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Veröffentlicht am 17.08.2019

Sieben Schwestern

The Kingdom
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The Kingdom ist der größte, der fantastischste, der modernste Freizeitpark der Welt und wenn du ihn besuchst, wirst du von den berühmtesten Märchenprinzessinnen aller Zeiten begrüßt! Sieben Stück sind ...

The Kingdom ist der größte, der fantastischste, der modernste Freizeitpark der Welt und wenn du ihn besuchst, wirst du von den berühmtesten Märchenprinzessinnen aller Zeiten begrüßt! Sieben Stück sind es, wunderschön, immer lächelnd, immer zuvorkommend, immer darauf bedacht, alle Wünsche zu erfüllen. Ana ist eine von ihnen. Sie sieht aus wie ein Mensch, spricht wie ein Mensch, bewegt sich wie ein Mensch. Doch unter ihrer menschlichen Haut gibt es Drähte und Rechenzentren und selbst ihre Augen sind Überwachungskameras, damit die Supervisoren sie jederzeit überprüfen können. Sie und ihre Schwestern sind Hybriden, halb Mensch, halb Maschine. Und jetzt ist Ana des Mordes an einem Parkmitarbeiter angeklagt, doch ist sie zu einem Mord überhaupt fähig? Und falls ja, ist sie sich überhaupt der Schwere der Tat und der Konsequenzen bewusst?

Ich fühle langsam Hoffnung in mir aufsteigen, dass die Zeit der Jugendbücher, in denen auch wichtige Themen und die auch noch gut umgesetzt, wieder angebrochen ist. Dass die Bücher, in denen es darum ging, den coolsten Boyfriend zu haben, langsam dahin zurücksinken, wo sie hingehören, in das dunkle Zeitalter vor dem unseren. Ja, ja, pathetisch, ich gebe es zu. Aber hier hat sich jemand wirklich Gedanken um ethische Fragen gemacht und diese auch noch gut umgesetzt, ohne Jugendliche oder andere Leser als Dumpfbacken zu behandeln. Mit der dezenten Liebesgeschichte konnte ich leben, zumal der Boyfriend nun wirklich nicht so megacool war, dass alles um einen herum vereiste und hoppla: Was ist denn da passiert? Er behandelte Ana nicht wie den letzten Dreck unter seinen Füßen? Ist das in der heutigen Jugendliteratur überhaupt erlaubt? Junge und Mädchen auf Augenhöhe? Scherz! Ich freue mich, dass es so war und mochte dieses Buch sehr. Es ist auch so offen ausgegangen, dass man ein Sequel hinterherschieben könnte, auch wenn es nicht zwingend notwendig ist - allerdings würde ich es natürlich lesen.

Veröffentlicht am 14.08.2019

Im Dunklen

Secret Keepers 1: Zeit der Späher
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Ruben ist elf, schon immer ein Außenseiter und der Sohn einer alleinerziehenden Mutter, die trotz zweier Jobs Probleme hat, die Miete zu zahlen. Es ist also kein Wunder, dass er viel allein ist; diese ...

Ruben ist elf, schon immer ein Außenseiter und der Sohn einer alleinerziehenden Mutter, die trotz zweier Jobs Probleme hat, die Miete zu zahlen. Es ist also kein Wunder, dass er viel allein ist; diese Zeit nutzt er zum Herumstreunen und Klettern. Als er eines Tages ein altes Haus hochklettert, fällt ihm ein seltsamer Fund in den Schoß: ein Kästchen mit einer Uhr, die anders ist als alles, was er je zuvor gesehen hat. Sie besitzt weder Sekunden- noch Minutenzeiger und hat eine seltsame Eiform. Als er mit ihr ihr herumspielt, entschlüsselt sich ihr Geheimnis - sie macht unsichtbar. Aber die Unsichtbarkeit kommt mit einem Preis. Solange man unsichtbar ist, ist man auch blind und tappst im Dunkeln. Doch die Uhr ist auch kein Spielzeug, das lernt Ruben auf die harte Tour. Die Späher, Handlanger des Schattens, machen sich auf die Suche nach ihr, und sie sind nicht zimperlich.

Ich bin sehr begeistert von der Geheimen-Benedict-Gesellschaft desselben Autors, von daher war klar, dass ich mich auf seine neue Reihe stürzen musste. Jetzt bin ich ziemlich ernüchtert. Die Geschichte hat zwar Potenzial und ist auch keine 08/15-Plotline, aber ansonsten hapert es ganz schön. Man erfährt nur wenig über die Welt, in der Ruben lebt, wird meistens mit einem Isso abgespeist. Ruben selbst ist auch nicht gänzlich sympathisch. Ich verstehe zwar, dass er seiner Mutter und sich selbst ein besseres Leben bieten will, aber das auch auf Kosten von Menschen, die ihm helfen.
Und jetzt kommt Kritik am Verlag, der eigentlich zu meinen Lieblingsverlagen gehört, aber hier gründlich gepatzt hat: Der Klappentext ist echt Müll. Eigentlich braucht man das Buch nach dem Überfliegen desselben nicht mehr zu lesen, denn da steht wirklich alles drin - mal davon abgesehen, dass er auch noch gravierende inhaltliche Fehler enthält. Dann verstehe ich auch nicht, warum Reuben in Ruben umgeändert werden musste, aus Smoke der Schatten wurde und aus The Directions die Späher. Sehr enttäuschend ist auch, dass aus dem einen Buch im Englischen zwei gemacht werden mussten; der Schluss ist nämlich kein Cliffhanger, er ist einfach eine Frechheit.

Veröffentlicht am 12.08.2019

Die Bürde des weißen Mannes

Ein angesehener Mann
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Kalkutta, 1919. In Indien brodelt es an allen Ecken. Die Engländer werden vielleicht nicht mehr ganz so als überlegen angesehen und die Inder hinterfragen ihre Rolle als Kolonie. Immer mal wieder kommt ...

Kalkutta, 1919. In Indien brodelt es an allen Ecken. Die Engländer werden vielleicht nicht mehr ganz so als überlegen angesehen und die Inder hinterfragen ihre Rolle als Kolonie. Immer mal wieder kommt es zu Aufständen und deren brutaler Niederwerfung. In diese Zeit des Umbruchs kommt Captain Wyndham, ehemaliger Polizist aus England. Er hat den 1. Weltkrieg hinter sich, wenn auch nicht aus dem Kopf und aus den Gliedern; seit Jahren ist er drogensüchtig. Als ausgerechnet jetzt ein hoher weißer Beamter ermordet wird, soll er die Klärung des Falles übernehmen, und zwar schnell. Dabei stellt er fest, dass er seine Werte überdenken muss, auch wenn ihm das nicht immer gelingt.

Zweifellos haben wir es hier mit einer interessanten Milieustudie aus einer Zeit vor einhundert Jahren zu tun. Es kommt einem allerdings erstaunlich modern vor - abgesehen von Handys und Computern gab es damals eigentlich schon alles, was wir auch jetzt haben. Zuerst habe ich darüber geschmunzelt, als Wyndham einmal darüber nachdenkt, mittlerweile in einem modernen Informationszeitalter zu leben, aber tatsächlich hatte er recht. Es gab schon überall Telefone, sodass Nachrichten blitzschnell um die ganze Welt gingen. Der Fall selbst war ein bisschen lahm, die Aufklärung zog sich manchmal wie Kaugummi, zumal irgendwann klar war, dass die einen ständig mauern würden und die anderen die ganze Macht in den Händen halten. Aber vieles davon wurde durch das exotische Setting und das Darstellen der Gedanken der handelnden Protagonisten wettgemacht. Im Endeffekt erhält man hier eine solide, wenn auch nicht unbedingt spannende Story mit Einblick in eine Kolonialwelt, die sich gewaltig im Aufbruch befindet. 3,5/5 Punkten.

Veröffentlicht am 10.08.2019

Krims und Krams und Brocken

Söldner. Band 1
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Härter, als sich als Gaukler (á la Dieb) seinen Unterhalt zu verdienen und immer in der Gefahr zu schweben, eine Hand oder das Leben zu verlieren, ist nur noch das Leben selbst. Rafael weiß das, denn er ...

Härter, als sich als Gaukler (á la Dieb) seinen Unterhalt zu verdienen und immer in der Gefahr zu schweben, eine Hand oder das Leben zu verlieren, ist nur noch das Leben selbst. Rafael weiß das, denn er ist mit seinem Karren, Pferd Diego und Regenwurm Borsti unterwegs. Früher hatte er noch einen Partner, Krims, doch der wurde von einer Wache umgebracht, die es für unangemessen hielt, dass Rafael und Krims den Bauern ein wenig das Geld aus der Tasche zogen. Obwohl es Rafael eilig hat, wird er von Soldaten aufgehalten und für Kriegsdienste eingezogen: als Feldschergehilfe soll er einem machtgierigen Herzog dienen. Hier trifft er zum zweiten Mal auf Brocken - den größten, gewaltigsten, brutalsten und unbesiegbarsten Söldner aller Zeiten, der als Feldmarschall die Truppen anführt. Die beiden könnten unterschiedlicher nicht sein, und doch schweißt sie ein Geheimnis auf Gedeih und Verderben bei einer Reise ins Ungewisse zusammen. Begleitet werden sie dabei noch von einem jungen Söldner, dem Rafael das Leben, aber leider kaum den Geist oder das Gedächtnis retten konnte.

Zweifellos ist auch diese Geschichte von Sam Feuerbach wieder außergewöhnliche Fantasy, die sich vom Einheitsbrei abhebt. Leider ist Feuerbach sein größter Gegner: Er hat mit dem Totengräbersohn die Messlatte so dermaßen hoch angelegt, dass kaum etwas daran kommt, nicht einmal etwas von ihm selbst Geschriebenes. So glänzt er zwar auch hier wieder mit spritzigen Dialogen, witzigen Wortspielen und hitzigen Protagonisten, doch fallen diese im Vergleich zu Farin, Emicho und Co. ein wenig ab. Mega ist natürlich wieder Robert Frank als Sprecher, der wie üblich auf genial-perfekte Weise das Buch einspricht und damit den richtigen Rahmen verleiht. Ich bin also neugierig auf Teil 2, aber nicht ganz so vom Hocker gerissen wie früher.

Veröffentlicht am 04.08.2019

Omnipotenter Puppenspieler

Der Kastanienmann
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Eine Frau wird im Garten ihres Hauses brutal gefoltert und dann umgebracht. Eine weitere Frau stirbt auf ähnlich grauenhafte Weise. Die Frauen scheint nichts zu verbinden - außer ein Kastanienmännchen, ...

Eine Frau wird im Garten ihres Hauses brutal gefoltert und dann umgebracht. Eine weitere Frau stirbt auf ähnlich grauenhafte Weise. Die Frauen scheint nichts zu verbinden - außer ein Kastanienmännchen, das bei jeder in der Nähe aufgehängt wird. Thulin, die viel lieber beim Dezernat für Cyberkriminalität arbeiten würde und Hess, der geschasste Europol-Bulle, müssen auf Hochtouren ermitteln, denn eines scheint klar: Hier ist ein Serienmörder am Werk. Doch obwohl es ihnen gelingt, sowohl eine dritte gefährdete Frau in ein sicheres Haus zu bringen, und dem Täter eine Falle zu stellen, scheint ihnen dieser immer einen Schritt voraus zu sein. Und was hat das alles mit der Sozialministerin und deren vor einem Jahr ermordete Tochter zu tun, deren Fingerabdrücke auf den Kastanienmännchen gefunden werden?

Ich fand den Prolog sehr, sehr cool, auch den Anfang des Buches, obwohl der Schreibstil ernsthaft fast genauso grauenhaft ist wie die beschriebenen Morde. Dieses ständige Hin- und Herwechseln zwischen Präsens und Präteritum hat mich ständig aus dem Lesefluss gebracht. Kann sein, dass der Autor ein guter Drehbuchschreiber ist, vom Handwerk des guten literarischen Buches ist er noch meilenweit entfernt. Ab einem gewissen Zeitpunkt nervte mich auch die absolute Omnipotenz des Mörders, der Sachen voraussehen und wissen konnte, die nicht einmal mit seinen Fähigkeiten erklärbar waren. Was mir auch immer wieder bei skandinavischen Büchern auffällt ist, dass scheinbar mindestens zwei Drittel aller vorkommenden Personen eigentlich ständig an Sex denkt, und das selten auf eine sympathische Weise. Ich fand das Buch zu lang - nicht wirklich langweilig, aber gelegentlich langatmig - und verstehe den Hype, der scheinbar in Dänemark darum gemacht wird, nicht.