Was wäre, wenn (es tatsächlich passiert wäre?)...
Vier Tage im Juni„Vier Tage im Juni“ ist ein Politikthriller von Jan-Christoph Nüse und beschreibt den Kennedy-Besuch in Deutschland in der Zeit vom 23.- 26.Juni 1963. Am 26.6. trat lt. Wikipedia „der mächtigste Mann der ...
„Vier Tage im Juni“ ist ein Politikthriller von Jan-Christoph Nüse und beschreibt den Kennedy-Besuch in Deutschland in der Zeit vom 23.- 26.Juni 1963. Am 26.6. trat lt. Wikipedia „der mächtigste Mann der Welt an die Mikrofone. Er sicherte den Berlinern die volle Solidarität der USA zu und schloss mit den berühmtesten Worten seiner Amtszeit 'Ich bin ein Berliner'.“
Ich war zu diesem Zeitpunkt jung, aber mir ist die Euphorie meiner Verwandtschaft über diesen Satz, bzw. die Haltung allgemein noch ziemlich präsent.
Der Autor ist Journalist und baut anhand von Fakten eine Fiktion rund um diesen Besuch auf, dies macht er äußerst fantasievoll und mit einer gehörigen Prise Spannung. Denn anders als es meine Verwandtschaft wahrgenommen hat (oder ich?) - war Kennedy für viele Menschen in den USA und in Deutschland keineswegs eine „Lichtgestalt“, so hielten ihn z.B. hochrangige Militärs in den USA für ein „Schwächling“, ein „Weichei“ in den Verhandlungen mit der UdSSR (Sowjetunion) über die mögliche atomare Abrüstung. In der Bundesrepublik Deutschland (BRD) hatten wiederum einige Menschen Sorge, dass die USA die BRD nicht beschützen würde, wenn die Sowjetunion den westlichen Teil Deutschlands besetzen würde – ganz abgesehen davon, dass sich zu diesem Zeitpunkt hohe deutsche Militärs und Politiker wünschten, eigene Atomwaffen zu besitzen! Ja, es war die Zeit, in der das „Gleichgewichts des Schreckens“ galt... In Westdeutschland existierten auch noch „Seilschaften“ aus dem Nationalsozialismus, die die Ängste „vor dem Russen“ gut für ihre eigenen Interessen zu nutzen wussten.
Vor diesem Hintergrund spielt Herr Nüse gekonnt verschiedene (Attentats-)Szenarien auf deutschem Boden durch, unter dem Motto: so hätte es passieren können... Der Hauptprotagonist ist Thomas Malgo, Angestellter bei der Sicherungsgruppe Bonn, Ermittlungen Staatsschutz. Ihn begleiten wir durch die Höhen und Tiefen dieses Besuches, den realen und den fiktiven... Aber über den Inhalt möchte ich eigentlich nicht mehr verraten – nur so viel: es ist es ist interessant, spannend und macht nachdenklich!
Mich hat die Idee fasziniert: was wäre eigentlich passiert, wenn die Ideen von Jan-Christoph Nüse Realität geworden wären? Was hätte es am Weltgeschehen zu diesem Zeitpunkt verändert? Mich hat das „Jonglieren“ mit diesen Ansätzen beschäftigt... einzig vom Ende / Schluss war ich etwas enttäuscht!
Die „Anmerkungen“ und die angehängten Dokumente ordnen noch einmal genau Realität und Fiktion und runden damit das Bild gut ab.
Den Schreibstil fand ich dem Thema entsprechend angemessen gewählt: er war etwas protokollartig gehalten, hat aber dem Spannungsbogen nicht geschadet, m.E. sogar eher noch unterstützt.
Aus meiner Sicht wurde auch ein treffendes Bild der damaligen Zeit gezeichnet, z.B.: das Archiv arbeitet noch mit Karteikarten, die Schulkinder bekommen schulfrei, um mit amerikanischen Fähnchen am Straßenrand zu winken, wichtige Kommunikationen finden per Telegramm und Fernschreiben statt.
Mir hat das Buch gut gefallen, ich fand den Plot sehr beeindruckend, ich habe beim Lesen und anschließend viel und intensiv nachgedacht. Für geschichtsinteressierte Leser*innen kann ich eine ganz klare Leseempfehlung aussprechen!