„Lagune“ ist die erste deutsche Veröffentlichung der nigerianisch-amerikanische Schriftstellerin Nnedi Okorafor. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um ihren Erstling. „Lagune“ kann der Science Fiction-Literatur als auch dem magischen Realismus zugeordnet werden, einer eher unbekannten literarischen Gattung bei der die Grenzen zwischen Realität und Fantasie stark verwischt werden. Elemente aus Kultur, Mythologie, Religion, Geschichte und Geographie werden hier vermischt und führen so zu einer „magischen“ realitätsbild.
Inhalt
Vor der Küste Lagos steigt der Meeresspiegel mehr und mehr an und auch die Meeresbewohner verändern sich. Grund hierfür sind Außerirdische die mit ihren Raumschiffen auf dem Meeresgrund landen. Die „Besucher“ sind gekommen, um die Menschheit von Grund auf zu verändern und in ein neues Zeitalter zu führen. Die Meeresbiologin Adaora, der Rapper Anthony und der Soldat Adu erleben die Ankunft der Entsandten Ayodele am Bar Beach mit. Ihnen ist es bestimmt, die Menschheit auf die bevorstehende Veränderung vorzubereiten.
Leseeindruck
Der Einstieg in die Handlung beginnt sehr magisch und ungewöhnlich und bereitet den Leser damit auf das vor was ihn den ganzen Roman über erwartet. Aus der Sicht eines Schwertfisches wird geradezu märchenhaft und überirdisch von der Ankunft der Außerirdischen berichtet.
Auch die beiden anderen Akte der in drei Akte unterteilten Geschichte werden jeweils aus der Sicht eines Tieres erzählt, die auch an anderer Stelle der Handlung einen Platz einnehmen.
Alle weiteren Kapitel und Szenen werden aus der Sicht verschiedenster Protagonisten erzählt. Die Erzählperspektive wechselt mit jeder Szene, es werden immer wieder neue Charaktere eingeführt die die Geschehnisse dieser Ankunft aus ihrer Sicht berichten. Ein Pfarrer, ein Kleinganove, ein Mitglied der schwarzen Fluid-Gender-Bewegung, natürlich den drei Hauptprotagonisten und viele weitere.
Dieses viele Springen zwischen den Erzählperspektiven fand ich zu Beginn schwierig, da die Protagonisten deswegen – und auch wegen der eher ungewöhnlichen Erzählweise – merkwürdig distanziert bleiben. Wenn man sich dem ungewohnten Erzählstil und der wenig bekannten Gattung des magischen Realismus öffnet, so ergibt die ganze Handlung nach und nach ein perfektes Gesamtbild, alle Erzählperspektiven sind miteinander verbunden und geben so einen sehr anschaulichen Bericht einer Zeitspanne von nur 24 Stunden in der sich für die Menschheit alles verändert.
Den darum geht es der Autorin hier, dem Geschehen, ihrer Stadt Lagos und der nigerianischen Mythologie und Religion die sie überall im Roman mit in die Handlung einfließen lässt. Das was passiert steht im Vordergrund, die Ankunft der „Besucher“ und was sie mit den Menschen macht, in ihnen auslöst, nicht den einzelnen Menschen selbst.
Die Ankunft verbreitet sich in Windeseile über ganz Lagos und ruft Menschen auf den Plan die die Außerirdische Ayodele zu ihrem einen Vorteil nutzen wollen, um Geld, Macht oder Aufmerksamkeit zu erringen. Das Chaos bricht mehr und mehr in den Straßen aus, wo man geht und steht herrscht Gewalt.
Diese Gewalt zeigt Okorafor schonungslos dargestellt, das Buch eignet sich also nicht für schwache Nerven.
Die Gewalt spitzt sah mehr und mehr zu während die Motive der Außerirdischen nach und nach offen gelegt werden, bis sich die Geschichte in einem letzte, Höhepunkt der Spannung befriedigend ausflosst.
Fazit
Zunächst war der ungewöhnliche Erzählstil der sehr kafkaesk anmutet und auch die Literaturgattung für mich sehr befremdlich und ich brauchte etwas um mich in der buch zurechtzufinden bzw. es verstehen zu können. Dann hat mich die Geschichte jedoch gepackt. Durch eben jenen fremden Erzählstil wirkt die Handlung trotz ihrer übersinnlichen Elemente sehr realistisch und greifbar.
Ich finde es bewundernswert, wie die Schriftstellerin es schafft die gesamte Handlung trotz der vielen verschiedenen Erzählperspektiven zu einem dichten Handlungsteppich zu verweben in dem wirklich alles ineinander greift. Nichts passiert zufällig, alles gliedert sich in frühere Geschehnisse ein bzw. wird später wieder aufgegriffen.
Mir hat das Buch, nachdem ich mich diesem fremdartigen öffnen konnte, letztendlich sehr gut gefallen und ich würde jederzeit wieder ein Buch der Autorin lesen.
Wer auf der Suche nach einem klassischen Science Fiction-Roman ist, der wird von diesem Buch enttäuscht sein. Zwar ist die Handlung klassischer ScFi, durch die Erzählweise des magischen Realismus wirkt sie jedoch ganz anders. Befremdlich realistisch. Mich hat das Buch stark an andere Vertreter des magischen Realismus wie Salman Rushdie erinnert.