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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.06.2023

Düster und beklemmend

Kremulator
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Im zweiten Weltkrieg befindet sich neben dem Dritten Reich, auch die Sowjetunion fest in diktatorischer Hand. Unter Stalin sterben die Menschen nicht nur an der Kriegsfront, es finden zudem immer wieder ...

Im zweiten Weltkrieg befindet sich neben dem Dritten Reich, auch die Sowjetunion fest in diktatorischer Hand. Unter Stalin sterben die Menschen nicht nur an der Kriegsfront, es finden zudem immer wieder brutale Säuberungsktionen statt, die das Land von Revolutionären, Spionen und sonstigen potentiellen Feinden des Regimes befreien sollen. Lieber einen Unschuldigen zu viel, als einen Schuldigen zu wenig, scheint das Motto dabei zu sein. Die Leichen der Hingerichteten muss der Direktor des Moskauer Krematoriums nachts in den Brennofen beseitigen. Eines Tages wird auch der Direktor selbst verhaftet und findet sich im Verhörgefängnis wieder, wo ihm Spionage vorgeworfen wird.
Sein bewegtes Leben in zahlreichen Ländern und die spätere Rückkehr in seine russische Heimat werden ihm dabei zum Verhängnis.
Anfangs scheint er noch davon überzeugt zu sein, glimpflich aus dieser Situation herauszukommen, bis er erkennt, dass sein Urteil schon längst feststeht.

Sasha Filipenko bedient sich mit Pjotr Nesterenko einem eher ungewöhnlichen Protagonisten, der tatsächlich real existiert hat. Dabei stützt er seinen Roman vor allem auf die aufgezeichneten Verhörprotokolle aus der Zeit seiner Gefangenschaft, die dabei bedrückende Einblicke in die brutale Willkürherrschaft des damaligen Staatsapparats geben. Das allein erzeugt eine bedrückende, düstere Atmosphäre, die mich trotz der erschütternden Thematik emotional auf Distanz hält und damit auch die Abgeklärtheit Nesterenkos’ und seine Gleichgültigkeit gegenüber dem Tod widerspiegelt. In den sechs Verhören antwortet er auf die Fragen des Verhöroffiziers oftmals mit blankem Zynismus, was überraschenderweise selten Konsequenzen hat. Bis zum Ende bleibt mir sein Charakter undurchsichtig und suspekt. Der deutliche Hakenschlag, die Verbindung zu den heutigen Machtverhältnissen in Russland, die sich bis heute nicht von der Vergangenheit abgekoppelt haben, fehlt mir allerdings etwas, obwohl immer wieder Parallelen erkennbar sind.
Da ich vorab nur den Klappentext gelesen habe, hatte ich eine etwas andere Erwartung an die Geschichte, weshalb ich nur dazu raten kann, vorab die Leseprobe zu lesen.
Es ist ein lesenswertes Buch, aber eben nicht für jedermann.

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Veröffentlicht am 05.06.2023

Werbung für japanische Küche

Das Restaurant der verlorenen Rezepte (Die Food Detectives von Kyoto 1)
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Nagare Kamogawa und seine Tochter Koishi betreiben in Kyoto ein geradezu verstecktes, nach außen unscheinbares Restaurant, das Kamogawa Shokudō. Nur eine Anzeige im “Gourmet Insider” weist den Weg dorthin. ...

Nagare Kamogawa und seine Tochter Koishi betreiben in Kyoto ein geradezu verstecktes, nach außen unscheinbares Restaurant, das Kamogawa Shokudō. Nur eine Anzeige im “Gourmet Insider” weist den Weg dorthin. Hier versuchen Vater und Tochter gemeinsam in detektiver Feinarbeit, verlorengegangene Rezepte von Gerichten für ihre Kunden wieder aufzuspüren und nachzukochen.

Jedes der im Buch enthaltenen sechs Kapitel, ist dabei einem Klienten und deren Erinnerung an eine bestimmte Speise gewidmet, die Nagare für ihn kochen soll. Der Ablauf innerhalb der Kapitel ist immer ähnlich, daher auch recht eindimensional.
Interessant sind jedoch die zahlreichen Komponenten, Zubereitungsarten und Zutaten in der japanischen Küche, die hier zuhauf erwähnt werden. Ein Effekt davon ist, ich habe beim Lesen durchweg Appetit auf Sushi und Co. Andererseits beschränkt sich die Handlung leider fast ausschließlich auf das Essen, was schnell langweilt und den Lesefluss zäh macht. Tatsächlich habe ich mir von der Geschichte insgesamt viel mehr Tiefgang erhofft. Der philosophische Charakter auf den ich hierbei gewartet habe, wollte sich aber lange nicht zu erkennen geben. Lediglich im letzten Drittel des Buches bewegen sich die Geschichten dann doch mehr auf der zwischenmenschlichen Ebene und nähert sich damit meiner ursprünglichen Erwartungen an die Story an.Auch wenn das über die lahme erste Buchhälfte ein wenig hinwegtröstet, bleibt es insgesamt bei einem durchwachsenen und nicht ganz zufriedenstellenden Leseerlebnis. Schade, wo die Grundidee doch einiges Potential hat.

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Veröffentlicht am 02.05.2023

Falsche Zielgruppe

3000 Yen fürs Glück
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Miho steht an einem Wendepunkt in ihrem Leben und möchte sich einen Hund und ein eigenes Haus leisten. Ihre Schwester Maho ist mit einem Feuerwehrmann verheiratet und hat ein Kind. Das Geld ist knapp. ...

Miho steht an einem Wendepunkt in ihrem Leben und möchte sich einen Hund und ein eigenes Haus leisten. Ihre Schwester Maho ist mit einem Feuerwehrmann verheiratet und hat ein Kind. Das Geld ist knapp. Und auch ihre Mama, sowie die Großmutter Kotoko machen sich zunehmend Gedanken um ihre finanzielle Zukunft, so dass sich letztere mit ihren 70 Jahren eine Arbeit suchen möchte.

Die vier Frauen, die drei verschiedene Generationen abbilden, unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich des Umgang mit Geld, sondern auch mit dem Ein-j und Ansparen finanzieller Mittel. Die Abschnitte, in denen sich dann explizit mit dem Spar-Aspekt beschäftigt wird, sind für mein Empfinden jedoch teilweise viel zu langatmig und ausschweifend geraten und haben von der eigentlichen Handlung sehr abgelenkt. Zudem stolpert man beim Lesen immer wieder über zahlreiche, ausschließlich in Yen angegebenen Geldbeträge, mit denen ich als deutsche Leserin nicht wirklich etwas anfangen kann. Ein Sparfuchs lernt hier jedenfalls eher nichts Neues. Methoden wie das Führen eines Haushaltsbuches sind schließlich hinreichend bekannt und alles andere im Buch zu umständlich erklärt. Man sollte keinesfalls DIE „ultimativen“ Ratschläge zum Sparen erwarten.
Betrachtet man das Buch mit dem kulturellen Hintergrund der Autorin, ist es jedoch kein Wunder, dass dieser Roman in Japan ein Bestseller geworden ist.
Es wirkt wie ein unaufdringlicher Ratgeber, der sich in erster Linie an (zukünftige) Hausfrauen und Witwen in der konservativen, patriarchalischen japanischen Gesellschaft richtet. Durch die Lebenssituationen, in denen sich die Protagonistinnen in der Geschichte jeweils befinden, werden nämlich gerade die Schwachstellen der traditionelle Lebensweise, die das Eingehen einer Ehe als erstrebenswert und gleichbedeutend für eine finanzielle Absicherung sieht, unmissverständlich thematisiert. In diesem Fall lohnen sich dann auch die aufgezeigten Möglichkeiten, mit denen sich die Frau zumindest in monetärer Hinsicht, eine gewisse Unabhängigkeit sichern kann.

Insgesamt hat mir der zwischenmenschliche Aspekt in dem Roman ganz gut gefallen, wurde jedoch an einigen Stellen zu sehr von dem Spar-Thema überlagert und konnte mich daher am Ende nicht vollends überzeugen.

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Veröffentlicht am 26.02.2023

Hat mich nicht überzeugt!

Ohne mich
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Eine Mittzwanzigerin, kurz vor Ende ihres Jurastudiums, frisch getrennt von ihrem „Ehemann“, mit dem sie ein recht kurzes Ehe-Intermezzo hatte, nun ein drogengeschwängertes Partyhopping betreibt.
Im Grunde ...

Eine Mittzwanzigerin, kurz vor Ende ihres Jurastudiums, frisch getrennt von ihrem „Ehemann“, mit dem sie ein recht kurzes Ehe-Intermezzo hatte, nun ein drogengeschwängertes Partyhopping betreibt.
Im Grunde sind es eine Aneinanderreihung zahlreicher Versuche der namenlosen Hauptprotagonistin, in einer Selbstfindungsphase, ihre eigenen Wünsche, Ziele und Bedürfnisse auszuloten.

Ich beende das Buch und weiß erst einmal nicht genau, was ich von dem Gelesenen halten soll.
Es ist auf eine Weise, die sich nicht näher definieren lässt, einerseits besonders und einzigartig, andererseits habe ich nicht das Gefühl, etwas aus diesem Buch mitzunehmen oder mich mit der Geschichte auch nur ansatzweise identifizieren zu können.
Denn obwohl ich, wie vermutlich jede*r Andere in den Zwanzigern eine Phase der Identitätsfindung und -festigung durchmacht,
ist diese Darstellung schon sehr extrem. Die Partywut, nachvollziehbar, der nicht unerhebliche Alkohol-, Koks- und Haschischkonsum als angehende Juristin finde ich strange.

Vor allem, weil mir zu dem ein paar Parallelen zwischen der Geschichte und dem Autorinnenkurzportrait auffallen, bei dem ich mir die Frage stelle, ob es sich ein Stück weit, um einen Teil autobiografischer Aufarbeitung handelt??

Schlussendlich bin ich von der Geschichte enttäuscht, nachdem ich den „Wow-Effekt“ leider vergeblich gesucht, aber nicht gefunden habe.
An dieser Stelle kann ich nur empfehlen, sich selbst ein Bild von dem Buch zu machen, das bisher zahlreiche positive Kritiken erhalten hat.
Mein Geschmack war es leider nicht.

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Veröffentlicht am 18.12.2022

Kulturschock

Ein Alman feiert selten allein
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Elif, die Tochter einer türkischen Gastarbeiterfamilie ist, bekommt eine Einladung zur Weihnachtsfeier bei den Eltern ihres deutschen Freundes Jonas. Ihrer anfänglichen Freude und ehrlichen Begeisterung ...

Elif, die Tochter einer türkischen Gastarbeiterfamilie ist, bekommt eine Einladung zur Weihnachtsfeier bei den Eltern ihres deutschen Freundes Jonas. Ihrer anfänglichen Freude und ehrlichen Begeisterung folgt jedoch bald der Kulturschock.
Mit der eigens hierfür gegründeten WhatsApp-Gruppe stellt sich schnell heraus, dass Weihnachten bei Jonas Familie keinesfalls besinnlich und ruhig zu werden scheint, wie sie sich das in Gedanken zunächst ausgemalt hat, sondern dank der Planungswut ihrer zukünftigen Schwiegermutter, Ähnlichkeiten mit einem straff organisiertem Schlachtplan hat und durch die Anzahl der geladenen Familienmitglieder, eher einer Großveranstaltung anmutet.
Bereits genervt, bevor es tatsächlich losgeht, wird der Weihnachtsabend für Elif tatsächlich zum Spießrutenlauf und die Beziehung zu Jonas steht nach wenigen Stunden auf der Kippe.

Die Geschichte ist voller Klischees und kulturellen Vorurteilen, in der man immer wieder den Spiegel vorgehalten bekommt.
Gerade in Sachen “Alltagsrassimus” kann der ein oder andere durch dieses Buch noch einiges lernen.
Die Darstellung der deutschen Weihnachtstraditionen sind zwar nicht allgemeingültig und sehr überspitzt dargestellt, doch teilweise mit Wiedererkennungswert und aus einem anderen Blickwinkel heraus, möglicherweise auch etwas seltsam anmutend.

Insgesamt hat mich die Geschichte gut unterhalten, wenn auch nicht ganz meinem Humor entsprechend, aber das ist bekanntlich Geschmacksache!

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