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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.09.2017

Was uns nicht umbringt

Sommer unseres Lebens
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Der Roman Sommer unseres Lebens von Kirsten Wulf ist ein frischer Sommerroman, der eine wunderschöne Freundschaft zwischen drei Frauen beschreibt. Die Frauen Hanne, Claude und Miriam haben an ihrem gemeinsamen ...

Der Roman Sommer unseres Lebens von Kirsten Wulf ist ein frischer Sommerroman, der eine wunderschöne Freundschaft zwischen drei Frauen beschreibt. Die Frauen Hanne, Claude und Miriam haben an ihrem gemeinsamen 25. Geburtstag den Pakt geschlossen, dass sie sich an ihrem 50. wieder in Portugal am Strand treffen. Das Buch beginnt mit Hanne und ihrem turbulenten Familienleben. Man merkt schnell, dass sie, genau wie die anderen Freundinnen, den Urlaub und das Strandfoto nicht vergessen hat. Schon auf den ersten Seiten wird klar, dass mehr hinter diesem Foto steckt und jede der Frauen ihr Geheimnis hat. Die Beschreibung des Alltags der verschiedenen Leben ist gelungen, eine geheimnisvolle Stimmung schwingt beim Lesen immer mit. Die damalige Reise nach Portugal war von allen eher eine Kurzschlusshandlung. Man lernt die Personen nach und nach kennen und erfährt wie sie zusammengefunden haben. Durch einen Zufall bzw. Unfall haben die drei Freundinnen nach kurzer Zeit kein Handy mehr. Abgeschnitten von der Umwelt erleben sie alles noch viel intensiver, auch ihre Freundschaft und die damit verbundenen Probleme. Als Leser freut man sich, dass die drei wieder zusammengefunden haben. Sie landen in runtergekommenen Zimmern, ihr Auto geht kaputt, trotzdem lassen sie sich die Freude nicht nehmen. Man spürt die Aufregung und die Lebensfreude, die alle umgibt. Dem Alltag entfliehen, gemeinsam auf Reisen gehen und Abenteuer erleben. Diese Sehnsucht weckt das Buch. Diese Freundschaft ist etwas Besonderes, die drei halten zusammen, auch wenn die Reise droht sich aufzulösen. Jede der Frauen macht sich auf dieser Reise Gedanken, alle haben mit aktuellen oder alten Damönen zu kämpfen und tragen ein mulmiges Gefühl in sich. Die Reise bekommt auf einmal einen ernsten Hintergrund und die Freundinnen brauchen einander noch mehr, als es am Anfang den Anschein machte. Die erste Reise von Miriam, Claude und Hanne veränderte ihr Leben, die zweite verändert nun 25 Jahre später auch wieder alles. Kein überraschendes aber dennoch ein schönes Ende. Ein erfrischender Sommerroman über eine tolle Freundschaft, die so manches Hindernis übersteht.

Veröffentlicht am 04.09.2017

Bissig

Töte mich
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Das Buch „Töte mich“ von Amélie Nothomb handelt vom Grafen Neville, dem eine Wahrsagerin verkündet, dass er auf seinem Gartenfest eine Person töten wird.
Der Roman beginnt bei der Wahrsagerin, da diese ...

Das Buch „Töte mich“ von Amélie Nothomb handelt vom Grafen Neville, dem eine Wahrsagerin verkündet, dass er auf seinem Gartenfest eine Person töten wird.
Der Roman beginnt bei der Wahrsagerin, da diese die Tochter des Grafen im Wald gefunden hat. „Auf Ihrem Fest werden Sie einen Gast töten“. Diese Aussage der Wahrsagerin erzeugt bereits nach wenigen Seiten Spannung, während des gesamten Buches fragt sich der Leser immer wieder, wer wohl das zukünftige Opfer sein wird. Die Wahrsagerin wirkt unsympathisch und arrogant. Der Graf verkörpert einen typisch adligen Snob.
Der Sprachstil des Buches ist bissig. „Doch die Vorstellung, dass er einen seiner Gäste töten könnte, entsetzte Neville. Das machte man nicht…“ Solch brillant-zynische Sätze findet man durchgehend im Buch.
Schon früh erfährt man, dass die Fassade des Grafen bröckelt, das Fest wird das letzte sein, da die Familie vor dem Bankrott steht. Die Gartenpartys verkörpern den Inbegriff von Luxus, aber auch bittere Armut. Der Graf musste als Kind hungern, macht die Feste sogar mitverantwortlich für den frühen Tod seiner Schwester. Trotzdem hält er an dieser Tradition fest.
Der Graf wirkt sympathisch und herrlich altmodisch, wenn er beispielsweise aufgebracht zum Briefbogen greift und das im Jahr 2014. Mit einer gehörigen Portion Selbstironie werden die Gäste der Party als geschminkte Greise und lärmende alte Fregatten bezeichnet. Der alte Adel wird hier nicht verschont mit bissigen Kommentaren. Graf Henri habe ich zu Beginn des Buches unterschätzt, er ist herrlich sarkastisch und unterhaltsam, besonders als er einen Plan ausarbeitet, um der Prophezeiung vorzugreifen. Seine Tochter Serieuse wächst dem Leser schnell ans Herz, sie ist überaus intelligent, aber auch sehr traurig und tragisch in ihrer Person. Sprichwörtliches Genie und Wahnsinn liegen hier nah beieinander. Bei ihr ist der Name Programm, sie schlägt sich selbst als Opfer vor, da sie mit ihrer wachsenden Depression sowieso kein Verlust für die Gesellschaft ist.
Das Buch ist tiefgründig und anspruchsvoll, gespickt mit herrlich bissigem Witz. Die Vater-Tochter-Dialoge sind ein wahrer Lesegenuss und das Ende ist zwar nicht gänzlich unerwartet, aber trotzdem sehr gut. Leider ist das Buch mit seinen 110 Seiten viel zu kurz geraten

Veröffentlicht am 04.09.2017

Geliebte Bowmans

Der Vater, der vom Himmel fiel
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Im Roman „Der Vater, der vom Himmel fiel“ von J. Paul Henderson geht es um die Familie Bowman. Lyle Bowman wird von einem Bus überfahren, erscheint seinem jüngsten Sohn nach seinem Tod aber noch einmal ...

Im Roman „Der Vater, der vom Himmel fiel“ von J. Paul Henderson geht es um die Familie Bowman. Lyle Bowman wird von einem Bus überfahren, erscheint seinem jüngsten Sohn nach seinem Tod aber noch einmal für 14 Tage, um die Familienangelegenheiten zu regeln.
Schon auf der Beerdigung von Lyle bekommt der Leser einen Eindruck, wie merkwürdig diese Familie ist. Die zwei Söhne Greg und Billy haben seit sieben Jahren nicht mehr miteinander gesprochen und treffen erstmals auf der Beerdigung wieder aufeinander. Greg gilt als das schwarze Schaf der Familie, während Billy die Rolle des vorbildlichen Pfadfinders innehat. Der Roman beginnt mit dem kurz und schmerzlosen Tod Lyles, gefolgt von einer Beerdigung, die schräger nicht sein könnte inklusive unfassbar lustiger Diskussionen mit dem Pfarrer über die Geschichten der Bibel.
Die Bowman Brüder haben ein schwieriges Verhältnis zueinander, begründet durch die Unterschiedlichkeit der beiden Geschwister und dem schwierigen Verhältnis zwischen Billys Frau Jean und Greg. Den Höhepunkt fand diese Feindschaft auf der Hochzeit von Jean und Billy, bei der Greg durch übermäßigen Drogenkonsum die Braut und beleidigt und damit nicht unbedingt die Familienbande stärkt. Dann gibt es noch Onkel Frank, eine herrliche Figur, er wirkt wie der Verbündete, der einem beim Lesen über den Buchrand schelmisch zuzwinkert. Jean und Billys Tochter Katy wirken so hohl, dass es schon weh tut, ihr Beitrag ist zum Glück so gering, wie es der Geschichte dienlich ist. Katy allerdings macht während des Buches zumindest den Ansatz einer Wandlung durch.
Das Buch sprüht vor Sarkasmus und Wortwitz. Begriffe wie „emotionales Nichtschwimmerbecken“ und Dialoge wie: „Was ist eigentlich ein Psycho?“fragte Kathy. „Mum meinte nämlich du bist einer“ machen dieses Buch zu einem herrlich erfrischenden Lesegenuss.
Als wäre die Familie Bowman nicht an sich schon schräg genug, taucht nun auch noch der Geist des Vaters auf, um Greg den Kopf zu waschen und seine unerledigten Familienangelegenheiten zu klären. In den Gesprächen zwischen Greg und Lyle geht es auch um ernste Themen wie Rassismus, Zuwanderung, Krankheit, Tod, Vergänglichkeit und Reue. Das Buch ist nicht nur witzig, sondern besitzt einen Tiefgang, den man erst nicht erwartet hätte. Herrlich auch die Anekdote aus dem Himmel, aufgebaut wie eine Behörde, wo Akten vertauscht werden und die Dienstleistungsorientierung der Beamten zu wünschen übrig lässt.
Henderson schafft es mich zu überraschen. Immer wenn man glaubt, das Maß an Absurdität ist voll, setzt er noch eine Schippe drauf mit der nächsten Anekdote. Darüber hinaus zieht sich die geheimnisvolle Frau wie ein roter Faden durchs Buch und sorgt immer wieder dann für Spannung, wenn man sie schon längst vergessen hatte.
Das Buch ist wie die Bowman-Liebe „stillschweigend, peinlich berührt, aber immer da“. Die Charaktere sind vielfältig, jede Figur im Roman hat seine eigene amüsante persönliche Störung. Jede Figur entwickelt sich im Laufe der Geschichte. Der kaltschnäuzige Griesgram Onkel Frank wächst einem widerwillig ans Herz. Das Ende ist so wie man es sich wünscht, man kann das Buch zufrieden ins Regal stellen. Man möchte nach dieser Lektüre aufstehen, das Leben genießen und mit lieben Menschen so Gespräche führen wie Greg und Lyle, bevor es zu spät ist. Man fragt sich selbst, wie man eine zweite Chance nutzen würde.
Klare Leseempfehlung. Diese Familie ist mir ans Herz gewachsen, weil man mindestens einen Verrückten dieser Art in der eigenen Verwandtschaft wiederfindet.