Anatomie der Einsamkeit
Die Anatomie der EinsamkeitNachdem mir das erste Buch von Louise Pelt richtig gut gefallen hat, war ich gespannt auf ihren neuen Roman „Anatomie der Einsamkeit“. Der Aufbau erinnert an ihr Debüt: Es gibt wieder mehrere Hauptfiguren ...
Nachdem mir das erste Buch von Louise Pelt richtig gut gefallen hat, war ich gespannt auf ihren neuen Roman „Anatomie der Einsamkeit“. Der Aufbau erinnert an ihr Debüt: Es gibt wieder mehrere Hauptfiguren und verschiedene Zeitebenen.
In einem Erzählstrang geht es um Claire, eine Amerikanerin. Anfang der 2000er bekommt sie die Nachricht, dass ihre Zwillingsschwester Iris gestorben ist. Die beiden hatten schon lange keinen Kontakt mehr. Iris’ Tod wirbelt Claires Leben durcheinander. Sie reist zu dem Ort, an dem ihre Schwester zuletzt gelebt hat. Dort trifft sie Iris’ Freunde und beginnt, über ihr eigenes Leben nachzudenken. Nach und nach wird ihr klar, was ihr wirklich wichtig ist und was sie loslassen muss.
Der zweite Handlungsstrang spielt 20 Jahre später. Olive, eine englische Journalistin in ihren Dreißigern, sorgt sich um ihre Großmutter, die dement ist. Von ihr hat Olive einen alten Kompass geerbt. Dieser Kompass spielt eine große Rolle in der Geschichte. Olive hat beruflich bisher wenig Erfolg gehabt, doch nun will sie das unbedingt ändern. Sie geht zusammen mit einem Kollegen auf eine Reise quer durch Europa, um mehr über die Vergangenheit ihrer Großmutter herauszufinden. Denn bei einer Leiche in Hamburg wurde ein identischer Kompass gefunden – und Olive will wissen, was es damit auf sich hat.
Beide Frauen, Claire und Olive, haben ihr eigenes schweres Päckchen zu tragen. Beide müssen lernen, die Vergangenheit loszulassen und sich selbst neu zu finden und der Einsamkeit zu entkommen. Während des Lesens habe ich mich oft gefragt, wie diese beiden Geschichten wohl zusammenhängen. Lange Zeit gab es dazu keine Hinweise und das machte mich neugierig.
Mir persönlich hat der Teil über Claire deutlich besser gefallen. Ihre Geschichte wirkte glaubwürdiger und war eher berührend. Bei Olive hingegen hatte ich Mühe, einen Zugang zu finden. Sie kam mir oft zu naiv vor. Auch die eingebaute Liebesgeschichte fand ich vorhersehbar und unpassend. Dieser Teil der Geschichte fühlte sich für mich nicht stimmig an. Ich konnte auch nicht nachvollziehen, warum Olive so viel Aufwand wegen eines Kompasses betreibt. Warum ausgerechnet dieser sie so plötzlich antreibt. Nur weil bei einer Leiche irgendwo in Europa zufällig ein ähnlich aussehender Kompass gefunden wird, würde ich nicht gleich durch Europa reisen, um herauszufinden, was dahintersteckt. Das wirkte auf mich sehr konstruiert und wenig realistisch.
Auch das Ende hat mich ein wenig enttäuscht. Nach über 400 Seiten voller Details wurde alles viel zu schnell aufgelöst. Das Ende bzw. die letzten Kapitel wirkten gehetzt. Hier hätte man mehr daraus machen können.
Der Schreibstil war zwar flüssig und angenehm zu lesen, aber das Buch konnte mich stellenweise nicht wirklich fesseln. Oft wirkte es oberflächlich, und manche Passagen passten für mich einfach nicht ins Gesamtbild. Die Geschichte hatte schöne und emotionale Momente, aber insgesamt war sie für mich nicht rund. Es gab zu viele Stellen, die gezwungen oder unlogisch wirkten. Die Idee war spannend, aber die Umsetzung konnte mich leider nicht vollständig überzeugen.