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Veröffentlicht am 13.01.2019

"Nichts als Srup für den Geist" (S. 78, E-book)

Die Frauen vom Savignyplatz
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„Ich möchte einen Laden für Sirupbücher. Für Bücher, die nicht literarisch sind, nicht gut oder kritisch. Ich möchte Bücher verkaufen, die einfach glücklich machen. Eine gute Zeit schenken, einem das Gefühl ...

„Ich möchte einen Laden für Sirupbücher. Für Bücher, die nicht literarisch sind, nicht gut oder kritisch. Ich möchte Bücher verkaufen, die einfach glücklich machen. Eine gute Zeit schenken, einem das Gefühl geben, dass die Welt nicht ganz verloren ist. Bücher, die Kraft geben und Mut schenken – Sirupbücher eben.“ (S. 121/122, E-book)
Von so einem Laden träumt Vicky 1925 in Berlin. Dabei ist ihr eigenes Leben wirklich schon schwer genug: vier kleine Kinder, sie ist erneut schwanger, ein untreuer Ehemann, der die Scheidung möchte, abhängig von ihrem despotischen Vater, der ihr und ihrer Familie eine zwei-Zimmer-Wohnung vermietet... und das alles in einer Zeit, in der Frauen die Erlaubnis vom Ehemann (alternativ: vom Vater oder einem älteren Bruder) benötigten, um ein Konto zu eröffnen – geschweige denn einen eigenen Laden?! Aber sie ist der Meinung: „Warum soll ich als Frau lesen, wie ein Herr Döblin sich die Ehe mit einem gewalttätigen Ehemann vorstellt?“ (S. 79, E-book)
Tatkräftig arbeitet Vicky daran, sich ihren Traum vom „Sirupladen“ (sie will ihn aber so nicht nennen, weil sie dann Angst hätte, „dass dann ständig Leute vor der Tür stehen, die eine Saftbar erwarten.“) (S. 131, E-book)
Dies war mein erstes Buch von Joan Weng (und es wird garantiert nicht mein letztes sein!), ich bin großartig in die Geschichte gekommen. Etwas in Anlehnung an Falladas „Kleiner Mann – was nun?“ habe ich mich im Laufe der Geschichte immer wieder gefragt: „Kleine Frau – was nun?“, aber dies Buch strahlt weit mehr Optimismus aus... Die Autorin hat ihre Geschichte in die „Goldenen Zwanziger“ in Berlin gelegt (an manchen Stellen schimmert der Glamour auch tatsächlich etwas durch), aber sie beschreibt eher das Leben der Menschen, die außerhalb der illustren Gesellschaft stehen, die mit Wohnungsnot, Vorurteilen, chauvinistischen Ansichten und Armut zu kämpfen haben – und dies ist ihr wunderbar und einfühlsam gelungen! Ich fühlte mich förmlich in Vickys Leben einbezogen, am liebsten hätte ich ihr sofort angeboten, auch mal auf ihre Kinder aufzupassen... Auch haben mir die Hinweise auf Döblin, Tucholsky (und andere männliche Autoren) im Vergleich zu Courths-Mahler sehr gut gefallen und mich teilweise zum Schmunzeln gebracht... Spritzige Dialoge und amüsante Vergleiche runden den Lesegenuss perfekt ab. Vickys Schwierigkeiten mit dem Gedankengut des aufkommenden Nationalsozialismus passten und entsprachen dem damaligen Zeitgeist.
In einem Anhang erklärt die Autorin, dass sie sich um „historische Korrektheit“ bemüht habe und führt genau aus, wo sie ihrer Phantasie freien Lauf gelassen habe.
Im Nachhinein habe ich vorhin gerade gelesen, dass die Autorin zur Zeit aktuell über das Thema Frauenbild in der Literatur der Weimarer Republik promoviert – ja, die Beschäftigung mit diesem Thema ist deutlich zu merken – aber bravourös in einem Roman umgesetzt!
Kurz gesagt: „Die Frauen vom Savignyplatz“ ist ein Buch, was mich wirklich begeistert hat, es ist bedeutend mehr als nur „Sirup für den Geist“, denn in einem Punkt möchte ich das Eingangszitat von Vicky verändern: „Sirupbücher“ können (und müssen) auch gut sein! Und dieses Kriterium wurde hier voll und ganz erfüllt! Von mir gibt es eine absolute Leseempfehlung…

Veröffentlicht am 01.01.2019

London im Bombenhagel – und doch geht 1941 das Leben weiter...

Liebe Mrs. Bird
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Emmy sieht sich am Ziel ihrer Wünsche, als sie 1941 eine Stelle beim Evening Chronicle bekommt: ihrer Karriere als Kriegsberichterstatterin kann eigentlich nichts mehr im Weg stehen... Die Stelle erweist ...

Emmy sieht sich am Ziel ihrer Wünsche, als sie 1941 eine Stelle beim Evening Chronicle bekommt: ihrer Karriere als Kriegsberichterstatterin kann eigentlich nichts mehr im Weg stehen... Die Stelle erweist sich jedoch als ein Sekretärinnen-Job bei Mrs. Bird, der „Kummerkastentante“ einer Frauenzeitschrift, die auch schon Tage mit höherer Auflage erlebt hat. Und Mrs. Bird hat sehr eigenwillige Vorstellungen der Leserbriefe, die sie beantworten möchte, alle Briefe, sie sie als anstößig, inakzeptabel oder unerquicklich definiert, müssen geschreddert in den Papierkorb! Auch dürfen bestimmte Worte nicht in den Briefen erscheinen: „A-C: Affäre, amourös, atemlos, Bett, Bettjäckchen, Berlin... Die Liste war ellenlang. Wenn man las, wie Mrs. Bird moralische Verderbtheit umriss, konnten Sodom und Gomorrha einpacken.“ (S. 60) „Mrs. Bird sagte, sie musste diese Art von Unerquicklichkeiten 1911 nicht beantworten und sie hat nicht die Absicht, es jetzt zu tun“ (S. 63) wird Emmy bei der Einarbeitung erklärt.
Aber Emmy hat Mitleid mit den jungen Frauen, die Mrs. Bird um Rat fragen, sie sieht die Angst, Einsamkeit oder Verzweiflung dahinter... und beginnt deshalb, den Frauen selbst zu antworten und unterschreibt die Briefe als Mrs. Bird.
Gleichzeitig arbeitet Emmy nachts seit Beginn des Blitzkriegs als Freiwillige bei der Hilfsfeuerwehr, dort ist auch William, der Freund / Verlobte ihrer besten Freundin Bunty, tätig. Mit Bunty lebt Emmy auch zusammen in einer Wohnung, die deren Großmutter gehört. „Bei einem Luftangriff war es ein irrwitziger Spurt in den Anderson-Bunker im Garten, aber inzwischen waren wir daran gewöhnt und machten uns keine überflüssigen Sorgen.“ (S. 14)
Aber mehr will ich hier zum Inhalt nicht verraten...
AJ Pearce hat in ihrem Debütroman facettenreich den Londoner Alltag im Jahr 1941 beschrieben: die Angst vor den deutschen Bomben und den Umgang damit, die Rationierungen, die Sorgen um die Männer im Krieg – aber auch das ganz alltägliche Leben: trotz allem gehen Emmy und Bunty aus, besuchen Kinos und Tanzveranstaltungen, träumen von hübschen Kleidern, verlieben sich...
Freude, Liebe und Trauer liegen – wie so oft – eng beieinander, wir als Leserinnen sind schnell mitten im Geschehen und nehmen regen Anteil und werden Teil dieser Gemeinschaft. Wir schmunzeln, lächeln, staunen, erschrecken, trauern und weinen (ja, es gibt eine Stelle in diesem Buch, bei der mir die Tränen kamen) ... Aber es ist kein wirklich trauriges Buch, ich habe es eher als sehr lebensbejahend – trotz der widrigen Umstände – erlebt. Ich kann mich nur Annie Barrows, der Autorin von „Deine Juliet“, anschließen, die hinten auf dem Buchumschlag zitiert wird: „Eine rundum perfekte Geschichte“.
Der Schreibstil ist flüssig und angenehm zu lesen, die Kapiteleinteilung perfekt. Die Protagonisten waren mir zum allergrößten Teil sympathisch.
Dieser Roman hat mich nachhaltig beeindruckt, ich hoffe auf weitere Bücher dieser Autorin – deshalb gibt es von mir eine absolute und klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 04.12.2018

Einfach nur wunderschön...

Was man von hier aus sehen kann
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Offensichtlich gibt es bei Büchern auch die „Liebe auf den ersten Blick“ - Pardon: „Liebe auf der ersten Seite“... So ging es mir jedenfalls mit „Was man von hier aus sehen kann“ von Mariana Leky. Für ...

Offensichtlich gibt es bei Büchern auch die „Liebe auf den ersten Blick“ - Pardon: „Liebe auf der ersten Seite“... So ging es mir jedenfalls mit „Was man von hier aus sehen kann“ von Mariana Leky. Für mich war dieses Buch büchertechnisch gesehen mein absolutes Highlight im Jahr 2018 und es hat gute Chancen, einen Platz auf meiner „ewigen Liste“ der Lieblingsbücher zu finden!
Es beginnt am 18.April 1983, als Selma nachts von einem Okapi träumt, d.h. Jemand aus dem Dorf wird sterben... Selma ist die Großmutter der 10-jährigen Luise, der Hauptprotagonistin, die wir auf ihrem weiteren Lebensweg ein Stück begleiten dürfen. Wichtige Personen sind außer Selma und Luise deren Schulkamerad und Freund Martin, der Optiker (wir erfahren nur einmal seinen Namen), Elsbeth, Marlies, Frederick und weitere Personen in einem kleinen Dorf im Westerwald. Und natürlich Luises Eltern: ihre Mutter kann sich nicht entscheiden, ob sie ihren Mann verlassen soll und ihr Vater geht nach einer Psychoanalyse bei Dr. Maschke auf Weltreise. Aber durch diese Konstellation wächst Luise mehr oder weniger bei Selma auf, sie und der Optiker vermitteln Luise und Martin alles Wichtige, was man so zum Leben braucht („Der Optiker war fast jeden Tag da, von Anfang an. Er war aus meiner Sicht fast so steinalt wir Selma, und also auch hatte er die Welt mit erfunden.“ - S.27): Schleifen binden, Schwimmen, Fahrrad fahren, die Uhr („als wir die Uhr verstanden hatten, erklärte der Optiker die Zeitverschiebung gleich hinterher,...“- S.28) und Lesen wurde im Eiscafé der Kreisstadt gelernt: „‘Eisbecher Heimliche Liebe‘ war das erste, was ich lesen konnte. Wenig später las ich die Horoskope auf den Zuckertütchen vor,…“- S. 29).
Ich habe quasi zeitweise ebenfalls in diesem kleinen Westerwälder Ort gelebt, so vertraut waren mir die Personen. Ich habe mit ihnen gefühlt, gelacht, gehofft, getrauert, ich habe mich gemeinsam mit ihnen geängstigt und war verzagt über ihre Sorgen.
Der Schreibstil von Mariana Leky ist leicht und flüssig, sie beschreibt Alltagssituationen lakonisch - liebevoll und immer spürt man ein leichtes Augenzwinkern. Häufig musste ich schmunzeln, einmal sogar heftig lachen... Die Personen werden respektvoll und so detailliert beschrieben, dass sie mir deutlich vor Augen waren. Nach Beendigung des Buches regten „die großen Worte, die gelassen ausgesprochen“ wurden noch längere Zeit zum Nachdenken an, so auch über den Satz „Von der unbedingten Anwesenheitspflicht im eigenen Leben“, wie es hinten auf dem Buch steht.
Die letzten 50 Seiten habe ich gaaanz langsam gelesen, ich wollte einfach noch keine Trennung von den liebgewordenen Personen... Ich könne hier wahrscheinlich noch seitenweise Zitate von meinen ganzen Lieblingsstellen schreiben, das würde aber den Rahmen einer Rezension sprengen: Deshalb sage ich: lest es / lesen Sie es selbst – meine Leseempfehlung für das Jahr 2018!

Veröffentlicht am 02.12.2018

Wann hat Raquels letzte Stunde geschlagen?

Deine letzte Stunde
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Carlos Montero hat mit „Deine letzte Stunde“ ein Buch geschrieben, dass zwar spannend war, mich aber leider absolut nicht überzeugen konnte!
Raquel übernimmt als Vertretungslehrerin den Unterricht in Spanisch ...

Carlos Montero hat mit „Deine letzte Stunde“ ein Buch geschrieben, dass zwar spannend war, mich aber leider absolut nicht überzeugen konnte!
Raquel übernimmt als Vertretungslehrerin den Unterricht in Spanisch und Literatur für Elvira Ferreiro. „Alle haben sie nur Viruca genannt (S. 41). Raquel erfährt an ihrem ersten Arbeitstag, dass Viruca gestorben sei: war es Selbstmord oder gar Mord? An diesem Tag erhält auch sie ihre erste Drohung: „Und Du, wann stirbst Du wohl?“ (S. 56), das Ganze verziert mit einem Strichmännchen am Galgen! Inhaltlich werde ich hier nicht mehr verraten...
Natürlich versucht Raquel dieses Geheimnis zu lüften, aber nach meinem Empfinde „stolpert“ sie ohne klaren Plan von einer Situation zur nächsten. Sie handelt manchmal derart unlogisch und naiv, dass ich als Leserin zwischendurch das dringende Bedürfnis verspürte, zu Raquel in das Buh zu krabbeln, um ihr meine Meinung zu diesen teilweise sinnlosen Handlungsweisen mitzuteilen, sie mal „ordentlich auf den Topf zu setzen“. Aber es ist nicht nur Raquel, auch den anderen Protagonisten scheint phasenweise der gesunde Menschenverstand abhanden gekommen zu sein – und dies liegt nicht nur an den Drogen, die viel und häufig (für mein Geschmack: zu viel und zu häufig) konsumiert werden. Ich bin nicht „warm“ geworden mit den Figuren, vielleicht weil ich des Öfteren den Kopf über sie schütteln musste? Doch, ich hatte eine „Lieblingsfigur“ – aber gerade über sie habe ich leider sehr wenig erfahren!
Der Schreibstil von Carlos Montero ist flüssig und hat mir eigentlich gut gefallen. Er schafft es, den Spannungsbogen aufrechtzuerhalten, ich wollte bis zum Schluss die „Auflösung“ wissen. Ich glaube, ich habe im Laufe der Zeit alle Personen dieses Buches als „Böse“ verdächtigt, einschließlich der Randfiguren, die nur kurz erwähnt werden... Insofern hat dieses Buch wohl sein Ziel erreicht!
Aber (und ja: leider gibt es viele „aber“) es werden z.B. durchaus gesellschaftlich wichtige Themen angesprochen, aber quasi im „husch-husch“ Verfahren abgehandelt, etwas wie unter dem Motto: „Wie gut, dass wir auch darüber noch gesprochen haben“ - für mich als Leserin einfach etwas frustrierend!
Nein, wirklich weiterempfehlen kann ich dieses Buch nicht, ich möchte Carlos Montero evtl. nur zugutehalten, dass ich sein Buch falsch verstanden habe – immerhin hat dieses Buch 2016 in Spanien einen Preis erhalten!

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Veröffentlicht am 05.11.2018

Ganz schön verzwickt!

Eisenberg
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Ich hatte bisher noch kein Buch von Andreas Föhr gelesen, für mich war er eine überraschend positive Neuentdeckung!
„Eisenberg“ ist der erste Krimi einer neuen Reihe um die Rechtsanwältin Dr. Rachel Eisenberg, ...

Ich hatte bisher noch kein Buch von Andreas Föhr gelesen, für mich war er eine überraschend positive Neuentdeckung!
„Eisenberg“ ist der erste Krimi einer neuen Reihe um die Rechtsanwältin Dr. Rachel Eisenberg, die in München lebt und arbeitet.
Eine junge Studentin wird ermordet (Hinweis für „Zartbesaitete“: ich fand den Mord nicht besonders blutrünstig geschildert). Die Polizei findet schnell einen mutmaßlichen Täter: ein Obdachloser, der nach einem persönlichen Schicksalsschlag auf der Straße lebt. Rachel stellt fest, dass sie ihn persönlich kennt, sie sogar mal eine Liebesbeziehung hatten. Sie hat erhebliche Zweifel an der Täterschaft, zumal sie auch bald feststellt, dass sich die Polizei und die Staatsanwaltschaft schnell auf Heiko Gerlach – eben diesen Obdachlosen - „eingeschossen“ haben, ohne andere Spuren zu verfolgen...
Und nun beginnt für uns Leser ein glänzend gelungenes Verwirrspiel, so dass wir immer etwas orientierungslos den neuesten Entwicklungen hinterherhecheln... Und bitte, was haben Leonora und ihre Tochter Valentina denn mit dieser ganzen Angelegenheit zu schaffen?
Andreas Föhr hat es geschafft, den Spannungsbogen konsequent aufrechtzuerhalten und die ganze Geschichte logisch – bis hin zum vollkommen überraschenden Ende – zu erzählen... Alle losen Enden werden fein säuberlich verknüpft! Durch gute und passende Kapitelüberschriften sind wir als Leser immer perfekt im Bild, in welchem Handlungsstrang wir uns gerade befinden.
Rachel ist sicherlich eine talentierte Rechtsanwältin, die ich bestimmt gern beauftragen würde, wenn ich mal in Not geriete... Aber so ganz konnte ich einige ihrer Entscheidungen und Handlungen – sowohl beruflich als auch privat – nicht nachvollziehen, manchmal habe ich mich direkt über sie geärgert (na ja, wo steht eigentlich, dass wir die Protagonisten lieben müssen?). Einige Episoden über ihr Familienleben fand ich dagegen so gelungen, dass ich darüber schmunzeln musste, besonders die Kommunikation mit ihrer Tochter Sarah gefiel mir ausgesprochen gut – diese pubertierenden Mädchen...!
Alles in allem: ein gelungener Auftakt einer Reihe, der mir wunderbare Lesestunden beschert hat! Ich werde den weiteren Weg von Dr. Rachel Eisenberg mit Neugierde verfolgen und freue mich bereits jetzt schon auf die Lektüre des zweiten Bandes!