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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.03.2021

Ungewöhnlich, aber leider auch sehr verwirrend

Adas Raum
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Protagonistin des Buches ist Ada - doch Ada lebt nicht nur ein Leben, sondern mehrere verschiedene: Sie lebt 1459 in einem Dorf in Ghana, 1848 in London, 1945 in einem KZ im Harz und 2019 in Berlin. Ständig ...

Protagonistin des Buches ist Ada - doch Ada lebt nicht nur ein Leben, sondern mehrere verschiedene: Sie lebt 1459 in einem Dorf in Ghana, 1848 in London, 1945 in einem KZ im Harz und 2019 in Berlin. Ständig begleitet wird sie von einem namenlosen Ich-Erzähler, einer Art höherem Bewusstsein, das in jedem von Adas Leben in Gestalt eines anderen Objekts vertreten ist - als Reisigbesen, Türklopfer, KZ-Zimmer und Reisepass - und das gemeinsam mit Gott Ada immer wieder besucht. So sehen wir Ada im Ghana des 15. Jahrhunderts, wie sie um ihr soeben verstorbenes Neugeborenes trauert, Ada als Mathematikerin, die die Rechenmaschine erfindet und eine Affäre mit Charles Dickens hat, Ada, die als Zwangsprostituierte in einem KZ arbeitet und Ada, wie sie hochschwanger in Deutschland Fuß zu fassen versucht, um dort Informatik studieren zu können.

Verbunden werden die verschiedenen Zeitebenen nicht nur durch den unbekannten Ich-Erzähler, sondern auch durch ein Perlenarmband, das über die Jahrhunderte hinweg seinen Weg aus Ghana bis nach Deutschland findet und dessen Rolle und Bedeutung darüber hinaus eher unklar bleibt.

Inwiefern Ada sich ihrer verschiedenen Existenzen bewusst ist, wird nicht ganz deutlich - manchmal scheint sie zumindest eine Ahnung von ihren vergangenen Leben zu haben, dann wieder wirkt alles eher zusammenhanglos. Die ungewöhnlichen Perspektiven, etwa die, die durch die Sichtweise und Wahrnehmung eines ganzen Zimmers eröffnet wird, sind anfangs verwirrend, haben mir jedoch nach einer Weile gut gefallen. Dafür fiel es mir sehr schwer, gerade am Anfang das Geschehen einzuordnen - sowohl zeitlich, als auch in einen größeren Zusammenhang. Dadurch, dass sich Ada wohl selbst nicht ganz über die Verbindungen zwischen den verschiedenen Zeiten bewusst ist und da die wenigen Informationen, die man vom Ich-Erzähler diesbezüglich erhält, auch eher vage sind, habe ich bis zum Ende des Buches dessen Struktur und das Konzept dahinter nicht wirklich verstanden. Die Grenzen zwischen den Zeiten und den verschiedenen Adas sind da, aber sehr verschwommen, und insgesamt hat mich das Buch mehr verwirrt als dass es mir das Gefühl gegeben hat, nach dem Lesen irgendetwas erreicht zu haben.

Der Schreibstil ist schön und der ungewöhnliche Ansatz des Buches sehr interessant, leider konnte ich damit aber bis zum Schluss nicht warmwerden. Die Proagonistin(nen) blieb(en) mir zu fremd, die Zusammenhänge zu ungenau und zu sehr nur angedeutet. Es war eine interessante Leseerfahrung, die ich so aber nicht unbedingt wiederholen müsste, wenn ich vorher wüsste, was mich erwartet.

Veröffentlicht am 14.03.2021

Eine berührende Reise ins Polen der 1980er

Im Wasser sind wir schwerelos
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Als Ludwik am Ende seines Studiums für einige Wochen zu einem Ernteeinsatz aufs Land fährt, begegnet er dort Janusz und ist sofort wie verzaubert. Es ist nicht das erste Mal, dass er sich zu einem anderen ...

Als Ludwik am Ende seines Studiums für einige Wochen zu einem Ernteeinsatz aufs Land fährt, begegnet er dort Janusz und ist sofort wie verzaubert. Es ist nicht das erste Mal, dass er sich zu einem anderen Jungen hingezogen fühlt, und als sich der Ernteeinsatz dem Ende zuneigt, beschließt er, im Anschluss mit Janusz gemeinsam für eine Weile wandern zu gehen.

Die Gefühle, die sich zwischen den beiden jungen Männern entwickeln sind tiefer, als Ludwik zu hoffen gewagt hatte; und dennoch kann er sie nie in vollen Zügen ausleben, denn Homosexualität ist im Polen der frühen 1980er Jahre alles andere als gerne gesehen. Auch die politische Lage zu jener Zeit stellt Janusz und Ludwik vor eine harte Probe - denn während Janusz sich vollkommen in das System voller Ungerechtigkeiten einzufügen vermag, ist für Ludwik klar, dass der einzige Ausweg in der Flucht in den Westen besteht.

Erzählt wird die Geschichte Ludwiks und Januszs Jahre später, als Ludwik sich im selbstgewählten Exil in den USA befindet. Die Tragik der Beziehung der beiden ist von Anfang an offensichtlich, und dennoch (oder gerade deshalb?) kann man gar nicht anders, als mit Ludwik mitzuhoffen und mitzutrauern. Die Zeit des Umbruchs, in die er hineingeboren wurde, wäre auch ohne seine Homosexualität schon alles andere als einfach; und dass er einen Jungen liebt, hebt das Maß seiner inneren Zerissenheit noch auf eine viel höhere Ebene. Denn es ist klar, dass die Beziehung der beiden geheim bleiben muss, vor der Öffentlichkeit und auch vor gemeinsamen Freunden.

Die Atmosphäre des Romans hat mich bereits auf den ersten Seiten überwältigt; die Tragik und der Schmerz Ludwiks sind sehr eingängig und nachvollziehbar beschrieben. Man kann sich gut hineinfühlen in seine Lage, in seine schmerzliche, zum Scheitern verurteilte Liebe und in seinen Wunsch, nicht länger in die engen Grenzen eines kommunistischen Systems, das für große Teile der Bevölkerung nur sehr schlechte Arbeits- und Lebensbedingungen bereithält, hineingezwängt zu werden.

Ludwik hat mir als Protagonist sehr gut gefallen und nimmt den Leser schnell für sich ein. Auch den Schreibstil mochte ich sehr gerne. Insgesamt ein Buch, das mir sicher noch eine Weile im Gedächtnis bleiben wird und das ich sehr gerne weiterempfehle!

Veröffentlicht am 04.03.2021

Insgesamt gut mit gemütlichem Anfang

Touch of Ink, Band 1: Die Sage der Wandler (Fesselnde Gestaltwandler-Romantasy)
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Quinn zieht für ihr Studium nach Nanaimoo, da sie immer öfter mit plötzlichen Aussetzern zu kämpfen hat. Dabei sieht sie Bilder von einem Wald, durch den sie sich sehr schnell zu bewegen scheint. Um die ...

Quinn zieht für ihr Studium nach Nanaimoo, da sie immer öfter mit plötzlichen Aussetzern zu kämpfen hat. Dabei sieht sie Bilder von einem Wald, durch den sie sich sehr schnell zu bewegen scheint. Um die Häufigkeit dieser Attacken wieder zu verringern, ist also dringend ein Tapetenwechsel angesagt, und so zieht Quinn voller Hoffnung und Vorfreude auf das anstehende Studium zu ihrer Schwester. Sie findet eine Freundin an der Uni und dann ist da auch noch Nathan, für den sie Gefühle zu entwickeln beginnt. Doch bald schon muss Quinn erkennen, dass ihr die neue Umgebung keinerlei Besserung verschafft, im Gegenteil. Als dann plötzlich ihre Freundin Maya und einige weitere Personen verschwinden, wird Quinn immer tiefer in eine geheimnisvolle, verborgene Welt hineingezogen...

Ich stand dem Buch etwas skeptisch gegenüber und anfangs sah es auch lange sehr danach aus, als würde sich die Geschichte einfach bloß wie eines der üblichen New-Adult-Bücher entwickeln: Neuanfang in einer fremden Umgebung nach problematischer Vergangenheit, die große Liebe zu einem geheinisvollen Typen, ein paar Probleme und am Ende alles gut.

Das Buch nimmt dann auch nur recht lansam an Fahrt auf, wenn auch die Protagonisten gleich von Anfang an sympathisch sind. Es lässt sich dennoch flüssig lesen und so lässt man die anfänglichen Längen recht schnell hinter sich, bis es dann etwas interessanter wird, als Quinn langsam die Tragweite der Umstände bewusst werden und als man als Leser langsam in die Welt Nathans und der Wandler eingeführt wird.

Wirklich überzeugen konnte mich das Buch insgesamt dennoch nicht vollständig, weil ich erst auf den letzten hundert Seiten die ersehnte Spannung gefunden habe. Es war eine nette Lektüre, viel mehr aber eigentlich auch nicht. Vielleicht kommt die Geschichte in Band 2 schneller in Fahrt, jetzt, wo man als Leser alle Grundbegriffe und Umstände kennt.

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Veröffentlicht am 28.02.2021

Mosaik der Wünsche

Der Zirkus von Girifalco
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Es ist Sommer im italienischen Dorf Girifalco. Die Dorfbewohner erwarten bereits sehnsüchtig die anstehenden Feiertage zu Ehren des Heiligen San Rocco, als ein verirrter Zirkus auf dem Feld in der Nähe ...

Es ist Sommer im italienischen Dorf Girifalco. Die Dorfbewohner erwarten bereits sehnsüchtig die anstehenden Feiertage zu Ehren des Heiligen San Rocco, als ein verirrter Zirkus auf dem Feld in der Nähe Halt macht und innerhalb weniger Tage das Leben zahlreicher Bewohner grundlegend verändert.

Der Roman ist nicht auf die herkömmliche Weise aus der Sicht eines oder weniger Protagonisten geshrieben, sondern lässt sich vielmehr als eine Art Mosaik aus den Leben vieler einzelner Menschen verstehen, in dessen Mittelpunkt derZirkus steht. Da wäre zum Beispiel Archidemu, dessen Bruder vor vielen Jahren verschwunden ist und der sich seitdem viele Gedanken zum Universum und zum Leben macht; Angeliaddu, der von allen ausgegrenzt wird, da er "gezeichnet" ist und somit ja nur eine Inkarnation des Bösen sein kann; oder Cuncettina, die einfach nicht schwanger werden kann und deren ganzes Leben von dieser Enttäuschung bestimmt wird. Wechselseitig wird die Geschichte nun aus Sicht all dieser Personen erzählt. Mit der Ankunft des Zirkus kommt auch die Hoffnung ins Dorf, und man hofft inständig auf die verschiedensten Wunder.

Ich habe den Roman gerne gelesen, phasenweise war er jedoch recht langatmig. Nicht alle Figuren waren mir sympathisch, die Geschichte mancher wurde mir auf Dauer zu anstrengend und andere habe ich dafür erst mit der Zeit zu schätzen gelernt. Gerade in der ersten Hälfte des Buches hat mir etwas der rote Faden gefehlt, dort waren die Schicksale ein wenig zu lose nebeneinandergestellt und es dauert eine Weile, bis man einen Überblick erhält und das Gefühl bekommt, dass die Geschichte sich entwickelt und in Schwung kommt.

Der Schreibstil hat mir gut gefallen und auch der Flair des kleinen italienischen Dörfchens mit seinen teils sehr skurrilen Einwohnern wurde gut eingefangen; man konnte sich - wie die Zirkusfamilie - als "Fremder" gut in diese Kulisse einfühlen, in dieses Puzzle aus Menschen, die einen Einblick sowohl in ihr ganz alltägliches Leben als auch in ihre tiefsten, intimsten Wünsche erlauben. Fast spürt man beim Lesen selbst die aufgeregte, erwartungsvolle Sehnsucht, die sich beim Anblick der Zirkuszelte unter den Dorfbewohnern ausbreitet, die Freude auf die abendlichen Vorstellungen, die längst vergessen Geglaubtes in Erinnerung rufen und schon lange Aufgegebenes plötzlich möglich zu machen scheinen.

Melancholisch und mit seiner poetischen Sprache entführt "Der Zirkus von Girifalco" den Leser nicht nur in ein kleines, kalabrisches Dörfchen, sondern auch in eine Welt voller Magie und Vertrauen ins Leben. Mir hat diese Reise gut gefallen, ich hätte aber einige Längen gerne gestrichen und mir weniger häufige Perspektivwechsel gewünscht.

Veröffentlicht am 26.02.2021

Der Sommer einer Jugend

Hard Land
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Sam hat über den Sommer einen Job im Kino angenommen. Er ist 15 Jahre alt, eher der ruhige Außenseiter und möchte für einige Wochen den Sorgen entkommen, die zuhause auf ihn warten, denn seine Mutter ist ...

Sam hat über den Sommer einen Job im Kino angenommen. Er ist 15 Jahre alt, eher der ruhige Außenseiter und möchte für einige Wochen den Sorgen entkommen, die zuhause auf ihn warten, denn seine Mutter ist schwerkrank. Und in diesem einen Sommer 1985 wird alles anders, als es zuvor je war. Bald schon freundet er sich mit seinen etwas älteren Arbeitskollegen an und verliebt sich zum ersten Mal. Sam macht in diesem Sommer viele wertvolle Erfahrungen und entdeckt die Welt um sich herum ganz neu, er bekommt die Chance endlich ein fast normales Teenager-Leben zu führen und wird dabei gleichzeitig ein Stück erwachsener.

Mein erstes Buch von Benedict Wells hat mich gleich auf den ersten Seiten in seinen Bann gezogen. Sam als Protagonist war mir sehr nahe, ich konnte mich stets gut in ihn hineinfühlen und finde zudem, dass er im Laufe des Buches eine großartige Entwicklung durchmacht. Auch die anderen Figuren, besonders Sams Arbeitskollegen, aber auch beispielsweise sein Vater sind alle sehr individuell skizziert und schön und authentisch ausgearbeitet.

Die Atmosphäre des Buches hat mir sehr gut gefallen, dieses Gefühl eines vergangenen Jahrzehnts, das da beim Lesen aufkommt, wird sehr greifbar.

Das Buch lässt sich toll lesen, der Schreibstil schwankt ebenso wie Sams Gefühlleben zwischen euphorisch und melancholisch. "Euphancholisch" eben.

Fazit: Eine wunderschöne, überzeugende Coming-of-Age-Geschichte mit sehr schöner Atmosphäre. Sicher nicht mein letzter Wells!