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Aglaja

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Veröffentlicht am 21.03.2023

nicht allein aus ihrer Sicht

Aus ihrer Sicht
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Alessandra ist das Mädchen, aus dessen Sicht dieses Buch geschrieben wurde.
Sie wächst in einem ärmlichen römischen Haushalt auf, zusammen mit ihren Eltern und der Hausdienerin.
Die Mutter, eine feinsinnige ...

Alessandra ist das Mädchen, aus dessen Sicht dieses Buch geschrieben wurde.
Sie wächst in einem ärmlichen römischen Haushalt auf, zusammen mit ihren Eltern und der Hausdienerin.
Die Mutter, eine feinsinnige Pianistin, die als Klavierlehrerin Geld verdienen muss ist ihre absolute Bezugsperson, der sie in jeder Hinsicht ähnlich ist.
Sie öffnet ihr die Augen und schärft ihre Sinne für die Umwelt, die Natur, das Leben der Frauen des Südens, wo man heiratet um Kinder zu bekommen, das Leben der Männer des Südens, die erst spät nach Hause kommen, erwarten, dass das Essen auf dem Tisch steht und die Hemden gebügelt sind. Die Männer, die ihr Leben getrennt von den Frauen führen, geschuldet der Tradition, der Erziehung, der Religion und der Armut, sind das ewige Thema.
Alessandras Eltern leben so.
Der Vater ist innerlich und äußerlich fern von den Frauen der Familie, ein kleiner Beamter, der keinerlei Interesse oder gar Verständnis hat für die Sensibilität und Feinsinnigkeit von Frau und Tochter, im Gegenteil, er verhöhnt, verlacht und verbietet sogar.
So sieht das Männerbild von Alessandra aus, bis sie jemanden heiratet, von dem sie will, dass er ganz anders sein soll.
Alessandra hat eine naive Vorstellung von der idealen Liebe, ähnlich der, wie man sie in den englischen Romanen des 19. Jahrhunderts findet, romantisch, mädchenhaft, märchenhaft, ewiges Verliebtsein, niemals sich ändernd. Sie soll nicht den Zwängen des alltäglichen Lebens unterworfen sein.
Alessandras Leben ist völlig verschieden von dem typischen Leben der damaligen italienischen Frau und doch ist es ihr nicht genug, sie will den Freiraum, den sie hat nicht selbst füllen. Sie will wahrgenommen werden, unbedingt reflektiert werden, in der Person ihres Geliebten. Sie ist übersensibel, sie steigert sich hinein in diese nicht zu stillende Sehnsucht nach dem absoluten Aufgehen in der Person des Geliebten. Bis zu einer tiefen Verzweiflung.
Ihr Mann lebt in seiner Männerwelt und kann ihr das was sie braucht nicht geben. Kein erfahrener Mensch ist um sie, der ihr das Leben erklären könnte.
Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf.

Alba de Céspedes hat ein Buch geschrieben vom Erwachsenwerden, vom Erwachsensein, ein Buch von Männern und Frauen, ein Buch von grundverschiedenen Arten zu leben, von früher und von heute und vor allem ein Buch von der Liebe, die, nicht richtig verstanden, zu einer großen Qual werden kann.
Ihr Buch erfüllt die Kriterien der guten Literatur: prodesse et delectare, nützen und erfreuen, belehrend und unterhaltend.

Unbedingt lesenswert ist im Nachwort die Analyse von Barbara Vinken.

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Veröffentlicht am 21.03.2023

spannend

Frankie
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Frank Thaler, 14 Jahre alt, lebt mit seiner "lieben apfelgesichtigen" Mama in einer Zweizimmer- Wohnung in einer Wiener Vorstadt. Beide verstehen sich gut miteinander, manchmal schläft Frank sogar im leeren ...

Frank Thaler, 14 Jahre alt, lebt mit seiner "lieben apfelgesichtigen" Mama in einer Zweizimmer- Wohnung in einer Wiener Vorstadt. Beide verstehen sich gut miteinander, manchmal schläft Frank sogar im leeren Ehebett bei ihr.
Beide verstehen sich gut miteinander, sie machen es sich gerne gemütlich bei gutem Essen und Tierfilmen.
Frank macht gern eine Freude, wenn kein Aufwand damit verbunden ist, sagt er, und er liebt das Nichtdenken.
Durch Nichtfragen, und lieber nicht wissen wollen hält man sich Gefühle und Probleme vom Leib.
Die Idylle wird gestört, als sie den Großvater aus dem Gefängnis abholen.
Er hat achtzehn Jahre abgesessen, aber wir erfahren nicht den Grund.
Er ist ein grober Mensch, der eine Wirkung auf Frank ausübt.

Ein schmaler Band, eine abstrakte Geschichte, die die Spannung bis zum Ende aufrecht erhält.

Ein Buch, das mich ratlos zurück gelassen hat. Wenn man die Werke des Autors kennt, seinen Ton und seine Art zu schreiben, wird man wahrscheinlich besser beurteilen können, wie er seinen Text gemeint hat, in welche Gattung es gehört.

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Veröffentlicht am 20.03.2023

exotisches

Der Geheimnishüter von Jaipur
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Die Autorin Alka Joshi hat eine Trilogie geschrieben, deren ersten Band wir schon kennen, es ist die Hennakünstlerin, deren leben hier im zweiten Band weiterverfolgt wird.
Liebe, Leid, Intrigen, Armut, ...

Die Autorin Alka Joshi hat eine Trilogie geschrieben, deren ersten Band wir schon kennen, es ist die Hennakünstlerin, deren leben hier im zweiten Band weiterverfolgt wird.
Liebe, Leid, Intrigen, Armut, Reichtum, Gold und gutes Essen sind die Zutaten, gewürzt mit vielen indischen Wörtern und Eigennamen, bei denen das Herz jedes romantischen Indienliebhabers höher schlägt. Wir kennen schon Jaipur, die Stadt in Rosa, in der wir juwelenbehangene Maharanis treffen und Männer, die Turbane in allen Regenbogenfarben tragen.
Wir schreiben jetzt das Jahr 1969 und die Protagonistin Lakshmi ist aus der heißen, staubigen Provinz Rajastan nach Shimla, dem ehemaligen Sommersitz der Engländer an den Hängen des Himalaya verzogen, wo sie mit ihrem Ehemann Dr. Kumar ein Hospital betreibt, zum Segen der Menschen um sie herum.
Da beginnt ein weiteres Abenteuer.

Eine unterhaltsame spannende Geschichte, die keinen Anspruch darauf erhebt, ein fundiertes Bild über die indische Gesellschaft zu liefern, oder gar zu großer Literatur gezählt zu werden.
Ein Unterhaltungsroman mit Lokalkolorit, der so oder anders überall auf der Welt seine Geschichte erzählen könnte.

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Veröffentlicht am 28.02.2023

Wovon leben wir?

Wovon wir leben
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Es wird nicht viel geredet in dem Dorf im Innergebirg, wo der Hausberg mit seinen langen Schatten vor der Sonne steht. Getratscht wird, doch das, was in der Tiefe der Seele vor sich geht, erzählt man sich ...

Es wird nicht viel geredet in dem Dorf im Innergebirg, wo der Hausberg mit seinen langen Schatten vor der Sonne steht. Getratscht wird, doch das, was in der Tiefe der Seele vor sich geht, erzählt man sich oft selbst nicht, Arbeit bestimmt das Leben.
Julia ist aus der Stadt zurückgekehrt in ihr Heimatdorf, die zwei schrecklichen Wörter arbeitslos und lungenkrank zieht sie hinter sich her. Sie will sich von ihrer Mutter trösten und pflegen lassen, doch die ist weg, hat den Vater sitzenlassen in dem trostlosen Dorf, wo es nicht einmal mehr eine Bäckerei gibt. Der Vater ist auch arbeitslos, die Fabriken haben zugemacht, für die Männer ist das Rauchen und Saufen im Wirtshaus geblieben.
Es herrscht ein rauer Ton, "es fehlt ihnen der Segen der Arbeit, der Dank der Ablenkung, damit es um nichts sonst gehen muss."
Da die Mutter nicht mehr da ist, soll Julia in Anspruch genommen werden.
"Wenn eine Frau ausfällt, muss die andere herhalten. So geht das Rezept zur alten und ewigen Suppe."
Der Vater und der Freund, beide haben Erwartungen an Julia, sie soll mit ihnen zum Wir werden, wo sie doch gerade erst auf dem Weg war ihr Ich zu finden. "Sie hat ein anderes spezifisches Gewicht."
Sie gerät in das Dilemma Pflicht und Verantwortung zu übernehmen, oder ihren eigenen Weg zu gehen, eine der schwersten Entscheidungen, vor die das Leben einen stellen kann.
Was ist das Richtige, oder darf man auch mal was Falsches tun?

In diesem Buch ist nicht die Rede von Feinsinn oder Schöngeist, es geht um das alltägliche harte Leben, das einem zugeteilt wird. Man hat keinen Einfluss darauf, in welches Elternhaus man hineingeboren wurde, man muss mit Krankheit und Schicksaschlägen zurechtkommen. Als Leser ist man froh, wenn man dort nicht leben muss, dass es einen selbst nicht getroffen hat.
Die Autorin hat mit ihren klugen Sätzen, ihren erfahrenen Beobachtungen, wie mit Hammerschlägen den Nagel auf den Kopf getroffen.
Die nüchterne Sprache in lapidarer Poesie trifft genau das Thema und die Umwelt des Buches.
Man sollte nicht den Hinweis der Autorin übersehen, in dem sie auf die Quelle ihrer Inspiration zu diesem Werk aufmerksam macht. Es sind wissenschaftliche Arbeiten der Sozialpsychologin Marie Jahoda über die arbeitende Klasse aus den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts.

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