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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.12.2024

Verstörend und mutig

Die Vegetarierin
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Der Klappentext verspricht ein verstörend hypnotisierendes Buch und genau das ist es, was man bekommt. Han Kang erzählt die Geschichte einer Frau, die nach und nach aus dem Patriarchat ausbricht und allen ...

Der Klappentext verspricht ein verstörend hypnotisierendes Buch und genau das ist es, was man bekommt. Han Kang erzählt die Geschichte einer Frau, die nach und nach aus dem Patriarchat ausbricht und allen Meinungen zum Trotz zur Pflanze werden will.
Dabei kommt die Protagonistin Yong-Hye selbst gar nicht zu Wort, wir lernen sie einzig durch die Perspektiven ihrer Familienmitglieder kennen. Dieses Stilmittel finde ich interessant und gut gewählt in Bezug auf die behandelten Themen Selbst- und Fremdbestimmung.
Viel verstörender als ihre Metamorphose waren aber die kaum zu ertragenden frauenfeindlichen Gedanken und Handlungen, die Bevormundung, ja fast Entmenschlichung, Yong-Hyes durch andere, ich habe beim Lesen die ganze Zeit gehofft, dass sich in Südkorea seit dem Erscheinen 2007 etwas getan hat. Dahingehend ist “Die Vegetarierin” definitiv ein Augen öffnendes, kontroverses und wichtiges Werk.
Dennoch tue ich mich schwer mit der Bewertung dieses Buches. Mir persönlich gibt es zu viele unbeantwortete Fragen, zu viel Deutungsspielraum, der ganze Metamorphosenteil war mir zu absurd. Aus dem Ende wurde ich nicht richtig schlau.
Der schlichte, aufs Wesentliche reduzierte Schreibstil hat mir aber sehr gut gefallen und seine Wirkung erzielt: mich in seinen Bann gezogen. ⭐️3/5⭐️

*Übersetzt von Ki-Hyang Lee

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Veröffentlicht am 02.12.2024

Spannende Grundidee mit Schwächen

Reality Show
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“Reality Show” besteht aus kurzen, rasanten Szenen. Die vielen Zeit- und Perspektivwechsel sorgen zusätzlich für Dynamik und so lesen sich die gut 400 Seiten schnell weg.
Es gibt allerdings unübersichtlich ...

“Reality Show” besteht aus kurzen, rasanten Szenen. Die vielen Zeit- und Perspektivwechsel sorgen zusätzlich für Dynamik und so lesen sich die gut 400 Seiten schnell weg.
Es gibt allerdings unübersichtlich viele Sichtweisen: neben den zehn Geiseln und ihren Angehörigen lernen wir Zuschauerinnen der Show besser kennen, ebenso wie Ermittlerinnen und natürlich die Mitglieder der Gruppe, die den ganzen Coup planen und durchführen (und außerdem neben ihren Klarnamen noch Decknamen haben, die zusätzlich für Verwirrung sorgen). So kann man zu keinem der Charaktere wirklich eine Beziehung aufbauen, denn sie wirken alle eher einseitig beleuchtet und ihre Geschichten werden nur oberflächlich angedeutet.
Selbst die Taten der Geiseln, für die sie in der Show verurteilt werden, werden nicht alle genannt.

Ganz unverblümt übt Anne Freytag in ihrem Roman Gesellschaftskritik aus; die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer, die Politik immer rechter, die Justiz immer willkürlicher. Außerdem beleuchtet sie die Unterschiede und jeweiligen Vorteile von Selbstjustiz und Rechtsstaat.
Oft wurde dabei für meinen Geschmack zu voreingenommen und unkritisch gedacht. Auch die Geiselnehmer*innen und ihre (definitiv kriminellen) Taten wurden sehr glorifiziert, ihre Selbstjustiz zu positiv und sie selbst als Helden dargestellt.

Zusammenfassend beleuchtet “Reality Show” ein interessantes Gedankenexperiment, welches in der Realität wohl nicht ganz so gut funktionieren würde, aber als fiktives Werk gut für Spannung sorgt. Die Glorifizierung von Straftaten sowie die vielen Figuren, die lieblos abgehandelt werden, haben mir jedoch nicht gefallen. ⭐️3/5⭐️

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Veröffentlicht am 25.11.2024

Intensiv

Jägerin und Sammlerin
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Lana Lux ist mal wieder ein intensiver Roman über ein gern verschwiegenes Thema gelungen. Diesmal stehen Essstörungen im Vordergrund, ebenso weitere psychische Erkrankungen wie Depressionen und Zwangsverhalten, ...

Lana Lux ist mal wieder ein intensiver Roman über ein gern verschwiegenes Thema gelungen. Diesmal stehen Essstörungen im Vordergrund, ebenso weitere psychische Erkrankungen wie Depressionen und Zwangsverhalten, die oft in Kombination damit auftreten.
Zunächst wird die Protagonistin etwas unsympathisch dargestellt, nach und nach bekommt man jedoch mehr Verständnis für ihr Verhalten. Schließlich kommt Mitleid auf; wie sie um die Aufmerksamkeit ihrer toxischen Mutter kämpft, bereitet einem beim Lesen fast körperliche Schmerzen.
Und obwohl einen das Verhalten der Mutter extrem wütend macht, schafft Lana Lux es, auch dieser Person menschliche Züge zu geben, auch ihre verletzliche Seite zu zeigen. Man bekommt keine Entschuldigung, doch zumindest eine Erklärung für ihre Haltung.
“Jägerin und Sammlerin” ist ein Roman, der sensibilisiert für psychische Erkrankungen. Dabei wird deutlich, dass Betroffene unbedingt (professionelle) Hilfe benötigen, denn allein schafft man es aus diesem schrecklichen Strudel nicht, steht sich regelrecht selbst im Weg. Dass psychische Krankheiten immer noch oft abgetan werden, oft sogar vom engsten Umfeld nicht erkannt werden (erkannt werden wollen?), zeigt dieses Buch auf eindringliche und bedrückende Weise.

Inhaltlich würde ich 5/5 Sterne geben, jedoch ziehe ich einen ab, da dem Buch eine Überarbeitung vom Lektorat guttun würde. Es liest sich im Gegensatz zu “Geordnete Verhältnisse”, wo jeder Satz perfekt sitzt, wie eine Rohfassung. Neben vielen Tipp- und Rechtschreibfehlern sammeln sich einige Sätze/ Passagen, die sich noch sehr holprig lesen.

Zusammengefasst ist es ein Roman über ein Nischenthema, der wieder einmal sehr packend und Augen öffnend ist und sicher noch einige Zeit im Gedächtnis bleiben wird. ⭐️4/5⭐️

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Veröffentlicht am 21.11.2024

Ratgeber und Biografie

Die Geschichten in uns
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In “Die Geschichten in uns” gibt Benedict Wells erstmals Einblicke in sein Privatleben, die ersten Kapitel lesen sich dadurch wie eine Biografie. Schnell wechselt der Fokus jedoch auf sein Schreiben: wie ...

In “Die Geschichten in uns” gibt Benedict Wells erstmals Einblicke in sein Privatleben, die ersten Kapitel lesen sich dadurch wie eine Biografie. Schnell wechselt der Fokus jedoch auf sein Schreiben: wie er dazu kam, was ihn inspiriert (hat), welche Werkzeuge er nutzt.
Wir erfahren viel über die Entstehungsgeschichte seiner Bücher, was ich persönlich am interessantesten fand.
Außerdem erklärt er anhand vieler eigener und fremder Beispiele, wie er beim Schreiben vorgeht/ worauf er achtet. Dabei spricht er nicht allgemeingültig, sondern betont, dass es sein persönlicher Weg ist. Dennoch sind die angeführten Werkzeuge wohl für jeden angehenden Autorin nützlich.
Nicht nur für solche, sondern auch für Literaturliebhaber
innen, kritische Leser*innen und Fans von Wells’ Büchern ist dieses Buch empfehlenswert. ⭐️5/5⭐️

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Veröffentlicht am 07.11.2024

Eindringlich und wichtig

Meine dunkle Vanessa
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Ich habe schon lange kein Buch mehr gelesen, das so starke Emotionen in mir ausgelöst hat wie “Meine dunkle Vanessa”: Wut, Ekel, Mitleid. Bei manchen Szenen hat sich alles in mir zusammengezogen.
Zwischen ...

Ich habe schon lange kein Buch mehr gelesen, das so starke Emotionen in mir ausgelöst hat wie “Meine dunkle Vanessa”: Wut, Ekel, Mitleid. Bei manchen Szenen hat sich alles in mir zusammengezogen.
Zwischen zwei Zeitperspektiven springend erfahren wir die Geschichte der 15-jährigen Vanessa, die von ihrem 42-jährigen Lehrer nach und nach durch Grooming gefügig gemacht und nicht nur emotional, sondern auch sexuell missbraucht wird. Wir erleben hautnah, wie sie über die Jahre hinweg einfach nicht von ihm loskommt, welche ambivalenten Gefühle sie hat, wie der Lehrer es durch Manipulation schafft, dass sie selbst sich als Schuldige fühlt. Vanessas Gefühls- und Gedankenwelt sind dabei extrem authentisch dargestellt.
Besonders gut hat die Autorin auch den inneren Kampf der Protagonistin aufgezeigt, ihren Schmerz, als sie merkt, dass ihre über die Jahre aufrecht gehaltene Fassade der Liebesgeschichte bröckelt und sie sich eingestehen muss, dass sie doch das Opfer ist, das sie nie sein wollte.
Es wird deutlich, dass die psychischen Folgen eines solchen Traumas weitreichender sind, als man zunächst annimmt.

Der Roman bekommt eine große Empfehlung von mir, allerdings nur für diejenigen, die solch harte Kost ertragen können; denn er bereitet Bauchschmerzen, steckt den Finger tief in die Wunde und beschreibt sehr explizit. Und ist genau deshalb so wichtig. ⭐️4,5/5⭐️

*Übersetzt von Ulrike Thiesmeyer

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