dass sich ausgerechnet dieser Mann in Lilly Curtius, eine Frau, die ein Kind von einem verheirateten nationalsozialistischen Klinikdirektor hat, verliebt, ist wohl eine große Ironie des Schicksals.
Das Buch gliedert sich in drei große Teile, die sich zuerst jeweils Arnold und danach Lilly allein und anschließend dem Paar nähern. Nikolaus Münster entdeckt dabei einen ganz anderen Menschen als jenen, den er kennt. Er lernt einen zutiefst traumatisierten, intelligenten und zerrissenen Mann kennen, der auch der neuen Bundesrepublik mit gebotener Skepsis begegnet, den der Ungeist des alten Regimes ist nach wie vor in den Köpfen der Menschen vorhanden.
Meine Meinung:
Diese Annäherung an die bislang unbekannte Seite seines Vaters macht betroffen. Das „ohrenbetäubende Schweigen“ hallt noch lange nach. Üblicherweise sind die Kinder von NS-Opfern noch zu nahe am Geschehen, um sie aufarbeiten zu können. Meist ist es die Aufgabe der Enkel, die Vergangenheit der Eltern und Großeltern zu durchforsten.
Doch Nikolaus Münster ist es sehr gut gelungen, die Lebensabschnitte seines Vaters zu rekonstruieren. Dabei ist das umfangreiche Handarchiv von Arnold ein wahrer Schatz.
Sehr gelungen, weil außergewöhnlich, ist das Cover: Das Foto der von Bomben zerstörten Stadt steht Kopf, so wie die Welt des Autors nach der Aufarbeitung der Geschichte seines Vaters vermutlich Kopf gestanden ist.
Fazit:
Gerne gebe ich dieser Hommage an einen fast vergessenen Widerstandskämpfer und verkannten Vater, die an manchen Stellen fordernd, weil sie verstörend, ist, 5 Sterne.