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Veröffentlicht am 11.02.2020

Cooler Comic

Die dicke Prinzessin Petronia
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Kurzmeinung:
Die dicke Prinzessin Petronia von Katharina Greve ist ein frecher, sarkastischer und sehr unterhaltsamer Comic über die dicke Prinzessin Petrunia, die etwas frustrierte und sehr einsame Cousine ...

Kurzmeinung:
Die dicke Prinzessin Petronia von Katharina Greve ist ein frecher, sarkastischer und sehr unterhaltsamer Comic über die dicke Prinzessin Petrunia, die etwas frustrierte und sehr einsame Cousine des kleinen Prinzen.

Meine Meinung:
Was für ein cooler Comic. In vielen kleinen Episoden verfolgen wir das Leben von Prinzessin Petrunia. Sie wurde von ihren Eltern, Herrschern über das ganze Universum, aus dem gemeinsamen Schloss geschmissen und auf einen eigenen, kleinen Planeten verbannt. Dort ist sie ziemlich einsam und so sucht Petrunia nach Wegen, sich die Zeit zu vertreiben. Dabei stellt sie kluge, ironische Überlegungen über das Leben an, teils voller Weisheit, teils voller Sarkasmus.

Frech, sarkastisch, klug. Prinzessin Petronia ist nicht nur die unbeliebte Cousine des bekannten "Kleinen Prinzen", sondern außerdem die außergewöhnliche Protagonistin dieses schönen Graphic Novels. In abgeschlossenen kleinen Episoden verfolgen wir, was Petronia auf ihrem kleinen Planeten so erlebt und können ihre witzigen, teils bissigen und sarkastischen Kommentare und kluge Weltanschauungen genießen.

Auch die Zeichnungen sind sehr cool. Sie rufen, ähnlich wie die Gestaltung des Covers Assoziationen zu "Der kleine Prinz" wach. Insgesamt sind sie aber sehr viel modernen und frecher. Außerdem gibt es zahlreiche Anspielungen an andere visuelle Eindrücke. Sei es eine Seite, die wie das Prospekt einer bekannten Elektrotechnikmarkts aussieht, oder eine, die wie eine Vorlage aus einem Bastelbuch gibt. Genau wie die Texte sind auch die Bilder voller Anspielungen und laden zum assoziieren und interpretieren ein.


Fazit:
Die dicke Prinzessin Petronia von Katharina Greve ist ein schöner, kurzweiliger Comic, bei dem es viel zu entdecken und viel zum Nachdenken gibt. Er hat bei mir einen Nerv getroffen, ist cool, aktuell, witzig und klug. Und macht einfach Spaß zu lesen.

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Veröffentlicht am 13.01.2020

Eine Astronautin gibt Einblicke in den außergewöhnlichsten Job der Welt

Die lange Reise
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Kurzmeinung:
In "Die lange Reise – Tagebuch einer Astronautin" gibt die ESA Astronautin Samantha Christiforetti Einblick in einen der außergewöhnlichsten Jobs der Welt. Vom strengen Auswahlverfahrne über ...

Kurzmeinung:
In "Die lange Reise – Tagebuch einer Astronautin" gibt die ESA Astronautin Samantha Christiforetti Einblick in einen der außergewöhnlichsten Jobs der Welt. Vom strengen Auswahlverfahrne über die anstrengende Ausbildung bis zum aufregenden Aufenthalt im All lässt uns die Autorin teilhaben. Teils etwas langatmig, aber dann auch wieder wirklich spannend und fesselnd.



Meine Meinung:
Bei diesem Buch hatte ich gemischte Gefühle. Christoforettis Erlebnisse sind sehr interessant und besonders ihr Aufenthalt auf der ISS, der Internationalen Raumstation, fand ich unglaublich spannend. Diese Seiten habe ich regelrecht verschlungen. Leider bilden sie nur einen relativ kleinen Teil des Buches und die Seiten bis dahin haben sich teilweise sehr in die Länge gezogen. Sehr ausgiebig berichtet Christiforetti vom langen Weg, bis man Astronautin werden kann. Vom aufwändigen Auswahlverfahren, den zahlreichen Trainings, Tests und Reisen. Auch diese Aspekte fand ich zwar spannend, allerdings sind die Beschreibungen in so großer Ausführlichkeit geschildert, dass es für mich irgendwann etwas zäh wurde. Wenn zB sehr viele Namen von den vielen Menschen genannt werden, die Christoforetti getroffen hat, die ich aber alle nicht kenne. Auch die vielen Trainings und Tests werden sehr ausführlich beschrieben. Das gewährt zwar interessante Einblicke, aber man sollte sich schon wirklich sehr für die Raumfahrt interessieren, damit dieses Buch was für einen ist. Allerdings habe ich so auch viel Neues über die Raumfahrt gelernt. Zum Beispiel, dass die Aufgaben eines Astronauten, neben dem Flug vor allem Öffentlichkeitsarbeit bestehen. Und der eigentliche Aufenthalt im All nimmt ja im Verhältnis zur Beschäftigung bei NASA oder ESA nur eine geringe Zeit in Anspruch.

Viel Zeit nimmt natürlich auch erstmal die Ausbildung in Anspruch. Die Schilderungen von Christoforetti haben mir wirklich vor Augen geführt, welche unglaubliche Leistung Astronauten vollbringen. Nicht nur während des Aufenthalts auf der ISS, sondern auch schon im Training. Ich habe von diesen enormen Anforderungen gelesen, sowohl körperlich als auch psychisch, und kann mir kaum vorstellen, wie man das schaffen kann. Es setzt wirklich ein großes Maß an Leistungsbereitschaft voraus und ich denke, man muss auch einige Opfer bringen.

Das es sich für Samantha Christoforetti lohnt, merkt man aber auf jeder Seite, denn sie erzählt mit so viel Begeisterung und Stolz von ihren Erlebnissen und Leistungen. Für sie war es ein langer, schwieriger Weg, voller Anstrengungen, Erfolgserlebnisse, aber auch Rückschlägen, an dem sie uns intensiv teilhaben lässt.

Christoforetti thematisiert auch die Stellung der Frau in der Raumfahrt und auch die mögliche Diskriminierung. Samantha selbst hat keine negativen Erfahrungen gemacht, berichtet aber reflektiert von den Möglichkeiten. Diese Aspekte fand ich auch sehr spannend.

Mein absolutes Highlight waren aber dann die ca. 100 Seiten, in denen Christoforetti von ihrem Aufenthalt auf der ISS erzählt. Von der Arbeit dort, der Forschung, aber auch vom Alltag in der Schwerelosigkeit. Sie schreibt von den tollen Erlebnisse, aber auch von den Gefahren eines Lebens im Weltraum. Darüber hätte ich gern noch viel, viel mehr gelesen.

„Ein Experte ist jemand, der in einem sehr begrenzen Bereich bereits alle möglichen Fehler gemacht hat.“ Niels Bohr (S.121)



Fazit:
Das Buch lässt mich etwas zwiegespalten zurück. Das Thema ist unglaublich spannend, allerdings schildert die Autorin das Auswahlverfahren und viele technische Details wirklich sehr ausgiebig und detailliert, so das für mich auch einige Längen entstanden sind. Die Beschreibung ihrer Zeit auf der ISS ist aber so interessant, dass ich die Seiten verschlungen habe. Das hat mich für alle Kritikpunkte entschädigt.

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Veröffentlicht am 17.11.2019

Gelungene Fortsetzung

Die Zeuginnen
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Kurzmeinung:
"Die Zeuginnen" von Margaret Atwood ist eine spannende Geschichte, eine interessante Dystopie und eine sehr gelungene Fortsetzung des großartigen Romans "Der Report der Magd".

Meine Bewertung:
Ich ...

Kurzmeinung:
"Die Zeuginnen" von Margaret Atwood ist eine spannende Geschichte, eine interessante Dystopie und eine sehr gelungene Fortsetzung des großartigen Romans "Der Report der Magd".

Meine Bewertung:
Ich muss zugeben, dass ich etwas skeptisch war. "Der Report der Magd" fand ich so, so gut und ich hatte meine Zweifel, ob die Autorin an dieses Meisterwerk würde anknüpfen können. Und der Klappentext hat mich auch nicht sonderlich überzeugt.
Doch zum Glück habe ich dem Buch eine Chance gegeben und Atwood hat mich mal wieder von ihrem Können überzeugen können.

Atwood widersteht der Versuchung, direkt an den riesigen Cliffhanger anzuknüpfen, mit dem sie "The Handmaid's Tale" hat enden lassen. Die Geschichte setzt einige Jahre später ein und dreht sich auch nicht mehr um Desfred, die Protagonisten aus dem vorangegangenen Roman, sondern um, wie der Titel schon verrät, drei Zeuginnen, die über die weitere Entwicklung und schließlich den Verfall des totalitären Gottesstaates Gilead berichten.

Zum einen erzählt ein zunächst noch junges Mädchen vom Aufwachsen in Gilead. Hier erhalten wir Einblicke in die Gedanken einer jungen Frau, die seit ihrer Geburt in Gilead lebt und kein anderes System kennt. Wir erfahren viel über ihren Glauben, der ihr Kraft gibt, aber auch über ihre Zweifel und die Ängste, angesichts der großen Ungerechtigkeiten, mit denen sie dieses misogyne System konfrontiert.

Die zweite Zeugin ist eine junge Frau, die in Kanada aufwächst und uns eine Außenperspektive auf Gilead ermöglicht. Wie wird der Staat in den benachbarten Ländern wahrgenommen? Wie reagieren die Regierungen. Wir erfahren etwas über Kriege, die andere Länder mit Gilead führen oder geführt haben. Über diplomatische Methoden. Über Flüchtlingsunterkünfte für die Frauen aus Gilead und über die Untergrundorganisation "Mayday", die die Zeit nach der Handlung von "The Handmaid's Tale" überdauert hat.

Die für mich spannendste Zeugin war die schon aus "Report der Magd" bekannte und berüchtigte Tante Lydia. War sie im vorangegangenen Roman hauptsächlich zur Schreckensfigur stilisiert, wird sie nun zur fassbaren Person, bekommt einen Hintergrund, Motive. Es lassen sich Schattierungen und Graustufen erkennen, statt nur schwarz und weiß. Ich fand es sehr interessant mehr darüber zu erfahren, wie diese zuvor vollkommen normale Frau, aufgewachsen und sozialisiert in dem uns bekannten Amerika, zur berüchtigten Tante Lydia wurde.

Die Geschichte Gileads wird plausibel weitererzählt. Die Perspektivwechsel zwischen den drei Zeuginnen sind gelungen und haben mir gut gefallen. Die drei verschiedenen Handlungsstränge sind spannend und Atwood verwebt sie nach und nach miteinander bis zu einem rasanten Schlussteil, der mich nur so durch die Seiten hat fliegen lassen.


Fazit:
"Die Zeuginnen" von Margaret Atwood hat mir gut gefallen. Zwar kann es nicht ganz an den großartigen Roman "Der Report der Magd" heranreichen, ist aber dennoch eine gelungene Fortsetzung und entwickelt die Geschichte des misogynen Gottesstaats Gilead plausibel weiter. Die Schicksale der drei Zeuginnen sind spannend erzählt und lassen sich sehr gut lesen. Denn Atwood ist eine großartige Erzählerin und das merkt man auch in ihrem neuen Roman "Die Zeuginnen". Ich kann euch die Geschichte sehr empfehlen, aber ich würde dazu raten, zuerst "Report der Magd" zu lesen, da einem sonst schon einige Hintergrundinformationen fehlen und die Geschichte eventuell weniger spannend ist.

Veröffentlicht am 17.11.2019

Informativ und unterhaltsam

Herr Sonneborn geht nach Brüssel
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Kurzmeinung:

"Herr Sonneborn geht nach Brüssel" ist ein wirklich unterhaltsames Sachbuch, welches den Leser:innen auf humorvolle Weise näher bringt, wie das europäische Parlament funktioniert und was ...

Kurzmeinung:

"Herr Sonneborn geht nach Brüssel" ist ein wirklich unterhaltsames Sachbuch, welches den Leser:innen auf humorvolle Weise näher bringt, wie das europäische Parlament funktioniert und was hinter den Kulissen abläuft. Eines meiner Highlights in diesem Jahr!



Meine Meinung:

Ich würde mich als durchaus politikinteressierten Menschen beschreiben. Ich schaue Nachrichten, informiere mich im Internet und versuche, in einem angemessenen Rahmen auf dem Laufenden zu bleiben. Sachbücher über Politik habe ich bisher aber kaum gelesen. Zu trocken, zu staubig und unnötig kompliziert erschienen sie mir meist. Als Zielgruppe kamen mir da immer alte weiße Männer mit Kordjackett mit Lederflicken an den Ellbogen in den Sinn.

Ganz anders ist es jedoch mit "Herr Sonneborn geht nach Brüssel". Viele werden Martin Sonneborn als Chefredakteur des Satiremagazins "Titanic" kennen. Oder aus Satireformaten im Fernsehen, wie der Heute Show. Da kommen einem Adjektive wie "trocken" oder "staubig" nun wirklich nicht in den Sinn. Sondern sein lockerer, humorvoller, sarkastischer Ton, den man von ihm kennt -und genau so hat er auch dieses Buch geschrieben. Mit viel Humor und jeder Menge bissigen Kommentaren erklärt er den Leser:innen die Hintergründe und Funktionsweise des EU-Parlaments. Klärt auf über die Arbeit in Ausschüssen und Gremien, über Abstimmungen, Lobbypartys und Auslandsreisen. Ich habe durch dieses Buch viel über die EU gelernt. Zum Beispiel darüber, wie Gelder verteilt werden, wie neue Gesetze entstehen, wie die Arbeit der Abgeordneten ganz praktisch aussieht und welchen Einflüssen sie unterliegen. Und auch auf die Absurdität der teils wirklich überbordenden Bürokratie macht Martin Sonneborn mit Hilfe der Satire aufmerksam.

Die interessanten Informationen und Fakten sind gespickt mit lustigen Anekdoten und solchen, bei denen einem das Lachen im Halse stecken bleibt. Es hat mich ziemlich schockiert, wie viel Korruption, Absprachen und Einflussnahme etc es im EU-Parlament gibt. Dieses Buch ist dann eben doch nicht nur zum Lachen, sondern hat mich teilweise auch echt wütend und fassungslos gemacht. Sonneborn versteht es großartig, mit satirischen Mittel auf absurde bürokratische Regeln oder politische Missstände aufmerksam zu machen.

Teilweise konnte ich seinen Humor zwar nicht teilen und sehe einige Passagen auch wirklich kritisch, z.B. seine Reproduktion von von Sexismus und Rassismus. Das ist einfach etwas, was ich auch für satirische Zwecke nicht ok finde und ich nicht drüber lachen kann. Aber insgesamt fand ich seine Aktionen gut und denke, dieses Buch ist sehr gut geeignet, um den "normalen Bürger*innen" auf sehr unterhaltsame Art und Weise Politik und die Funktionsweise demokratischer Prozesse näherzubringen.



Fazit:

"Herr Sonneborn geht nach Brüssel" ist ein sehr informatives und gleichzeitig unterhaltsames Buch über Europapolitik –von Abstimmungen im Parlament über Geschäftsreisen bis hin zu Geschichten aus dem Hinterstübchen und den Einfluss von Lobbyismus und Korruption. Martin Sonneborn zeigt mit satirischen Mitteln die Absurdität der überbordenden Bürokratie auf, aber macht gleichzeitig deutlich, warum sich diese EU trotzdem lohnt.

Eine Empfehlung für alle, die sich für europäische Politik interessieren. Und eigentlich auch für alle, die das eigentlich nicht so sehr tun, sich aber gern unterhalten lassen.

Veröffentlicht am 06.11.2019

Familie, Karriere und Hass im Netz –viele Themen spannend verwoben.

Fake
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Kurzmeinung:
Fake von Frank Rudkoffsky ist eine wirklich großartige Geschichte. Interessante und authentische Charaktere, viele aktuelle Themen und insgesamt einfach echt gut erzählt. Ich habe jede Seite ...

Kurzmeinung:
Fake von Frank Rudkoffsky ist eine wirklich großartige Geschichte. Interessante und authentische Charaktere, viele aktuelle Themen und insgesamt einfach echt gut erzählt. Ich habe jede Seite dieses Buches genossen und ich kann jetzt schon sagen, dass es eines meiner Jahreshighlights 2019 ist! Einziger kleiner Kritikpunkt: das die Geschichte nicht länger war. Ich hätte gern noch viel länger die Entwicklung von Jan und Sophia verfolgt.

Meine Meinung:
Dieses dünne Büchlein erzählt eine große Geschichte und ich bin wirklich einfach nur begeistert. Ich bin sofort gut in die Geschichte reingekommen und war von Anfang an gefesselt. Die Charaktere werden sehr schön detailliert vorgestellt, so konnte ich mir schnell ein Bild machen. Mit Sophia habe ich sofort mitgelitten. Sie ist hatte eine tolle Karriere, einen Job, den sie gern gemacht hat, hat Vollzeit gearbeitet, ist in ihrer Freizeit mit Freunden ausgegangen. Ihr Leben hat sich radikal, als sie Mutter geworden ist. Man steigt in die Geschichte ein, in dem man Sophia dabei begleitet, sich an diese veränderten Umstände anzupassen. Wie sie den Wechsel von Vollzeitarbeitskraft zu Vollzeitmutter vollzieht und ihr Alltag statt aus Geschäftsmeetings, aus Babygeschrei und Windeln wechseln besteht. Ich finde es total großartig, wie der Autor es hinbekommt, sich so gut in die Perspektive hineinzuversetzen und das dann auch so gut wiederzugeben, dass ich als Leserin gleich mitgenommen wurde. Außerdem hat es mir wirklich gut gefallen, wie die Charaktere und die Dynamiken in den Beziehungen dargestellt werden, dass der Roman fast schon Züge einer Charakterstudie hat, trotzdem aber auch die Handlung nicht zu kurz gekommen ist und auch diese mich gefesselt hat. Auch den Schreibstil mochte ich sehr. Sehr ehrlich, authentisch. Neid, Sarkasmus, Wut, Scham –all das hat seinen Platz in der Geschichte und die Charaktere sind sehr echt, haben Ecken und Kanten und sind kein bisschen stereotyp.

Der zweite Protagonist ist Jan, der als Journalist arbeitet. Sein Leben hat sich durch das gemeinsame Baby weniger radikal verändert, doch nach und nach taucht man auch in seine Gefühlswelt immer weiter ein und lernt seine Probleme kennen. Den Leistungsdruck und die Unsicherheiten im Job, dass schlechte Gewissen, seine Freundin mit dem Kind alleine zu lassen.

Der Perspektivwechsel zwischen diesen beiden Figuren ist absolut gelungen.
Die Dynamik zwischen den Jan und Sophia ist sehr spannend. Die Beziehung ist im ständigen Wechsel. Erst bleibt Sophia mit dem Kind daheim, ist frustriert, erschöpft und macht Jan vorwürfe. Dann ist Jan daheim, muss seine Karriere hinten an stellen und auf Sophia lastet der Druck und die Scham, nicht beiden –Karriere und Familie– gerecht werden zu können. Durch den Stress leben beide eher nebeneinander als wirklich miteinander.

Interessant fand ich auch die Einblicke in die Arbeit als Journalist und den Aspekt, wie verführerisch es sein kann, die Geschichte zu schreiben, die man im Kopf hat, die viele Klicks bringt, statt die, die man wirklich erlebt hat. In Jans Abschnitten musste ich an Relotius denken. Damals konnte ich das überhaupt nicht nachvollziehen. Wie man so was machen kann. Als Journalist so sehr seine Werte und das, wofür man steht, verraten. Den "Lügenpresse" Rufenden Futter geben. Aber Rudkoffsky hat mir Jan und seine Motive so nahe gebracht, hat ihn und sein Handeln für mich nachvollziehbar werden lassen.

Daneben werden in diesem relativ dünnen Buch noch so viel mehr Themen behandelt. Es geht um die Anonymität und den Hass im Netz, darum, wie es ist, in eine andere Rolle schlüpfen zu können. Es geht um Lügen und um Verantwortung. Um Karriere und Familie. Um Liebe. Um #regrettingmotherhood.

Am Ende fand ich es nur schade, dass das Buch so schnell ausgelesen war. Ich hätte noch ewig die Geschichte von Jan und Sophia verfolgen können. Nicht, weil es so eine wohlfühl Geschichte ist, sondern weil es sich so echt und nah anfühlt. So authentisch, als wäre ich mitten in ihrem Wohnzimmer dabei und könnte gebannt beobachten, wie sich die beiden immer weiter in ihre Lügen verstricken, während ich mit einer Packung Popcorn gespannt das Geschehen verfolge. Der Autor hat mir die Figuren so nah gebracht.

Fazit:
Fake von Frank Rudkoffsky ist ein großartiger Roman. Es greift aktuelle Themen auf, hat interessante und authentische Charaktere und ist unglaublich gut geschrieben. Ich habe jede Seite dieses Buches genossen. Es hat mich gepackt und gefesselt und schaudern lassen. Auf jeden Fall eines meiner Jahreshighlights!