Profilbild von Aniya

Aniya

Lesejury Profi
offline

Aniya ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Aniya über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.10.2019

Schade

Die Ewigkeit in einem Glas
0

Birdie Devine ist Ermittlerin.
In ihrem neusten Fall geht es um ein verschwundenes Mädchen, einen merkwürdigen Vater und jede Menge Geheimnisse - da bleibt es nicht immer ganz ungefährlich.
Zum Glück hat ...

Birdie Devine ist Ermittlerin.
In ihrem neusten Fall geht es um ein verschwundenes Mädchen, einen merkwürdigen Vater und jede Menge Geheimnisse - da bleibt es nicht immer ganz ungefährlich.
Zum Glück hat Birdie aber ihr zwei Meter großes Dienstmädchen Cora und den tättowierten Geist eines Boxers dabei...
Puh, da habe ich wohl momentan ein schlechtes Händchen.
Nach "Melmoth" ist "Die Ewigkeit in einem Glas" leider gleich der zweite Titel, bei dem mir der Schreibstil überhaupt nicht gefallen hat.
Wie in ersterem haben wir hier den Präsens (nicht grade meine liebste Zeitform) und als Leserinnen werden wir manchmal direkt angesprochen.
Die Stimmung ist düster, erreichte mich dank des unterkühlten Stils aber nicht.
So erging es mir auch mit den Charakteren: alle werden so nüchtern beschrieben, dass ich einfach keinerlei Bindung aufbauen konnte, schlimmer noch, sie waren mir egal.
Protagonistin Birdie ist eigentlich gar nicht so übel. Resolut, zielstrebig, nicht zimperlich, begabt. Dennoch bleibt sie irgendwie blass und vollkommen ungreifbar.
Die Nebenfiguren haben alle irgendwelche interessanten Merkmale und eine ungewöhnliche Vergangenheit und trotzdem kamen sie mir ziemlich grau vor, so als würde man nur an der Oberfläche kratzen.
Spannung kam bei mir leider auch nicht auf. Nach dem ersten Viertel habe ich angefangen, mich aus Pflichtgefühl durchzuquälen. Es ist von Anfang an alles ziemlich klar und Birdies Ermittlungen bestehen zu einem großen Teil aus ellenlangen Befragungen.
Da gibt es dann seitenweise Ping-Pong-Gespräche, kurze Sätze, immer hin und her. Und am Ende entweder ein Sir oder Ma'am (wahlweise auch Madam), jedes einzelne mal.
Ja, Ma'am.
Danke, Sir.
Blabla, Ma'am
Bliblub, Sir.
Das kann schon ganz schön nerven, ist aber nur halb so schlimm, wie das ständige Namen-Genenne. Das liegt sicher auch daran, dass wir im deutschsprachigen Raum in einem Zwiegespräch selten bis gar nicht den Namen der anderen Person erwähnen.
Wir nutzen ihn vor allem dann, wenn mehrere Personen anwesend sind und wir nur eine bestimmte ansprechen wollen.
Der ständig wechselnde Narrativ hat mich auch etwas gestört. Birdie ist nicht unser einziger Point of View, wir erleben die Geschichte durch unterschiedliche Charaktere und der Wechsel erfolgt verwirrenderweise auch manchmal im selben Abschnitt und springt dann wieder zurück.
Ich weiß, dass man damit die Gefühlswelt mehrerer Figuren darstellen möchte, der dickste Nachteil ist jedoch immer, dass kaum Geheimnisse übrig bleiben.
Das Buch war also leider, leider nichts für mich, ich vergebe aber einen zweiten Stern, weil ich glaube, dass der Stil nicht grundsätzlich schlecht ist, sondern mein Geschmack nicht getroffen wurde und ich Respekt vor der Arbeit und der Kreativität der Autorin habe.

Veröffentlicht am 29.09.2019

Falsche Erwartungen

Melmoth
2

Melmoth ist ein höchst seltsames Buch. Ich wusste zum Schluss nicht mal mehr, in welche Kindle-Sammlung ich es packen sollte, weil einfach kein Genre so richtig passen wollte.
Einen großen Teil meiner ...

Melmoth ist ein höchst seltsames Buch. Ich wusste zum Schluss nicht mal mehr, in welche Kindle-Sammlung ich es packen sollte, weil einfach kein Genre so richtig passen wollte.
Einen großen Teil meiner eher schlechteren Bewertung schreibe ich mir selbst zu, denn ich hatte etwas ganz anderes erwartet. Pünktlich zum Herbst war mir nämlich nach einer Schauergeschichte mit paranormalen Einschlägen.
Bekommen habe ich allerdings eher eine Charakterstudie.

Die Geschichte beginnt mit Helen, die von ihrem Bekannten Karel eines Abends (und unter ziemlich merkwürdigen Umständen) die Memoiren eines verstorbenen Mannes in die Hand gedrückt bekommt.
Auf den handbeschriebenen Seiten begegnet ihr Melmoth, eine Frau, die dazu verdammt ist auf ewig auf Erden zu wandern und die Menschen zu beobachten. Helen fühlt sich unbehaglich und hat schon bald das Gefühl, verfolgt zu werden.
So weit klingt es ja erstmal spannend und grade die erste Hälfte hatte durchaus ein paar leicht schaurige Szenen - deren Stimmung allerdings durch den Schreibstil immer wieder ausgehebelt wurde.
Und der war generell mein größtes Problem an Melmoth:
Zum einen werden wir als Leserinnen immer wieder direkt angesprochen.

"Sehen Sie hin!"
"Wenn sie jetzt nach links gucken, können sie einen Schatten hinter Helen entdecken."
"Nun sind Sie überrascht, was?"

Das mag ein Stilmittel sein, gefällt mir persönlich aber einfach nicht. Mit solchen Sätzen kann man mich (eine eigentlich sehr leicht erschreck- und gruselbare Person) ruck zuck aus der Szene reißen... und schon ist die ganze schöne Unbehaglichkeit dahin.

Helen wird uns als erster Fixpunkt präsentiert, es geht aber noch um zig weitere Personen. Die lernen wir entweder direkt durch Helen oder in den ellenlangen Manuskripten, Briefen und Aufzeichnungen kennen, die sie liest.
Und hier wurde mir zu viel zusammengeschmissen.
Das aktuelle Prag, die Nazizeit, der Schlaganfall einer Frau, die daraufhin von ihrem Mann verlassen wird (übrigens einer der wenigen realistischen Aspekte der Story, es gibt erschreckende Zahlen dazu, wie häufig Frauen von ihren Männern bei Krankheit oder gar Pflegebedürftigkeit verlassen werden, während das umgekehrt höchst selten der Fall ist), prekäre Lebenssituationen in Mali etc.
Mit Melmoth hat das alles grade ab der zweiten Hälfte nur noch am Rande zu tun - und leider war mir dieses Potpourri an Lebensgeschichten auch noch zu langweilig.
Generell waren mir die Charaktere zu seltsam. Bestimmte Handlungen oder Gespräche konnte ich nicht nachvollziehen.
Ich meine, welche Frau nimmt eine Person, die sie grade auf der Straße kennengelernt hat, mit zu ihrer kranken und um Hilfe bittenden Freundin? Die es vielleicht nicht mal geschafft hat, sich richtig anzuziehen und so nicht gesehen werden möchte?
Aber hier in dieser Geschichte ist das alles kein Problem, denn die vollkommen Fremde ist nicht nur willkommen, sondern wird auch gleich als private Krankenschwester eingestellt.
Die Bindungen bzw. Freundschaften der Frauen haben mir ja eigentlich ganz gut gefallen, aber irgendwie waren alle immer so gemein zueinander. So viele unnötige Spitzen und Sprüche... Ehrlichkeit wird leider nur allzu oft als Entschuldigung für Unhöflichkeit vorgeschoben.

Gleich am Anfang werden wir übrigens mit Helens mysteriöser Vergangenheit gelockt. Sie verweigert sich selbst jeglichen Komfort und kasteit sich, weil sie irgendeine große Schuld auf sich geladen hat. Das wird so aufgebauscht, dass ich da sonst was erwartet habe und die Auflösung war dann... sagen wir mal "unterwältigend".
Das Ende war mir dann echt viel, viiiiieeeel zu weit hergeholt.
Und das sogar für mich, die ja eigentliche eine unrealistische Geistergeschichte erwartet hatte.
Echt schade, ich hatte mich auf das Buch gefreut.

Veröffentlicht am 28.08.2019

Klasse Krimi

Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle
0

Turton erfindet mit seinem Debüt das Rad nicht neu und bedient sich hemmungslos bei bekannten Krimiautorinnen. Allerdings nehme ich ihm das nicht allzu übel. Seine Geschichte liest sich nämlich ein bisschen ...

Turton erfindet mit seinem Debüt das Rad nicht neu und bedient sich hemmungslos bei bekannten Krimiautorinnen. Allerdings nehme ich ihm das nicht allzu übel. Seine Geschichte liest sich nämlich ein bisschen wie eine Hommage an eben diese Frauen.

Und worum geht's?
Ein alter entlegener Landsitz. Eine Schar von Gästen, die schon einmal dort waren, vor vielen Jahren, als ein Mord passierte. Und am Ende des Tages wird es wieder einen geben...
In dieser Welt erwacht unser Protagonist, ohne Namen, ohne Erinnerungen. Das einzige Wort, das im Kopf herumspukt ist "Anna".
Nach und nach erfährt er, dass sich dieser Tag wiederholen wird und zwar acht mal. Jeden dieser Tage wird er in einem anderen Menschen verbringen, seinem "Wirt". Sein Ziel ist es, den Mord an Evelyn Hardcastle aufzuklären, der wie ein Selbstmord aussieht - nur so kann er aus dieser Endlosschleife entkommen.

Die Story profitiert wahnsinnig davon, dass man anfangs genauso wenig weiß, wie der Hauptcharakter (der in der Ich-Form erzählt) und alles gemeinsam mit ihm herausfindet.
Deshalb mag ich diese "Ohje-Gedächtnisverlust-was-ist-hier-nur-los"-Bücher so: es schweißt unwahrscheinlich zusammen, gemeinsam mit dem Prota verwirrt zu sein und sich an jede neue Erkenntnis zu klammern. Eine Bindung entsteht unter diesen Umständen einfach sehr leicht.
Außerdem geht es sofort los. Keine ellenlangen Erklärungen, keine langatmige Hintergrundgeschichte. Alles entfaltet sich im laufe der Geschichte und man fliegt nur so durch die Seiten.

Dass unser Held den Tag aus der Sicht verschiedener Personen erlebt und somit auch zahlreiche Möglichkeiten hat, an Indizien zu kommen, war für mich ein ganz besonderer Twist.
Vor allem deshalb, weil seine anderen Wirte gleichzeitig mit ihm herumlaufen und ermitteln und er auch ab und an Hinweise und Hilfe von seinen zukünftigen Ichs bekommt.
Leider sehe ich in dieser tollen Idee auch eine verpasste Chance:
Sowohl der Hauptcharakter (der ja sonst eigentlich nichts über sich weiß) als auch alle acht Wirte sind männlich.
Ich glaube, es hätte die Story noch spannender und interessanter gemacht, wenn die Hälfte davon weiblich gewesen wären. Das hätte noch mal ganz neue Perspektiven und umfassenderes Bild ergeben!
Auf der anderen Seite weiß ich jedoch nicht, wie gut der Autor das hinbekommen hätte und ob ihm da eine anständige Charakterisierung zuzutrauen ist.
Am Ende habe ich dann lieber keine Frau, als ein peinliches "Oh wow, ich stecke auf einmal in einem Frauenkörper und habe Tittis hihihi" (siehe dazu meine Fußnote ganz unten).

Ein paar Warnungen habe ich auch noch, denn die Wirte sind alle ganz unterschiedlich. Einer ist beispielsweise wahnsinnig dick und der Autor ergießt sich in fettphoben Beschreibungen, die einfach kein Ende nehmen wollen. Da ist von Massen und Fleischbergen die Rede, von Scham und Ekel. Ein Aspekt, der mir persönlich nicht ganz so gefallen hat, denn Bodyshaming kenne ich von früher noch allzu gut (aber in die andere Richtung).
Ein anderer Wirt ist ein Vergewaltiger und der Prota kämpft mit dessen ekelhafte Gedanken. Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass dieser Typ schon viele Frauen missbraucht hat und seine Mutter sorgt dafür, dass ihm deshalb keine Strafe droht.
Es wird nichts ausführlich beschrieben, aber wer mit diesem Thema Probleme hat, sollte etwas vorsichtig sein.

Insgesamt ist das Buch spannend und wahnsinnig unterhaltsam und ich hatte viel Spaß dabei, selbst mit zu rätseln und meine eigenen Vermutungen anzustellen.
Definitive Leseempfehlung für Krimifans, auch wenn das Ende für mich ein kleines bisschen zu dünn war!

*kleine Fußnote: Wer mal wahlweise lachen, überrascht sein oder einfach nur wütend werden will, sollte ich den Twitteraccount Men Write Women geben. Die Betreiberinnen tragen lächerliche Passagen aus von Männern geschrieben Büchern über Frauen zusammen.
Da kommt es dann z.B. mal vor, dass ein Autor denkt, Frauen benutzen ihre Vagina, um darin Sachen zu verstauen, wie in einer Tasche. Ja, ernsthaft.

Veröffentlicht am 09.08.2019

Nichts für mich, wie mir scheint

Licht und Schatten
0

Licht und Schatten ist ein langsames Buch, eine Geschichte der leisen Töne.
Das muss nichts schlechtes sein. Ich habe schon einige Bücher dieser Art gelesen, die mich sehr berührt haben.
In diesem Fall ...

Licht und Schatten ist ein langsames Buch, eine Geschichte der leisen Töne.
Das muss nichts schlechtes sein. Ich habe schon einige Bücher dieser Art gelesen, die mich sehr berührt haben.
In diesem Fall habe ich mich aber leider über weite Strecken ziemlich gelangweilt.

Die Story dreht sich um Vida, ein ungewöhnliches Mädchen, das wir von Geburt an und über viele Jahre hinweg begleiten.
Sie ist, wie ihre bei der Geburt gestorbene Mutter und ihre Tanten, etwas ganz Besonderes, ja, sogar die große Hoffnung der Welt.
Ich mochte sie auf einer Seite. Vida ist wild und ungestüm, sie redet viel und laut, ist abenteuerlustig, hat einen riesen Wissensdurst und rauft sich auch ganz gerne mal.
Ich finde, der Autor hat hier einen super Job gemacht und das Mädchensein gut eingefangen. So habe ich meine Kindheit, meine Freundinnen und mich selbst in Erinnerung.
Die Schattenseite dieser tollen Charakterisierung ist jedoch, dass sie einmal mehr in Abgrenzung zu anderen Mädchen passiert: die sitzen nämlich den ganzen Tag in schicken Kleidern da, flechten sich Zöpfe und würden niemals auf einen Baum klettern.
Vida - für mich ein völlig normales Kind - gilt als einzigartig und merkwürdig, weil sie ist wie sie ist. Ich hatte Schwierigkeiten, mich damit abzufinden.
Wir verweilen über viele, viele Seiten hinweg in ihrer Kindheit. Viel Aufregendes passiert da eigentlich nicht und gewisse Dinge wiederholen sich auch irgendwann (Vida zieht zum hundertsten mal los und sucht irgendwas/hört Stimmen/quatscht kryptisches Zeug mit den Tanten).
Als es dann endlich loszugehen scheint und sich die Geschichte ein wenig zuspitzt, fällt die Spannung gleich wieder in sich zusammen und es geht gewohnt träge weiter.

Das Buch ist genremäßig für mich recht schwierig einzuordnen. Man könnte sagen, es ist zu einem gewissen Teil historisch und auch irgendwie Fantasy, aber eigentlich doch eher Märchen, denn von diesen scheint der Autor sehr stark beeinflusst worden zu sein.
Allen voran Dornrößchen: Vida muss versteckt werden, damit das Böse (eine Art Malefiz) sie nicht findet, sie wird zum Teil von drei ihrer Tanten aufgezogen und einen langen Schlaf gibt es später auch noch.
Einflüsse aus russischen bzw. slawischen Märchen/Sagen/Aberglaube sind auch enthalten.
Das ist anfangs interessant, was mir an dieser Welt aber gefehlt hat, ist der rote Faden, sind die Regeln.
So können beispielsweise Tiere manchmal sprechen, aber meistens nicht. Die komplette Welt biegt sich für den Plot, alles passiert so, wie es eben grade gebraucht wird und vor allem so, wie Vida es grade braucht.
Denn sie ist die typische Mary Sue: Sie tut nur wenig und trotzdem passiert alles, wie es soll.
Es gibt keine Situation, die mal verzwickt erscheint, bei der sie sich anstrengen muss und bei der ich als Leserin aufgeregt dasitze und denke "wie kommt sie da nur wieder raus?"
Es gibt auch keine wirklich dichte Story. Nicht ein mal habe ich mich gefragt, wie das wohl ausgeht und ob Vida xy schafft. Denn es gibt kein xy. Sie soll zwar eine Bestimmung haben, aber was das genau ist, wissen wir über den Großteil des Buches nicht.
Was es dafür gibt, sind unzählige Zeitsprünge und vieles wird einfach so im Bündel abgehandelt, nach dem Motto: "In den nächsten Wochen machten sie dann dies und das und einen Monat lang noch jenes". So erstreckt sich die Gesichte über Jahre, die für mich zäh wie Kaugummi waren, während ich mich gleichzeitig danach gesehnt habe, mal im Moment verweilen zu können, ohne das der Autor gleich wieder einen Sprung macht (Essenziell für "Leise-Töne-Stories": man muss gerne im Jetzt der Geschichte stecken und die Zeit dort genießen können).
Ein bisschen Paradox, aber so hat es sich für mich eben angefühlt.

Ebenfalls ein Problem hatte ich mit der schwarz-weiß Vorstellung von gut und böse. Mir ist klar, dass das beabsichtigt ist und das der Titel sehr schön dazu passt. Mir war das aber alles zu unoriginell.
Vor allem, wie das Böse entstanden sein soll, hat mich nur mit einem Stirnrunzeln zurückgelassen. Die Kurzform:
Vidas Mutter - wie ihre Schwestern eine Art Göttin ("Mütter" genannt) - verliebt sich in einen normalen Mann. Eine dieser Schwestern neidet ihr das und will ihn für sich (zur Erinnerung, wir reden hier von einem ganz regulären, unschnieken Mann und es gäbe Millionen andere, die sie hätte haben können, aber nein, es muss der sein).
Bis zu diesem Zeitpunkt gab es keine schlechten Emotionen auf der Welt, keinen Krieg, kein Leid, keine Angst, nüscht. Alles Friede, Freude, Eierkuchen.
Damit ist nun aber Schluss, denn die Eifersucht entsteht... und danach auch alles andere, was schlecht ist.
Ich finde es immer hochinteressant, dass die weibliche Eifersucht in Geschichten meist so heimtückisch und zerstörerisch dargestellt wird. Wenn man sich die Realität mal anguckt, ist die männliche Eifersucht (und das dazugehörige Besitzdenken) ja eigentlich das größere Problem. Immerhin müssen allzu oft Frauen ihr Leben deswegen lassen.
Die Emotionen im Buch haben eine physische Gestalt und die Eifersucht wird als Frau mit hochgesteckten Haaren beschrieben, die ein Kleid trägt, das "bis zum Bauchnabel ausgeschnitten ist". Klischee much? Ich stelle sie mir ja eher als Kerl vor, mit stechenden Augen und adretter Frisur, ein "ganz netter Typ eben, der würde doch nie...". Aber das ist halt meine Fantasie. :)

Ich glaube mein größtes Problem war im Endeffekt (neben der oben erwähnten Langeweile), dass mich die Geschichte einfach überhaupt nicht berührt hat. Die Charaktere waren mir egal. Ihre schwülstigen Gespräche auch. Wie es ausgeht auch - und das ist nie ein gutes Zeichen.
Zum Schluss noch Ehre, wem Ehre gebührt: Das Buch ist insgesamt wirklich gut geschrieben. Der Autor kann das und deshalb habe ich es vermutlich auch zu Ende gelesen.
Alles andere ist eben wieder subjektiv und mein persönlicher Leseeindruck.

Veröffentlicht am 09.08.2019

Schaurig

Kalte Wasser
0

Lauren bekommt Zwillinge.
Während ihres Krankenhausaufenthaltes taucht im Zimmer nachts plötzlich eine unheimliche Frau auf, die einen Korb dabei hat. Darin befinden sich ebenfalls Zwillinge - und die ...

Lauren bekommt Zwillinge.
Während ihres Krankenhausaufenthaltes taucht im Zimmer nachts plötzlich eine unheimliche Frau auf, die einen Korb dabei hat. Darin befinden sich ebenfalls Zwillinge - und die Frau möchte tauschen.
Lauren schließt sich erschrocken im Bad ein und ruft die Polizei, doch es kann kein Eindringen festgestellt, niemand gefasst werden.
Zuhause begegnet ihr die unheimliche Frau wieder und wieder. Lauren traut sich vor Angst mit ihren Kindern nicht mehr aus dem Haus. Mann und Ärzte schieben alles auf die Psyche, den Schlafmangel.
Als Lauren ihren Mut zusammen nimmt und mit den Kindern spazieren geht, schläft sie bei einer Pause ein. Als sie aufwacht, ist der Kinderwagen verschwunden, wird aber schnell wieder gefunden.
Allerdings sind die Babys nicht mehr Laurens.
Niemand glaubt ihr - bis auf Polizistin Harper, der irgendwas an dem Fall ganz seltsam vorkommt...

Kalte Wasser ist eine gute Mischung:
Wir haben den unheimlichen, geheimnisvollen Teil, bei dem ich mich durchaus gegruselt habe (das passiert bei mir aber schnell, ich bin ein Angsthase), die etwas zu engagierte Polizistin, die auf Frauen steht und alles rund um Schwangerschaft, Geburt, Gewalt, Depressionen, Rollenverteilung.

Vom Paranormalen abgesehen, gab es die bedrückendsten Szenen für mich in der ersten Hälfte des Buches.
Wir erleben Laurens Entbindung gleich zu Beginn hautnah mit.
Es ist eine Zangengeburt und Lauren leidet Höllenqualen.
Auch als alles überstanden scheint, geht es ihr nicht besser.
Das Krankenhauspersonal ist empathielos und ruppig.
Sie bekommt innere Blutungen, die mit einem schmerzhaften und übergriffigen Eingriff gestillt werden müssen und bei denen Laurens Grenzen nicht respektiert werden.
Ich habe in letzter Zeit viel über Gewalt unter der Geburt gelesen und auch darüber, wie sehr unser glorifiziertes Mutterbild Frauen schaden kann und z.B. dafür sorgt, dass sich viele keine Hilfe suchen, die sie bräuchten, aus Angst, als Rabenmutter dazustehen.
Die Autorin stellt das Leid und die Angst meiner Meinung nach sehr gut dar.
Lauren leidet also mehr oder weniger stumm, weint viel, hat Angst, keine gute Mutter zu sein.
Man merkt, wie alleine sie mit allem dasteht.
Früher hieß es, man brauche ein Dorf, um ein Kind großzuziehen, heute soll das eine Person (meist die Mutter) allein schaffen, während Väter schon Helden sind, wenn sie sich das frisch gebadete und gewickelte Kind für 20 Minuten auf die Brust legen lassen.
Alles wird nochmal schlimmer, als Lauren entlassen wird.
Ein paar Tage gibt sich ihr Mann noch ein wenig Mühe, aber bereits nach den ersten schlaflosen Nächten zieht er ins Gästezimmer, weil er "es nicht mehr aushält" und ohne Schlaf "zu nichts zu gebrauchen ist". Es sind nur zwei Wochen Vaterschaftsurlaub und nicht mal während dieser Zeit schafft er es, sich gleichwertig um die Kinder zu kümmern.
Er gibt Lauren immer wieder zu verstehen, dass all das ihre Aufgabe und sowieso gar keine richtige Arbeit ist.
Als er wieder seiner Erwerbstätigkeit nachgeht, kommt er spät nach hause, weil er noch "durch die Bars" muss, "Kontakte knüpfen".
Und natürlich hat er auch noch ein paar andere Geheimnisse...
Ganz ehrlich, der Ehemann war für mich einfach ein riesen Schwein, aber ich kam nicht umhin daran zu denken, dass die Autorin hier ziemlich gut die (oder besser: eine) Realität abgebildet hat.
Natürlich sind nicht alle Männer so, dennoch passieren bestimmte Dinge wohl doch immer noch zu oft. Es gibt ja auch diverse Studien dazu, dass Mütter nach der Geburt ihren Schlaf einbüßen und Väter eher nicht, oder dass Mütter bei Wiedereinstieg in den Job 61% ihres Gehaltes verlieren und Väter nichts.
Zwischen den Zeilen wird in Kalte Wasser auch die Expertise angesprochen: von Lauren wird erwartet, dass sie sofort alles weiß und kann, dabei hat sie keine Ahnung, ist auf ähnlichem Wissensstand, wie ihr Mann, denn es sind auch ihre ersten Kinder.
Das Stillen fällt ihr schwer, sie hat Schmerzen und es strengt sie an.
Sie liest Bücher, um mehr über Babys und Erziehung zu erfahren, während ihr Mann seine "Papalektüre" nicht einmal durchblättert.
Für mich hat die Autorin hier jedenfalls einen fantastischen Job gemacht. Das alles kommt so wunderbar schleichend, der Ehemann wird nicht als absolutes Monster portraitiert.
Ich hatte richtige Beklemmungen und schlimmstes Mitleid mit Lauren.

Die Teile, die nicht aus Laurens Sicht geschrieben sind, haben den Narrativ der Polizistin Harper.
Sie arbeitet nicht ganz so oft nach Vorschrift und insgesamt mochte ich sie sehr.
Allerdings habe ich bei ihr auch ein paar kleine Kritikpunkte:
Mir war es etwas zu weit hergeholt, dass sie sich so für Laurens Fall interessiert, obwohl er nur einer von vielen Abgeschlossenen unter den Akten ist.
Wenn sie noch diejenige gewesen wäre, die ins Krankenhaus gerufen wurde... aber sie sieht den Fall einfach auf dem PC und ist sofort Feuer und Flamme. Begründet wird das zum einen mit ihrer Vergangenheit, die mir dafür nicht ausreicht und zum anderen mit ihrer unschlagbaren Intuition - die, wie ich finde, dafür an anderen Stellen manchmal ziemlich zu wünschen übrig lässt.
Harper steht auf die Journalistin Amy. Ich wusste die meiste Zeit nicht, was ich von dieser Person halten soll und ich fand Harper ihr gegenüber wahnsinnig unvorsichtig... mit dem, was zu Amy am Ende rauskommt, war ich aber sehr zufrieden.

Kalte Wasser hatte auf mich jedenfalls eine ziemliche Sogwirkung und ich mochte die unheimliche Stimmung, die verschiedenen Gefühle, die es bei mir ausgelöst hat und die Fragen, die ich mir teilweise immer noch ein bisschen stelle.
Eine spannende Schauergeschichte, die sich zu lesen lohnt.