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Veröffentlicht am 19.02.2023

In den tiefen Abgründen von Gräbersberg...

Treibsand
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Ich kenne von Volker Dützer bereits seine historischen Romane „Die Unwerten“, „Die Ungerächten“ und seinen Krimi „Morgen bist Du tot“, die mir alle sehr gut gefallen haben. So habe ich relativ bedenkenlos ...

Ich kenne von Volker Dützer bereits seine historischen Romane „Die Unwerten“, „Die Ungerächten“ und seinen Krimi „Morgen bist Du tot“, die mir alle sehr gut gefallen haben. So habe ich relativ bedenkenlos zu „Die blinde Zeugin“ (überarbeitete Neuauflage des Buches „Treibsand“) gegriffen.
Samantha Baring (Sammy) ist eine junge Trickdiebin, die wohlhabenden Männern die Kreditkarten stiehlt, nachdem sie ihnen durch „Cool Reading“ die zugehörigen Geheimzahlen entlockt hat. Um an potenzielle Opfer zu kommen, arbeitet sie bei einem Catering-Service, der exquisite Feste ausrichtet. Sammys „Geschäft“ läuft so einigermaßen, sie hat schon einige Karten „eingesammelt“ - aber da beobachtet sie einen Mord in dieser illustren Gesellschaft... Zur Polizei kann sie aufgrund ihrer Vorgeschichte nicht so einfach, also sinnt sie auf andere Lösungen – nicht gerade „kluge“ Lösungen, wie ich fand... Es kommt zu einer wilden Verfolgungsjagd und durch einen Unfall erblindet Sammy. Sie wird vom Polizeiassistenten Mario Moretti gefunden, der in ihr eine wichtige Zeugin vermutet und sie seinem früheren Kollegen und neuerdings Privatdetektiv, Jan Stettner zur Betreuung (oder Bewachung?) übergibt.
Moretti und Stettner beginnen nun, den Mord zu recherchieren, Moretti mit den polizeilichen Hilfsmöglichkeiten und Stettner mit seinem großen Erfahrungsschatz. Es stellt sich heraus, dass wohl fast die gesamten Honoratioren der Ortes Gräberssberg in irgendeiner Weise in den „Sumpf der illegalen Machenschaften“ verwickelt sind / waren, wahre Abgründe erscheinen uns LeserInnen – nicht mal vor Morden wird zurückgeschreckt, die dann auch noch vom Leiter der Mordkommission und Stettners ehemaligen Chef und Widersachers gedeckt werden (könnten?)… Aber weitere Informationen werden hier nicht von mir verraten...
Der Schreibstil war – wie ich es von Volker Dützer gewohnt bin – flüssig und bildhalft, die teils sehr frauen- und menschenverachtende Sprache war wohl den handelnden Protagonisten aus Gräbersberg geschuldet. Die Ereignisse wurden aus unterschiedlicher Sicht geschildert, so dass der Spannungsbogen meist erhalten blieb.
Über einen längeren Zeitraum fand ich das Buch spannend, zwar teilweise etwas unrealistisch (konnte Sammy tatsächlich so blöd sein? Gab es in diesem Ort nur die eingeschworene Gemeinschaft? Musste es immer an den spannendsten Stellen ein Gewitter geben? Und was sollten die immer wieder erwähnten Raben bedeuten?), aber zum Teil auch amüsant (z.B. die Dialoge zwischen Stettner und Sammy). Aber den großen „Show-Down“ am Ende empfand ich nur noch ekelerregend, blutig und abstoßend und hatte wirklich große Schwierigkeiten, das Buch zu beenden. Ich glaube, da war ich nicht die richtige Zielgruppe für dieses Buch, die Geschmäcker sind ja bekanntlich unterschiedlich und andere LeserInnen werden sicherlich nicht meine Probleme haben. Mich hat dann zwar wieder der allerletzte Abschluss (realistisch!) und ein kluges Nachwort des Autors etwas versöhnt – aber ich und das Buch passten eben nicht zusammen...
Deshalb von mir an dieser Stelle nur eine eingeschränkte Leseempfehlung: für Fans starker und harter Thriller bestimmt ein Leseerlebnis, „Sensibelchen“ wie ich sollten eher lieber die Finger davonlassen!

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Veröffentlicht am 16.02.2023

Sophie, Hauke und ich im historischen Hamburg...

Der Henker von Hamburg
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Lang erwartet und endlich erschienen: Anja Marschalls 5. Band der Krimireihe um Hauke Sötje und seine Frau Sophie „Der Henker von Hamburg“. Gleich vornweg: man kann jedes Buch der Reihe einzeln lesen, ...

Lang erwartet und endlich erschienen: Anja Marschalls 5. Band der Krimireihe um Hauke Sötje und seine Frau Sophie „Der Henker von Hamburg“. Gleich vornweg: man kann jedes Buch der Reihe einzeln lesen, es sind in sich abgeschlossene Fälle. Aber ich persönlich nehme regen Anteil am Privatleben der Familie Sötje – vom Kennenlernen der beiden bis jetzt als Eltern der bald 2-jährigen Henriette – und da hilft natürlich die Reihenfolge!
Hamburg 1899: Sophie und Hauke sind im bürgerlichen und etablierten Leben der Hansestadt angekommen, sie haben eine große Wohnung, ein Kindermädchen und eine Köchin. Aber Sophie fühlt sich als Hausfrau und Mutter unterfordert, ihr fehlen die geistigen Anregungen, die Gespräche mit Hauke über seine Fälle, zu deren Lösung sie häufig beigetragen hat, während Hauke sie zur Zeit nur beschützen möchte. Sophie fühlt sich durch die herrschenden Konventionen eingeengt, „die Karriere ihres Mannes durch repräsentative Einrichtung“ zu fördern, kann doch nicht alles sein? So ist sie anfangs glücklich, dass die berühmte Opernsängerin Carlotta Francini sie als Vertraute wählt und viel Zeit mit ihr verbringen möchte – was wiederum Sophie in Gewissenskonflikte bringt, ob sie nicht Henriette dadurch vernachlässigt – und es deshalb vorsichtshalber Hauke nicht / zu wenig erzählt... Allerdings fallen Sophie (und uns LeserInnen) bald einige Ungereimtheiten in den Geschichten der Frau Francini auf...
Hauke hat drei Morde innerhalb kurzer Zeit aufzuklären, die anscheinend in irgendeiner Form zusammenhängen, aber wie und warum? Da einer der Ermordeten erhängt worden ist, bittet Hauke den preußischen Scharfrichter Friedrich Reindel um eine Expertise. „Mit seinem Zylinder auf dem Kopf, dem schwarzen Gehrock und dem Spazierstock, auf den er sich stützen musste, wirkte er fast wie ein vornehmer Herr aus dem Senat. Niemand, der ihm begegnete, ahnte, dass ein Henker das Haus am Neuen Wall besuchte.“ (S.168). Herr Reindel entpuppt sich als Mann mit hohem Berufsethos: “Wenn Sie mich fragen, spielte jemand Henker, der vielleicht ein wenig Wissen um das Handwerk besitzt, aber weder das Talent noch das Können. Ein Pfuscher.“ (S. 170)
Die Autorin beschreibt abwechselnd die Gefühle und Gedanken von Sophie und Hauke – und da beide miteinander „schmollen“ und sich nicht austauschen, sind wir Leser*innen klar im Vorteil – wir wissen einfach mehr...
Während sich Hauke mit Kriminalassistent Schröder (sympathisch, pfiffig) austauschen kann, steht Sophie mit ihren Gedanken allein da, denn „es war unschicklich, mortale Dinge dieser Art unter Frauen zu diskutieren.“ (S. 180)
Zum Inhalt will ich jetzt hier nichts weiter verraten, aber es bleibt bis zum Schluss hochspannend, denn mit einem dramatischen Show-Down erfahren wir die wahre Identität des Mörders – mit dem ich keineswegs gerechnet hatte...
Und wieder hat mich Frau Marschalls Schreibstil vollständig in seinen Bann gezogen, sie beschreibt Personen, Situationen, Umgebungen so bildhaft und anschaulich, dass ich immer das Gefühl hatte, ich sei Teil des Szenarios, so als hätte ich das Gästezimmer der Sötjes (sie haben bestimmt eines!) bezogen und würde sie auf ihren Wegen begleiten... Der Zeitkolorit wird wieder (wie in allen historischen Romanen der Autorin) vertieft durch kleine Zeitungsinserate / -artikel aus dem Jahr 1899, die den einzelnen Kapiteln vorangestellt sind. Und mich haben als Hamburgerin natürlich die detaillierten Ortsbeschreibungen fasziniert oder z.B. der Bau des Dammtor-Bahnhofes!
Wieder einmal ein wunderbarer und spannender historischer Krimi, der leider nur einen Nachteil hatte: er war viel zu schnell durchgelesen! Und klar: ich kann ihn jedem nur weiterempfehlen und möchte Anja Marschall zurufen: Bitte weiter so!

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Veröffentlicht am 12.02.2023

Olivias Weg zur Künstlerin...

Glasgow Girls
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Ich kenne von Susanne Goga jetzt (leider!!!) alle vorhandenen Leo-Wechsler-Romane (Krimi-Reihe aus Berlin der 1920-er Jahre) und einen ihrer historischen Romane „Das Haus in der Nebelgasse“ (ebenfalls ...

Ich kenne von Susanne Goga jetzt (leider!!!) alle vorhandenen Leo-Wechsler-Romane (Krimi-Reihe aus Berlin der 1920-er Jahre) und einen ihrer historischen Romane „Das Haus in der Nebelgasse“ (ebenfalls empfehlenswert!). Nun jetzt also ihr neuestes Buch „Glasgow Girls“…
Schon das Cover empfand ich als wohltuend, es war endlich mal keine Frau von hinten, von vorn, von der Seite auf einem hellblauen Cover mit einer Stadt-Silhouette im Hintergrund, sondern es ist der Ausschnitt eines Gemäldes von John Atkinson Grimshaw (1836 – 1893) und stellt wohl eine Straße in Glasgow in der Dämmerung dar, den genauen Titel habe ich bisher noch nicht herausbekommen – schon einmal der erste Pluspunkt, obwohl ich eigentlich gar kein Cover-Typ bin!
Ich mag historische Romane, bei denen man sich noch weiterführende Informationen einholen kann und dieser Leidenschaft konnte ich ja schon gleich mit dem Cover frönen, aber das Buch ist insgesamt eine gelungene Mischung zwischen Historie und Fiktion, so dass ich häufig weitere Erklärungen lesen konnte.
1892: Olivia ist künstlerisch hochbegabt, aber ihre Chance, an der Glasgow Schools of Art (GSA) studieren zu können, ist äußerst gering, da sie nach dem Tod des Vaters zum Lebensunterhalt für sich und ihre Mutter beitragen muss. Eigentlich soll sie in einer Fabrik arbeiten, aber sie sucht sich gegen den Willen der Mutter eine Stelle als Servierhilfe in Miss Cranstons Teesalon (Kate Cranston: 1849 – 1934, war eine der führenden Persönlichkeiten in der Entwicklung von Teesalons, Olivias Arbeitsplatz hat tatsächlich existiert. Miss Cranston war eine Mäzenin der GSA). Auch Miss Cranston entdeckt Olivias Talent und macht ihr das Angebot, sie finanziell zu unterstützen, während sie das Kunststudium absolviert. Aber trotz allem ist Olivia ihren Mitstudentinnen nicht gleichgestellt, kommen sie doch alle aus wohlhabenden Elternhäusern, während Olivia weiterhin bei Miss Cranston arbeitet, um ihre Mutter zu unterstützen.
Aber Olivia findet im Leiter der GSA, Francis Newbery und seiner Frau Jessie (auch historische Persönlichkeiten), Menschen, die sie in ihrem Weg bestärken und ermutigen.
Wir begleiten Olivia über mehrere Jahre während ihrer Ausbildung, erleben Höhen und Tiefen ihres kreativen Schaffens und ihres persönlichen Lebens, freuen uns über ihre Erfolge, trauern mit ihr bei Misserfolgen. Immer wieder kreuzen Künstler ihren Weg, die es tatsächlich gegeben hat…Aber natürlich: auch schon damals war der Kunstmarkt voll von Fallstricken und Intrigen, in die Olivia naiv und unvorbereitet hineinstolpert und durch die sie sogar fast ihren ehrlichen Ruf verliert.
Ein interessantes, z.T. auch mich berührendes Buch, dass ich von der ersten bis zur letzten Seite mit Spannung gelesen habe. Zum einen fand ich Olivia und ihren Werdegang ausgezeichnet dargestellt, zum anderen faszinierte mich auch die Beschreibung der GSA (teilweise erinnerte mich das Konzept an das „Bauhaus“ in seinen frühen Jahren), für die damalige Zeit unkonventionell und fortschrittlich!
Ich kannte ja schon diverse Romane der Autorin, aber ich war wieder einmal beeindruckt von ihrem anschaulichen und lebendigen Schreibstil, die Personen (egal, ob historisch oder fiktiv) agieren alle vollkommen authentisch, so dass bei mir als Leserin der Eindruck entstand, ich sei mittendrin im Geschehen und könne Olivia zur Seite stehen…
Ein Nachwort rundet das Buch sehr gut ab, dort erfahren wir u.a., dass die Frauen der GSA sich selbst nie als „Glasgow Girls“ bezeichnet haben, dieser Name wurde erst 1990 bei einer Ausstellung von der Kuratorin „erfunden“.
Wieder mal ein Roman von Susanne Goga, der mich begeistert in seinen Bann gezogen hat und den ich selbstverständlich gern weiterempfehle!

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Veröffentlicht am 07.02.2023

Meine Reise mit Prinzessin Therese 1888 auf dem Amazonas...

Die Forscherin. Prinzessin Therese und der Ruf des Amazonas
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Katharina Innig hat mit „Die Forscherin – Prinzessin Therese und der Ruf des Amazonas“ einen hervorragenden Debütroman vorgelegt.
Ich sollte vielleicht kurz gestehen, dass Reiseberichte aus vergangenen ...

Katharina Innig hat mit „Die Forscherin – Prinzessin Therese und der Ruf des Amazonas“ einen hervorragenden Debütroman vorgelegt.
Ich sollte vielleicht kurz gestehen, dass Reiseberichte aus vergangenen Jahrhunderten eigentlich nicht zu meinem bevorzugten Genre gehören – und von Prinzessin Therese (von Bayern) hatte ich als „Nordlicht“ auch bisher nichts gehört...
Aber was interessiert mich mein Geschwätz von gestern? Katharina Innig hat es innerhalb weniger Seiten geschafft, mich zu einer großen Verehrerin von Prinzessin Therese zu verwandeln, ich habe sie kennen und schätzen gelernt (lt. Wikipedia war sie „eine deutsche Ethnologin, Zoologin, Botanikerin und Reiseschriftstellerin. Sie engagierte sich sozial karitativ.“) und an ihrer Expedition auf dem Amazonas 1888 habe ich mit allen Sinnen teilgenommen... Aber das liegt an der ausgesprochen lebhaften und bildhaften Sprache, die die Autorin benutzt, ich konnte gemeinsam mit Therese die exotischen Düfte riechen („Es riecht nach Meer, nach Kaffee, nach Gewürzen, überreifen Bananen und nach dem Staub auf dem sonnendurchglühten Pflaster.“ S. 51), das Licht des Urwalds wahrnehmen („Der Nebel umschließt die Farne und Wurzeln, schleicht lautlos um die Stämme. Manchmal steht er zwischen den riesenhaften Bäumen wie eine wattige weiße Säule, dann tanzt er wie ein zartes Gespinst zwischen den Lianen und um die Sträucher S. 195). Dies nur eine klitzekleine Auswahl, ich habe mir sehr viele Sätze notiert…
Prinzessin Therese war ihrer Zeit weit voraus: anders als es ihr in die Wiege gelegt, verweigerte sie alle Heiratskandidaten, die ihr ihre Familie präsentierte und brachte sich ein großes naturwissenschaftliches Wissen im Selbststudium bei (Frauen waren zu jener Zeit weder an Gymnasien noch Universitäten zugelassen), außerdem sprach sie mindestens 12 Sprachen fließend.
Doch zurück zum Buch: es ist auf zwei Zeitebenen geschrieben, wir lernen Therese 1924 (als 74-jährige) in ihrem Haus in Lindau kennen, Sie hat Veronika, ihre damalige Reisebegleitung an den Amazonas, zu sich eingeladen, um gemeinsam mit ihr Ordnung in ihre Papiere, Unterlagen ,und Reiseandenken zu bringen. Dabei erinnert sich Therese an ihre Reise 1888 (als 38-jährige) zurück…
Gemeinsam mit drei Begleitern (einem Reisemarschall, ihrem treuen Diener Max und eben Veronika) trat sie diese Expedition an (im Nachwort erfahren wir, dass der Reisemarschall und der Diener Max historisch belegte Persönlichkeiten sind, Veronika ist der Fantasie der Autorin geschuldet). Alle drei werden aber authentisch und realistisch geschildert: der Reisemarschall ist ein Kompromiss zwischen Therese und ihrem Vater (Prinzregent Luitpold von Bayern), dass Therese überhaupt diese Reise antreten darf, aber „der sehr penible, sparsame und nicht besonders flexible Freiherr hat sehr wenig mit der impulsiven und bis an die Grenze zum Leichtsinn mutigen Prinzessin gemeinsam.“ (Nachwort, S. 360) Die Dialoge / Diskussionen / Auseinandersetzungen mit ihm haben mich wiederholt zum Schmunzeln gebracht. Max, der treue Diener, kennt Therese seit Kindesbeinen und stellt den „ruhigen Fels in der Brandung“ dar, Veronika verkörpert den damaligen (weiblichen) Zeitgeist, dies wird auch in dem 1924-er Teil deutlich.
Und so reisen wir mit den Augen Thereses durch den Dschungel am Amazonas, erleben Belem und Manaus, sehen verlassene und bewohnte indigene Dörfer, spüren exotische Dschungelnächte, verkraften Stürme, teilen (nicht immer!) ihre Liebe zu den seltenen Lebewesen, lehnen mit ihr gemeinsam die Arroganz der Kolonialmächte ab und sind entsetzt über das Machtgefühl der Kautschukbarone…
Wie schon erwähnt, rundet ein Nachwort von Frau Innig das Buch perfekt ab: wir erfahren, was historisch belegt und was Fiktion ist und es wird deutlich, wie intensiv die Autorin die Recherchearbeit betrieben hat – genau meine Kriterien für hervorragende historische Romane!
Ich werde Prinzessin Therese von Bayern und ihre Reise an den Amazonas bestimmt nicht vergessen und will es deshalb natürlich auch gern weiterempfehlen – ich habe es selbst schon zweimal verschenkt!

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Veröffentlicht am 30.01.2023

Die Geister, die ich rief...

Ein Licht der Hoffnung
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„Ein Licht der Hoffnung“ von Marion Kummerow war mein erster Roman dieser Autorin (wobei mir eine Freundin schon „Eine Stadt der Hoffnung“ sehr empfohlen hatte) – aber bestimmt nicht mein letzter!
Zum ...

„Ein Licht der Hoffnung“ von Marion Kummerow war mein erster Roman dieser Autorin (wobei mir eine Freundin schon „Eine Stadt der Hoffnung“ sehr empfohlen hatte) – aber bestimmt nicht mein letzter!
Zum Inhalt: Margarete Rosenbaum arbeitet 1941 als Hausmädchen bei Familie Huber. Das Problem: Herr Huber ist ein hochrangiger Nationalsozialist, quasi mit Adolf Hitler auf Du und Du, seine beiden Söhne sind aktive SS-Angehörige – und Margarete ist Jüdin und Herr Huber hat ihr bereits die Deportation angedroht...
Bei einem Bombenangriff auf Berlin wird die Villa vollkommen zerstört, das Ehepaar Huber und ihre Tochter Annegret tödlich getroffen (die Söhne sind nicht anwesend). Margarete überlebt und im Bruchteil von Sekunden trifft sie eine Entscheidung: sie tauscht ihre Strickjacke mit dem gelben Stern mit Annegrets Jacke und nimmt deren Kennkarte an sich. Aber die überlebenden Söhne stellen eine Gefahr dar, deshalb flüchtet Margarete (als Annegret) zu ihrer Tante Heidi nach Leipzig. Dort wird sie zwar von Wilhelm – dem jüngeren Huber-Sohn – gefunden, aber er gibt ihren Identitätsraub nicht weiter... Trotzdem entschließt sich Margarete, zu einer Freundin ihrer Tante in das „freie Frankreich“, nach Toulouse zu fliehen. Sie „strandet“ jedoch leider in Paris – so mehr sei aber an dieser Stelle nicht verraten...
Die Autorin hat eine fesselnden, bildhaften Schreibstil, der mich sehr gut in die Geschichte eintauchen ließ, so konnte ich wiederholt gemeinsam mit Margarete durch Paris flanieren. Es finden immer wieder überraschende Wendungen statt, mit denen ich nicht gerechnet hatte – kurzum: es blieb stets spannend! Öfter habe ich mir Sorgen gemacht, dass Margarete „auffliegen“ könne und habe gemeinsam mit ihr gezittert...
Die historischen Ereignisse sind gründlich recherchiert, so dass wir uns z.B. auf der Romanebene mit den Ergebnissen der Wannsee-Konferenz auseinandersetzen (müssen), weil Marion Kummerow die nationalsozialistische Terminologie benutzt oder die Huber-Söhnen ihr nationalsozialistisches Gedankengut darstellen lässt – für unsere heutigen Augen / Ohren sehr abschreckend und ekelhaft, aber gerade deshalb immer wieder erwähnenswert (gegen das Vergessen!).
Aber Margarete wird auch vor schwierige Entscheidungsfragen gestellt: „Hatte der Mensch das Recht, sich selbst zum Richter über Leben und Tod zu erheben? Wer war sie, dass sie gegen das Gebot „Du sollst nicht töten“ verstieß? Stellte sie sich damit nicht auf die gleiche Stufe wie die Nazis?“ (S.249)
Diese Frage nimmt die Autorin in ihrem Nachwort (für mich bisher außergewöhnlich: als Brief an die Leser*innen formuliert) noch einmal auf: „Eines der moralischen Dilemmas, mit denen sich Margarete auseinandersetzen muss, ist die Frage, ob man Menschenleben gegeneinander aufwiegen kann. Da sie diejenige ist, die unterdrückt wird, glaubt sie natürlich, dass ihr Leben genauso wertvoll ist wie das von Annegret. Aber was ist, wenn sie entscheiden darf, wer stirbt und wer lebt? Kann ein Mensch dieses Recht überhaupt haben?“ (S. 274)
Ich schätze es sehr, wenn ich in Büchern – außer der Geschichte an sich, die mich gut unterhalten hat – Fragen finde, die mich zum Nachdenken anregen – und über die Zeit des Nationalsozialismus können wir ja eigentlich nie genug nachdenken... Deshalb gibt es von mir eine klare Leseempfehlung für dieses Buch!
Kleine Anmerkung zum Schluss: und ja, ich denke, dass Margarete wohl noch weiterhin mit den Geistern leben muss, die sie gerufen hat, ...

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