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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.10.2023

Überraschend spannend

Das Damengambit
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Die achtjährige Beth Harmon kommt in ein Waisenhaus. Dort spielt sie durch Zufall eine Partie Schach mit dem Hausmeister im Keller. Ebenso wie ihre Liebe zum Spiel, entdeckt Beth schnell, dass die hier ...

Die achtjährige Beth Harmon kommt in ein Waisenhaus. Dort spielt sie durch Zufall eine Partie Schach mit dem Hausmeister im Keller. Ebenso wie ihre Liebe zum Spiel, entdeckt Beth schnell, dass die hier verabreichten Beruhigungspillen ihre Konzentration fördern.
Nach ihrer Adoption gelingt ihr eine Karriere als Schach-Wunderkind, die jedoch stets von ihrer Drogensucht überschattet wird.

Walter Tevis zeigt mit "Das Damengambit" auf jeden Fall eines: Mit dem nötigen Talent kann man über jedes Thema fesselnd schreiben.
Denn Schach hat mich nie sonderlich interessiert, dennoch hat mich die Handlung des Buches sehr gepackt.
Die einzelnen Partien werden sehr detailliert beschrieben und auch ohne Schachkenntnisse kann man die Spannung der jeweiligen Spiele praktisch greifen. Generell schafft es Tevis trotz seines sehr nüchternen Schreibstils gut, zwischen den Zeilen Emotionen zu erzeugen.

Die Protagonistin Beth mochte ich sehr. Sie war von Anfang an eine Außenseiterin und bleibt es auch bis zum Schluss, selbst in ihrer Schachwelt. Ich bin ihrem Werdegang gerne gefolgt, hab jeden Sieg mit ihr gefeiert, jede Niederlage bedauert und besonders ihren inneren Kampf gegen die verschiedenen Süchte, die ihre Karriere in Gefahr bringen, fand ich gut dargestellt.
Sie ist ein eigenwilliger, starker Charakter, und hebt sich nicht nur wegen ihres Alters, sondern auch wegen ihrer Weiblichkeit in einer männerdominierten Sportwelt ab.
Dass sie von den Medien dabei stets auf ihr Geschlecht statt auf ihr Talent reduziert wird, ist ebenso Thema wie viele andere kleine Kritikpunkte an der amerikanischen Gesellschaft der 50er-/ 60er-Jahre.

Auch die Sprecherin des Hörbuchs, Luise Helm, hat bei mir definitiv zum Hörvergnügen beigetragen: Mal abgesehen davon, dass ihre Stimme perfekt zu Beth passt, hat sie sowohl Spannung, als auch Emotionen erstklassig vermittelt, hat durch kleinste Veränderungen ihrer Stimme jeder Figur die nötige Eigenständigkeit verliehen und verdient meinen größten Respekt für ihre Leistung. Dies wird ganz sicher nicht mein letztes Hörbuch mit ihr sein.

Insgesamt war es ein wirklich interessanter Ausflug in eine mir unbekannte Welt mit einer tollen Protagonistin, jedoch bietet der Roman neben der spannenden Handlung nicht besonders viel Tiefe oder Mehrwert. Daher gebe ich ⭐️4/5⭐️.

*Übersetzt von Gerhard Meier

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Veröffentlicht am 15.10.2023

Eine ländliche Gesellschaft im Wandel

Altes Land
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Vera Eckhoff lebt in einem Bauernhaus im Alten Land. Vor über sechzig Jahren landete sie mit ihrer Mutter als Flüchtling hier und kam doch nie richtig an.
Nun steht ihre Nichte Anne mitsamt Sohn vor der ...

Vera Eckhoff lebt in einem Bauernhaus im Alten Land. Vor über sechzig Jahren landete sie mit ihrer Mutter als Flüchtling hier und kam doch nie richtig an.
Nun steht ihre Nichte Anne mitsamt Sohn vor der Tür. Vera nimmt sie auf und die beiden eigenbrödlerischen Frauen nähern sich zu einer Art Familie an, die sie vorher nie hatten.

Nachdem "Mittagsstunde" für mich ein absolutes Highlight war, wusste ich, dass ich auch die anderen Romane von Dörte Hansen lesen muss. "Altes Land" hat mich dabei nicht enttäuscht.
Mit einem einfachen und doch lyrischen Schreibstil befördert die Autorin ihre LeserInnen direkt nach Norddeutschland.
Mit kritischem Blick berichtet sie von einer sich wandelnden Gesellschaft und schafft es dabei, einen Bogen zu spannen zwischen Geflüchteten und Traumatisierten des zweiten Weltkrieges, sowie satirisch dargestellten Städtern, die aufs Land ziehen und dort auf die Alteingesessenen treffen.
So schafft sie es ganz unauffällig, sowohl tiefe Betroffenheit, als auch den ein oder anderen Schmunzler bei den Lesenden auszulösen.

Sie erschafft eine Vielzahl an schrulligen, liebenswürdigen und starken Charakteren mit all ihren Wünschen, Ängsten, ihren Ruhelosigkeiten und der Suche nach Heimat.
Dabei stechen besonders die Protagonistinnen Vera und Anne heraus, doch auch jegliche Nebencharaktere sind gut ausgearbeitet.

Für mich war es ein Buch, was mir mal wieder aufgezeigt hat, warum ich so gerne lese und ich freue mich nun auf Hansens dritten Roman "Zur See".

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Veröffentlicht am 11.10.2023

Seichte Fantasy-Geschichte

Das Buch Eva
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Vor den Toren eines italienischen Frauenklosters werden zwei schwerverletzte Frauen zurückgelassen. Eine von ihnen reicht der Bibliothekarin Beatrice im Sterben liegend ein geheimnisvolles Buch. Die Seiten ...

Vor den Toren eines italienischen Frauenklosters werden zwei schwerverletzte Frauen zurückgelassen. Eine von ihnen reicht der Bibliothekarin Beatrice im Sterben liegend ein geheimnisvolles Buch. Die Seiten entwickeln schnell ein Eigenleben und Beatrice muss es mit allen Mitteln beschützen, denn skrupellose Männer versuchen, es an sich zu reißen.

Der historisch-religiöse Schauplatz, der spannend klingende Plot mit dem geheimnisvollen Buch im Mittelpunkt und vor allem das wunderschön gestaltete Cover haben mich direkt angesprochen.
Leider wurden meine Erwartungen zutiefst enttäuscht.
Fangen wir mit dem Schreibstil an: Dieser konnte mich überhaupt nicht packen. Meg Clothier lässt Beatrice als Ich-Erzählerin fungieren, dabei wird sie sehr erklärend, was Unwichtiges angeht. Relevante Handlungen und Informationen kommen hingegen zu kurz. Mir fiel es dadurch oft schwer, nicht den Faden zu verlieren. Sie schreibt sehr salopp, was ein Buch auflockern kann, hier fand ich es hingegen gänzlich unharmonisch. Viele Begriffe entsprechen nicht dem historischen Kontext, generell hatte ich nicht das Gefühl, dass geschichtliche Hintergründe besonders gut (oder überhaupt) recherchiert wurden.
Mal abgesehen vom Klappentext gibt es auch keinen wirklichen Hinweis darauf, dass das Buch in der italienischen Renaissance stattfinden soll. Die Geschichte könnte jederzeit überall spielen.

Was mir schließlich komplett missfiel, waren die Fantasy-Elemente. Ich habe einen historischen Roman erwartet, gerade weil die Autorin sich von einem realen Manuskript hat inspirieren lassen und keine Geschichte über Magie.

Hier konnten mich weder die Handlung, noch der Erzählstil überzeugen.
Zwei Sterne gebe ich für die interessante Grundidee und das wunderschöne Cover, alles andere war für mich leider sehr enttäuschend.

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Veröffentlicht am 10.10.2023

Horrorgeschichte ganz ohne Übersinnliches

Holly
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Der Anruf einer besorgten Mutter holt Privatermittlerin Holly Gibney aus einem Tief. Die Tochter der Auftraggeberin ist verschwunden, die Polizei unternimmt nichts.
Auf der Suche nach Bonnie stößt Holly ...

Der Anruf einer besorgten Mutter holt Privatermittlerin Holly Gibney aus einem Tief. Die Tochter der Auftraggeberin ist verschwunden, die Polizei unternimmt nichts.
Auf der Suche nach Bonnie stößt Holly auf immer mehr verschwundene Personen, deren Spuren alle zu einem Täter führen ...

Mit Holly hat Stephen King wohl eine der kontroversesten Figuren geschaffen: Die einen lieben sie, die anderen hassen sie. Ich konnte sie schon seit ihrem ersten Auftritt in "Mr Mercedes" ganz gut leiden, alle anderen können aber aufatmen: Holly hat den Großteil ihrer Marotten abgelegt und wird für die Kritiker wohl inzwischen besser zu ertragen sein.

Die Story fand ich sehr gelungen. Mit "Holly" hat King diesmal einen spannenden Thriller geschrieben, der ganz ohne Übersinnliches auskommt.
Sehr gut gefallen hat mir, dass in zwei Zeitebenen berichtet wird, wobei der Vergangenheitsteil irgendwann auf die Gegenwart trifft. Apropos Gegenwart: Der Roman spielt im Jahr 2021, das Thema Corona wird - mit allem, was dazugehört - sehr häufig erwähnt, ebenso wie es vor zwei Jahren auch noch dauerhaft in unseren Köpfen war. King muss viel Kritik dafür einstecken, mich persönlich stört es nicht, wenn AutorInnen das aktuelle Zeitgeschehen mit in ihre Geschichten einfließen lassen.

Zu Kings Stärken zählt meiner Meinung nach definitiv das Schaffen von facettenreichen Charakteren und das ist ihm auch diesmal gelungen: Angefangen bei dem außergewöhnlichen Täterduo, über die verschiedenen Opfer und ihre Angehörigen, bis hin zu Barbaras Mentorin Olivia sind alle Figuren wie immer ausgesprochen gut ausgearbeitet.

King konnte mich nach dem enttäuschenden "Fairy Tale" letztes Jahr wieder mit einer spannenden Horrorgeschichte fesseln, wenn es auch kein richtiges Highlight für mich war.

Kleiner Nachtrag noch zur Hörbuchversion: David Nathan zählt für mich zu den talentiertesten Sprechern überhaupt, diesmal war ich jedoch sehr enttäuscht. Einen Großteil der Geschichte leiert er roboterhaft runter, lediglich bei der wörtlichen Rede hatte ich das Gefühl, dass sich Mühe gegeben wurde.
Hat das noch jemand so empfunden?

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Veröffentlicht am 08.10.2023

Interessante Dystopie mit einigen Längen

Hysteria
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Dem hypersensiblen Bergheim fällt auf einem Wochenmarkt auf, dass die Himbeeren eine merkwürdige Färbung haben. Außerdem verhält sich das Kalb auf der Weide seltsam.
Also stellt er Nachforschungen an und ...

Dem hypersensiblen Bergheim fällt auf einem Wochenmarkt auf, dass die Himbeeren eine merkwürdige Färbung haben. Außerdem verhält sich das Kalb auf der Weide seltsam.
Also stellt er Nachforschungen an und gelangt ins Kulinarische Institut, wo er auf ein beunruhigendes Experiment stößt ...

Eckhart Nickel beschreibt in seinem Debütroman "Hysteria" ein dystopisches Szenario, in dem ein Einzelgänger entdeckt, dass die Natur immer mehr durch Künstlichkeit ersetzt wird.
Dabei ist das Buch eine Aneinanderreihung von wirren und hysterischen Gedanken des Protagonisten, von denen man bis zum Schluss nicht weiß, ob man ihnen Glauben schenken darf oder nicht. Unterdessen verlieren sich diese oft in vielen Details und Abschweifungen von der eigentlichen Handlung. Etwa die Hälfte des Romans wird durch Erinnerungen an die Studienzeit gefüllt.

Insgesamt begeistert Nickel auch in diesem Roman durch einen sehr anspruchsvollen und ästhetischen Schreibstil, der zwar oft gekünstelt wirkt, aber genau dadurch gut zum Thema passt.
Die vielen Abschweifungen haben mich allerdings etwas gestört, vor allem die zweite Hälfte des Buches hat sich meiner Meinung nach ziemlich gezogen.
Trotzdem fand ich das Grundthema und die Gedankenanstöße sehr interessant.

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