Fairview, eine beschauliche Kleinstadt in Connecticut. Die 16-jährige Jenny Kramer wird Opfer einer brutalen Attacke und kommt schwer traumatisiert ins Krankenhaus. Dort wird ihr auf Wunsch ihrer Eltern ein Medikament verabreicht, das ihr helfen soll. Ein Medikament, das jegliche Erinnerung an den schrecklichen Vorfall auslöscht.Danach hat Jenny keine Bilder mehr für das, was passiert ist. Da ist nur noch Schwärze. Sie bemüht sich weiterzuleben wie zuvor, beinahe so, als ob nichts geschehen wäre, während ihre Mutter Charlotte krampfhaft versucht, so etwas wie Normalität wiederherzustellen, und ihr Vater Tom wie besessen ist von dem Gedanken, den Täter, der seiner Tochter das angetan hat, zu überführen.Doch das Nicht-Erinnern-Können wird für Jenny mehr und mehr zu einem Albtraum. Denn ihr Körper weiß noch immer, was ihm angetan wurde. Gemeinsam mit dem Psychiater Alan Forrester, der auf Fälle wie Jenny spezialisiert ist, versucht sie, Stück für Stück Licht in das Dunkel jener Nacht zu bringen, die Chronologie der Ereignisse wiederherzustellen. Aber kann sie denen, die sie dabei unterstützen wollen, vertrauen? Wie manipulierbar ist Erinnerung? Und helfen die Erinnerungen, die langsam zu ihr zurückkommen, wirklich, den Schuldigen zu finden?....(Klappentext)
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Als erstes - dies hier ist KEIN Thriller, wie fälschlich und reißerisch vom Verlag angegeben, sondern eher ein Roman der in die Psyche geht. Weshalb dieser Roman als Thriller vermarktet wird, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedoch sollte der Verlag hier zurückrudern, da dies sonst völlig falsche Erwartungen beim Leser erweckt und dieser eventuell das Buch enttäuscht in die Ecke pfeffert. Bei mir hat dieser Aufkleber "Thriller des Jahres" gefehlt und ich habe mich rein am Klappentext orientiert. Daher ging ich mit einer ganz anderen Erwartung an dieses Buch und diese Story.
Eine typisch amerikanische Kleinstadtfamilie.
Vater - Manager mehrerer Autohäuser, bringt das Geld nach Hause, hat aber sonst nicht viel zu melden.
Mutter - Hausfrau, die das Geld ausgibt, Tennis spielt und sehr darauf bedacht ist, daß das Heile-Welt-Ansehen keine Flecken bekommt, aber das ein oder andere schmutzige Geheimnis mit sich herumträgt.
Sohn - 10 Jahre, ansonst bleibt dieser im Hintergrund
Tochter Jenny - hübsch, intelligent, sportlich und lebensfroh...bis zu diesem einen Abend einer Party bei Freunden.
Dort wird sie im angrenzenden Wald von Schulfreunden gefunden - zerschunden, verwirrt und halbnackt. Im Krankenhaus wurde sie sofort sediert und zusammengeflickt. Die physischen Wunden werden verheilen, doch was ist mit den psychischen Verletzungen, die sich in ihr Gehirn und ihre Seele gebrannt haben? Da wird den Eltern ein unglaublich verlockendes Angebot gemacht - ein Medikament würde ermöglichen, daß Jenny diesen brutalen Übergriff vergisst, die Erinnerung würde aus ihrem Gehirn gelöscht werden. Während Tom, der Vater, davon alles andere als begeistert ist, da dadurch Jenny die Möglichkeit genommen wird den Täter anzuzeigen und sie so damit niemals abschließen könnte, ist die Mutter hellauf begeistert. Erstens um ihr Kind vor dem Trauma zu schützen und andererseits, um so schnell wie möglich wieder Heile Welt zu spielen. Schnell wird klar, daß dies die falsche Entscheidung war. Denn auch wenn die Psyche vergisst...der Körper vergisst nie.
Der Schreibstil ist flüssig, angenehm und flott. Was mich jedoch absolut begeistern konnte war der Erzählstil und die Aufmachung der Story. Hier wird nicht aus Jenny's Perspektive erzählt, sondern aus der Sicht des Psychiaters, der Jenny und auch ihre Familie therapiert, um Jenny die Erinnerungen an das schreckliche Erlebnis zurückzugeben. Quasi von einem Außenstehenden, der beobachtet, zuhört und auch seine eigenen Emotionen ausdrückt. Als ob man bei der Therapie hautnah dabei wäre und somit die Fortschritte, Rückfälle und auch tief verborgene Geheimnisse des ein oder anderen Protagonisten miterlebt. Manchmal fühlt man sich wie ein Voyer. Doch auch der Psychiater Alan hat seine dunklen Geheimnisse und Ängste, die ihn dazu treiben auf den Kodex zu pfeifen - und ein weiteres Rädchen dreht sich und führt zu unvorstellbaren Konsequenzen.
Die Story verläuft eher ruhig, aber dennoch ist dieser Roman nichts für schwache Nerven. Hier wird nichts beschönigt und so manche detailierten Beschreibungen gehen unter die Haut und noch viel tiefer. Auch für Emotionen wird hier gesorgt - man ist wütend, schockiert und möchte so manchen Protagonisten durchschütteln und anschreien. Und trotzdem muss man immer und immer wieder weiterlesen.
Gegen Ende ist immer noch kein Täter in Sicht und man vermutet, daß es sich hier wirklich nur um die psychotherapeutische Behandlung dreht. Doch zum Schluß wartet dieser Roman noch mit einer überraschenden Wendung auf - eigentlich mit zwei, dem Täter und dem Motiv. Quasi zwei Überraschungen in einer.
Fazit:
Absolut genial aufgezogene Story, fern vom Mainstream. Wenn man weiß, daß es sich hier um einen Roman und nicht um einen Thriller handelt eröffnet sich dem Leser ein Roman, der einen in die Tiefen von Trauma, Geheimnissen und Manipulationen blicken lässt.
Eine psychosoziale Anamnese einer ganzen Familie, mit all ihren Geheimnissen und Ängsten. Von der Spannung eher ruhig, aber trotzdem nichts für Zartbesaitete. Die Mischung macht's.
Von mir gibt es daher eine absolute Leseempfehlung!