Habe aufgrund des Klappentextes etwas anderes erwartet, das Buch war dennoch gut
Die andere WeltZuallererst möchte ich erwähnen, dass dieses Buch ganz dringend eine Triggerwarnung braucht. Um nicht zu spoilern, werde ich die Triggerpunkte am Ende der Rezension nennen, so dass ihr sie bei Bedarf nachlesen ...
Zuallererst möchte ich erwähnen, dass dieses Buch ganz dringend eine Triggerwarnung braucht. Um nicht zu spoilern, werde ich die Triggerpunkte am Ende der Rezension nennen, so dass ihr sie bei Bedarf nachlesen könnt.
So viel erstmal dazu. Widmen wir uns dem Klappentext. Aufgrund des Klappentextes hatte ich mir eine gesellschaftskritische Betrachtung der Geschlechterrollen anhand einer emotionalen Geschichte erhofft. Diese habe ich so nicht erhalten, dafür aber eine Geschichte, die mich emotional ziemlich mitgenommen hat. Erwartung und Realität lagen in meinem Fall also ein wenig auseinander.
Louise und Louis sind ein- und dieselbe Person, einzig das Geschlecht unterscheidet die beiden. Julie Cohen führt den Leser aus Sicht der beiden Lous durch den Roman. Wir erfahren wie das Leben der weiblichen Lou verlaufen ist und wie das des männlichen Lous – quasi wie in zwei Parallelwelten.
Die Autorin hat ihnen die gleichen Startbedingungen gegeben. Gleiches Umfeld, gleiche sexuelle Neigung, gleiche Interessen und Hobbies.
Ich muss sagen, dass ich ein paar Startschwierigkeiten hatte. Zum Einen empfand ich das Buch zu Beginn ein wenig langweilig (es passierte einfach nicht viel), zum Anderen brauchte ich ein paar Kapitel, um gedanklich damit zurecht zukommen, dass die Autorin mal aus Louis’ Sicht, dann aus Louises Perspektive, aber auch aus Perspektive der Beiden zusammen (als wären sie doch zwei Personen) geschrieben hat.
Als Lou vom Vater dann aber zurück nach Hause gebeten wird, beginnt die Geschichte langsam mehr Tiefe zu bekommen und ab dem Zeitpunkt hatte sie mich dann auch. Einige Dinge waren zwar ziemlich vorhersehbar, dennoch wollte ich unbedingt wissen wie sich die Geschichte weiterentwickelt.
Zu dem Zeitpunkt ging es mir schon lange nicht mehr um das Gedankenexperiment der Autorin, wie allein das Geschlecht über das Leben eines Menschen bestimmen kann. Das ist relativ weit in den Hintergrund gerückt, da es – gemessen an meinen Erwartungen – eine eher untergeordnete Rolle gespielt hat. Der Fokus der Autorin lag für mich mehr auf den Tragödien und Erlebnissen, die die Charaktere geprägt haben. Sicherlich haben die teilweise auch etwas mit dem Geschlecht zu tun, doch die Emotionalität der Ereignisse hat mich beim Lesen stärker geprägt als das Genderthema.
Vom Schreibstil her ist das Buch sicher nicht jedermanns Sache. Ich habe meinem Mann einen kurzen Abschnitt vorgelesen und er empfand ihn als konfus und verworren. Teilweise empfand ich das beim Lesen ebenso, habe mich aber im Laufe des Buches ganz gut zurecht gefunden.
Die Autorin weiß auf jeden Fall wie man Emotionen an den Leser vermittelt – ich habe nicht nur einmal Tränen beim Lesen vergossen. Ich habe nur ab und an ein wenig den roten Faden vermisst, da recht viel in den Zeitebenen gesprungen wurde. Geschehnisse aus der Gegenwart haben sich mit denen aus der Vergangenheit vermischt und ich habe manchmal erst nach ein paar Sätzen gemerkt, dass wir uns wieder in der Gegenwart befinden.
Mir hat das Buch, trotz einiger Kritikpunkte, gut gefallen. Ich habe es geschafft meine Erwartungen, die ich aufgrund des Klappentextes hatte, in den Hintergrund zu stellen und mich neu auf die Geschichte einzulassen.
Wer den Diana Verlag kennt, wird sicherlich auch wissen, auf was für eine Art Geschichte er sich einlässt. Es geht eher in die Richtung Familiendrama in einer Kleinstadt (ohne das abwertend zu meinen) und ist gespickt mit vielen emotionalen, aber auch teilweise klischeebehafteten Szenen. Wem dies bewusst ist, der wird sicherlich viel Freude an dem Buch haben.
Fazit
Meine Erwartungen waren gänzlich andere und doch habe ich es geschafft mich auf das Buch einzulassen. Erhalten habe ich ein sehr emotionales und tiefgründiges Buch, das ich gerne gelesen habe.
Von mir gibt es daher gute 4 von 5 Sternen.
Triggerwarnung:
Tod (eines geliebten Menschen), Vergewaltigung, Missbrauch, Krebserkrankung und Suizid.